- Zeuthener See
Von Köpenick aus unternimmt Fontane mit Freunden einen Segelttörn. Das Ufer des Zeuthener Sees erscheint ihm dabei als unwirtliche "Wendei".
Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Band IV „Spreeland":
Eine Viertelstunde später waren wir wieder an Bord der »Sphinx« und fuhren nun, unseren Cours wechselnd, auf die Südspitze des Zeuthener Sees zu. Auch hier noch ist der Segelklub zu Haus, dessen anwesende Mitglieder nicht ermangelten, mir »Hankels Ablage«, »Haches Gruß«, den »Gingang-Berg« und ähnlich wunderlich benannte Punkte vorzustellen. Aber der Zeuthener See ist doch schon Vorterrain; die Villen hören auf, der Einfluß der Hauptstadt schwindet und die eigentliche » Wendei« beginnt. Die Ufer still und einförmig. Nur dann und wann ein Gehöft, das sein Strohdach unter Eichen versteckt; dahinter ein Birkicht, ein zweites und drittes, coulissenartig in die Landschaft gestellt. Am Horizonte der schwarze Strich eines Kiefernwaldes. Sonst nichts als Rohr und Wiese und ein schmaler Gerstenstreifen dazwischen; ein Habichtpaar in Lüften, das im Spiel sich jagt; von Zeit zu Zeit ein Angler, der von seinem Boot oder einem halbverfallenen Steg aus die Schnur ins Wasser wirft. Wenig Menschen, noch weniger Geschichte. Selbst der Feind mied diese Stelle. Darum fehlen hier auch die Schlachtfelder auf viele Meilen hin. In einer alten Chronik heißt es: »Der Dreißigjährige Krieg kam nicht hieher, weil ihm die Gegend zu arm und abgelegen war.« Er wußte wohl, was er tat. Wie ein Feuer ohne Nahrung wär er in diesem See- und Spreegebiet erloschen.
Der Grundzug der Wendei, wenigstens an dieser Stelle, ist Trauer und Einsamkeit.
Um Mittag hatten wir die Südspitze des Zeuthener Sees erreicht; von fern her blickte der Königs-Wusterhausener Turm zu uns herüber. Dann fuhren wir in die Neumühler Schmalung ein, die den Zeuthener See mit dem Krüpel-See verbindet, endlich aus dieser Schmalung in den Krüpel-See selbst.
Die Landschaftsbilder blieben dieselben und wechselten erst, als wir, bei Dorf Kablow, aus der bis dahin befahrenen Seenkette der Wendischen Spree in diese selbst gelangten. Nicht viel breiter als ein Torfgraben, zieht sie hier die Grenze zwischen dem teltowschen und dem beeskow-storkowschen Kreis, bis sie, nach einer Wegstrecke von kaum einer Meile, bei dem Dorfe Gussow abermals zu einem See sich breitet, dem Dolgen-See. Unsere Fahrt verlangsamte sich jetzt, da mittlerweile beinahe völlige Windstille eingetreten war; erst eine bei Sonnenuntergang aufspringende Brise führte uns glücklich über den See bis Dolgenbrodt.
Audio: Ausschnitt aus "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" gelesen von Wolfgang Büttner (Produktion des BR 1962)