- Saarow - Fontanepark
Keinen Badeort, sondern eine gottverlassene Einöde findet Theodor Fontane in Saarow. Aber er erkennt die Schönheit des Ortes.
Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Band IV „Spreeland“:
Es war ein wundervoller Weg; über dem blauen Wasser wölbte sich der blauere Himmel, und zwischen den spärlichen Binsen, die das Ufer hier einfaßten, hing ein ebenso spärlicher Schaum, der in dem scharfen Ostwinde beständig hin und her zitterte. Holz und Borkestücke lagen über den Weg hin zerstreut, andre dagegen tanzten noch auf dem flimmernden See, der im übrigen, all diesem Flimmern und Schimmern zum Trotz, einen tiefen Ernst und nur Einsamkeit und Stille zeigte. Nirgends ein Fischerboot, das Netze zog oder Reusen steckte, ja kaum ein Vogel, der über die Fläche hinflog. Oft hielt ich an, um zu horchen, aber die Stille blieb, und ich hörte nichts als den Windzug in den Binsen und das leise Klatschen der Wellen.
Und endlich auch die Schläge, die vom Pieskower Turm her zu mir herüberklangen. Ich zählte zwölf, es war also Mittag, und ehe der letzte noch ausgesummt hatte, war ich auch schon bis an die Stelle heran, wo mein Fußweg in die vorerwähnte Saarower Dorfgasse mündete.
Dicht am Eingange saß ein Mütterchen auf einem Strauch- und Reisigbündel, das sie sich aus der Heide geholt, und grüßte mich. Alte Weiber sollen kein Glück bringen, aber wenn sie freundlich sind und einem einen »Guten Tag« bieten, so hat es mit der ganzen Jägerweisheit nicht viel auf sich. Und so blieb ich denn auch stehen und sagte: »Na, Mutterchen, is wohl ein bißchen schwer? Und die Sonne sticht heut so. Sie müssen die Kinder in den Wald schicken. Oder haben Sie keine?«
»Woll, Kinner hebb ick un Enkelkinner ook. Awers se wulln joa nich. Un se künn' ook nich. Se möten joa all in de School.«
»Ja, ja. Alles muß in die Schule. Haben Sie denn auch 'ne Kirche in Saarow?«
»Nei. Wi möten nach Reichenwald.«
»Richtig. Ich erinnere mich. Das ist da, wo sie den alten Rittmeister begraben haben. Haben Sie den noch gekannt?«
»O wat wihr ick nich? He wihr joa so in mine Joahr. Woll hebb ick em kennt.«
»Und wie war er denn?«
»Na, he wihr joa sowiet janz goot. Bloot man en beeten schnaaksch un wunnerlich un ok woll en beeten to sihr för de Fruenslüd. Awers nu is he joa dod.«
»Und hat wohl ein Denkmal? Ich meine so was von Stein oder Eisen. Eine Figur oder einen Engel mit 'nem Spruch oder Gesangbuchvers.«
»Nei. För so wat wihr he nich.«
»Und is sonst noch was in Saarow zu sehn?«
»Ick glöw nich. Veel is hier nich in Saarow. En nijen Kohstall...«
»Aber drüben in Pieskow?«
»Joa, in Pieskow. O woll, versteiht sich. In Pieskow, da möt wat sinn.«
»Na, dann werd ich mal sehn. Ich dank auch schön, Mutterchen.« Und damit ging ich weiter in das Dorf hinein.
Wirklich, in Saarow war nicht viel, und als ich mich genugsam davon überzeugt hatte, hielt ich mich auf den See zu, wo nach meiner Meinung eine Fähre sein mußte.
Audio: Ausschnitt aus "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" gelesen von Gert Westphal (Produktion des SWR 1982-1985)