- Köpenick - Hafen
Die Einladung zur einer Bootsfahrt schlägt Fontane nicht aus. Ausgerüstet mit einem Dutzend Flaschen Champagner erkundet er mit Freunden die Müggelspree.
Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg - Teil IV "Spreeland"
Nach Begrüßung und Vorstellung durch den Kapitän baten alle drei Herren, sich auf eine gute halbe Stunde verabschieden zu dürfen, da eine meine eigenen Interessen mitberührende Frage, die der Verproviantierung, noch zum Abschluß zu bringen sei. Mudy werde mittlerweile die Honneurs machen, wenn ich es nicht vorzöge, mich im Köpenicker Schloßpark zu ergehen. Ich entschied mich für den Park. Mudy blieb mir immer noch; man hat nirgends so viel Zeit zu Personalstudien wie an Bord eines Schiffes. Eine schmale Falltreppe führte mich ans Ufer; dann, meine Richtung auf das Schloß zu nehmend, erreichte ich ein großes, von einem Kiesweg eingefaßtes Wiesenrondell. Um diesen Kiesweg herum, in weiter gespanntem Bogen, wuchsen Buschwerk und Unterholz auf, aus deren dichtem Gewirr einzelne alte Bäume, Eichen und Akazien, emporstiegen. Die Akazien füllten die Luft mit Wohlgeruch. Es war ein köstlicher Abend. In den Nischen des Buschwerkes standen halbzerbrochene Sandsteinfiguren, Urnen und trauernde Engel, anzeigend, daß hier in halbvergessenen Tagen irgendein prinzeßlicher Vorleser, irgendein Mitglied von Hofstaat oder Kapelle begraben worden sei. Nun schlugen die Nachtigallen darüber. Eine dieser Begräbnisstätten – nicht aus Pietät, sondern aus Gärtnerlaune – war von einem Blumenbeet umgeben. Alles Grün fehlte; nur Lilien, weiße und rote, drängten sich dicht durcheinander. Diese prätentiöse Pracht wirkte beinah unheimlich. Ein junges Köpenicker Paar ging an mir vorüber, das vielleicht Auskunft geben konnte. »Wer liegt hier?« fragt ich. »Da liegt der Flötenspieler«, lautete die Antwort. Und dabei kicherten beide.
Ich schlenderte noch den Kiesweg auf und ab, als ich meine Reisegefährten von der Schloßbrücke her zurückkommen sah. Es folgten ihnen drei Paar Träger mit großen Deckelkörben, die den angekündigten Proviant herantrugen. Die Körbe über den schmalen Steg hin direkt an Bord zu schaffen war unmöglich; ihr Inhalt mußte also vom Ufer aus in Einzelstücken herübergereicht werden, etwa wie sich Bauarbeiter die Steine zureichen. Dies gab mir Gelegenheit, die Verproviantierung der »Sphinx« im Detail kennenzulernen. Der Eindruck, den ich davon empfing, war ein gemischter, denn alles Tröstliche, was er mit sich brachte, wurde durch ebensoviel Beängstigendes balanciert. Durch welche Gegenden mußten wir kommen, um zu solchen Vorsichtsmaßregeln gezwungen zu sein! Es wurden eingeschifft: 120 Flaschen Tivolibier, 120 Flaschen Sodawasser, 30 Flaschen Bordeaux, 3 Filets, 2 Schock Eier, 1 Butterfaß, 1 Zuckerhut, 1 Baumkuchen, 6 Flaschen Scharlachberger und 1 Dutzend Flaschen Champagner. Mehr noch als diese durch Zahl oder Gewicht bemerkenswerten Quantitäten imponierte mir die Liste der »Kleinigkeiten«; sie füllte einen halben Bogen und wies über hundert Nummern auf. Ich zitiere daraus nur folgendes: eine Muskatnuß, ein kleines Reibeisen dazu, Salveiblätter, um Aal, und Dilldolden, um Schlei zu kochen. Alle diese Dinge, groß oder klein, verschwanden ohne Schwierigkeit in dem Rumpf des Schiffes; die Butter, das Fleisch erhielten ihren Platz auf großen Eisblöcken, und eh eine halbe Stunde um war, war auch die letzte Flasche »gestaut«.
Audio: "Literatur und Update - Mit Fontane nach Köpenick" gesendet bei rbbkultur 2019