- Radensleben - Gutshaus
Theodor Fontane war ein Kunstliebhaber und kommt beim Besuch von Radensleben ins Schwärmen: Rembrandt-Kopien, Neapel-Bilder, Madonnen - Seite um Seite füllt er mit Listen von Kunstwerken.
Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Band I "Grafschaft Ruppin":
Radensleben, das wir in wenig mehr als viertelstündiger Fahrt von Karwe aus erreichen, gilt als eines der schönsten Güter der Grafschaft, und zu seinen weiten Acker- und Wiesenflächen gesellen sich große Forstbestände, die sich zum Teil bis in die Rheinsberger Gegend hin ausdehnen. Aber was unser Interesse weckt, das ist ein andres, ist die poetische, beinah absolute Stille, die ihren Zauberkreis um dies Stück Erde zieht.
Das Ruppiner Land ist überhaupt eins von den stillen in unsrer Provinz, die Eisenbahn streift es kaum, und die großen Fahrstraßen laufen nur eben an seiner Grenze hin; aber die stillste Stelle dieses stillen Landes ist doch das Ostufer des schönen Sees, der den Mittelpunkt unserer Grafschaft bildet und von ihr den Namen trägt. Durchreisende gibt es hier nicht, und jeder, dem man begegnet, der ist hier zu Haus; kein anderer Verkehr als der der Dörfer untereinander, und es bleibt selbst fraglich, ob das Handwerksburschentum in andern als in verschlagenen Exemplaren an dieser Stelle betroffen wird.
Noch einmal also, keine »Passanten«. Es legt hier nur an, wer landen will.
Wir sind unter diesen, fahren eben in die breite, mit prächtigen Bäumen besetzte Dorfstraße ein und halten vor dem alten Herrenhause, einem geräumigen, aber anspruchslosen Bau, dessen Fachwerkwände die schlichte Art des vorigen Jahrhunderts zeigen. Ein traulich-wohnlicher Zug ist um das Ganze her, und im selben Augenblick, wo wir eintreten, erkennen wir auch, daß das Haus nach gut märkischer Art tüchtiger ist, als es von außen her erschien, und daß seine Fachwerkwände nur eine Hülle sind, hinter der sich ein massiver älterer Bau verbirgt. Zugleich bemerken wir eine doppelarmige Treppe, die, breit und mit niedrigen Stufen ansteigend, nach rechts und links hin auf die oberen Korridore mündet.
Es ist warm, und so nehmen wir in der Vorhalle Platz, um die Wohltat von Luft und Licht und den vollen Blick in die Anlagen des Gartens zu haben. Eine künstlerische Hand hat hier unverkennbar die Linien gezogen, und die Frage tritt an uns heran: Wer war hier tätig? wer schuf diese Durchsichten? wer richtete diese Statuen auf? wer gab ihnen die malerischste Stelle?
Und nun verlassen wir die Vorhalle wieder, um erst im Erdgeschoß und dann im oberen Stock eine lange Zimmerreihe zu passieren, und siehe da, im reichen Anblick aller hier angesammelten Schätze wird uns zugleich Antwort auf unsere Frage. Kunst, echte Kunst überall. Das gut Märkische schwindet und der Zauber italischer Ferne steigt vor uns auf.
Video: „Theodor Tour nach Radensleben“ aus der Sendung „Theodor“ vom 07.02.2010. Autorin: Dagmar Lembke, Kamera: Guido Kilbert