- Pieskow - Dorfkirche
Von Saarow setzt Theodor Fontane nach Pieskow über. Er wird es bald bereuen und schimpft auf das "unwirtliche Pieskow, in dem nicht mal mehr ein Grabstein von besseren Zeiten redete".
Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Band IV „Spreeland“:
Das Ufer war nicht hoch und erkletterte sich leicht. Als ich oben war, grüßt ich noch einmal zurück und schlenderte dann zwischen zwei Heckzäunen hin auf einen Grasplatz zu, der allem Anscheine nach die Mitte des Dorfes bildete. Häuser und Gehöfte faßten ihn ein, unter denen ich gerade der Kirche gegenüber auch ein preußisches Schulhaus in seiner eigentümlichen Mischung von Backsteinsauberkeit und Stiljammer erkannte. Die Nachmittagssonne stand prall auf die Scheiben und sah stechend und inspektionsmäßig in die langweilig leeren Räume hinein.
Es kam niemand, als ich klopfte. »Wohnt hier der Lehrer?« fragt ich endlich eine vorhergehende Frau. »Geihen S' man in 'n Goarden.« Und richtig, da stand er in Front eines Bienenschobers und grub ein von ein paar kleinen Kirschbäumen eingefaßtes Stück Land um.
Ich fand einen freundlichen Mann, der auch gleich bereit war, mir das zu zeigen, um was sich's einzig und allein für mich handeln konnte: die Kirche. Diese war keine von den altehrwürdigen aus Feldstein, die stets einen Reiz und eine Schönheit haben, sondern ein Neubau, den man hier unter Benutzung der alten Fundamente vor länger oder kürzer errichtet hatte. Von rechts her lehnte sich ein Turm an, eigentlich nur ein Türmchen von der Art, wie man ihnen auf Weinbergen und Wirtschaftshöfen als Eingang in Sprit- oder Eiskeller begegnet.
Es war also mit nur geringen Erwartungen, daß ich die Kirche betrat. Aber freilich auch dies Wenige sollte kaum erfüllt werden. An der einen Wand hingen ein paar Totenkronen und Immortellenkränze, während über dem Altar ein Abendmahlsbild paradierte, darauf Judas um kein Haarbreit schlimmer aussah als die zwölf andern, Christus mit eingerechnet. Ich übersah rasch, daß hier wenig zu machen sei, wollt aber das Meine getan haben und sagte: »Sie wissen doch, daß es früher eine Löschebrandsche Kirche war und daß viele Löschebrands hier begraben wurden?«
»Ich habe davon gehört, unser alter Emeritus...«
»Und da wundert es mich, hier nichts als kahle Wände zu finden. Einer aus der Familie war mit Feldmarschall Illo verschwägert, ein andrer fiel bei Fehrbellin, und ein dritter soll sich gegen die Türken ausgezeichnet und dem Köprülü die große Prophetenfahne mit eigner Hand entrissen haben. Ich nenne nur diese drei. Nach meinen Erfahrungen nun auf diesem Gebiete geht man in unsren märkischen Familien über solche Dinge nicht gleichgültig fort, und wenn auch selbstverständlich die großen Geschichtsbücher nicht Zeit und Platz haben, ein Aufhebens davon zu machen, so tuen es doch die Kirchen und Krypten überall da, wo solche Schwertmagen und Kriegsgurgeln zu Hause waren. Und da gibt es denn immer allerlei Fahnenfetzen und zerbröckelte Feldmarschallsstäbe, Kettenkugeln und Stulpstiefel, und unter Umständen auch wohl rostige Degen, mit denen ein Bruder den andern über den Haufen gestochen. Ist denn gar nicht so was hier? Es ist doch eigentlich gênable für eine berühmte alte Familie, wenn all dergleichen bei Toten und Lebendigen fehlt. Es darf nicht fehlen. Es muß dergleichen geben.«
»Und es hat auch dergleichen gegeben. Hier in dieser Kirche. Wenn ich sage ›dergleichen‹, so mein ich nicht Degen mit Brudermord, denn ich will mir nichts an den Hals reden. Aber Grabsteine mit Inschriften und Engelsköpfen, und einen kupfernen Sarg mit einem Kuckfenster oben, all das und manch andres noch war da. Darüber ist kein Zweifel.«
Audio: Ausschnitt aus "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" gelesen von Gert Westphal (Produktion des SWR 1982-1985)