Biologin Sophia Kimmig im Interview - Die Fuchsforscherin
Der Stadtfuchs als Forschungsobjekt: Um die 1.000 Fuchsmeldungen von Bürgern sind seit Beginn des Projektes "Füchse in der Stadt" eingegangen. Wissenschaftlich auswerten wird diese Daten Sophia Kimmig, Biologin am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW).
Frau Kimmig, wie sind Sie auf den Fuchs gekommen?
Ich bin Biologin und interessiere mich besonders für die evolutionären Anpassungen von Wildtieren an verschiedene Lebensbedingungen. Daher verfolge ich natürlich, was das IZW so macht. Als dann die Promotion-Stelle zum Thema "Füchse in der Stadt" zu besetzen war, habe ich sofort reagiert und wurde zu meiner großen Freude ausgewählt.
Was macht den Fuchs zu einem so interessanten Forschungsobjekt?
Der Fuchs ist einfach ein faszinierendes Tier. Er ist fast auf der ganzen Welt verbreitet und sehr erfolgreich, um nicht zu sagen, der erfolgreichste Raubsäuger überhaupt. Das zeigt sich auch in seiner Eroberung der Stadt. Was ihn dabei so erfolgreich macht, ist eine der Kernfragen, die wir in diesem Projekt beantworten möchten. Es werden also drei spannende Jahre.
Wie gehen Sie jetzt vor mit den beinahe 1000 Einsendungen der rbb-Zuschauer?
Zunächst muss ich sagen, dass es klasse ist, wie viele Leute sich an dem Projekt beteiligt haben und immer noch beteiligen. So viele Informationen hätten wir ohne das bürgerwissenschaftliche Engagement in der kurzen Zeit nicht generieren können. Bei der Auswertung wird es um die "Verstädterung" der Art gehen. Also unter anderem um die Fragen: Was zieht den Fuchs so sehr in die Stadt? Wo und wie lebt er in der Stadt? Wie geht er mit der Nähe zum Menschen um? Welche Wege nutzt er und wovon ernährt er sich? Es gibt jetzt schon Dinge, die uns überrascht haben und wir erhoffen uns durch die Bilder und Berichte auch neue Untersuchungsfragen entwickeln zu können, die wir selber noch gar nicht in Betracht gezogen haben. Es ist zum Beispiel sehr interessant, dass so viele Füchse tagsüber gesichtet werden. Eigentlich ist der Fuchs eher nacht- und dämmerungsaktiv. In der Stadt scheint er da flexibel zu sein, die Menschen sind ihm offenbar ziemlich egal.
Welche Daten erheben Sie neben den rbb-Meldungen noch?
Wir untersuchen auch tote Tiere. Immer wenn Menschen auf ihrem Grundstück einen verendeten Fuchs finden und sich an den Naturschutzbund Deutschland (NABU) wenden, meldet uns dieser den Fund. Ich fahre dann mit einer großen schwarzen Box und Schutzkleidung, wie Handschuhen und Mundschutz hin und hole das Tier ab. In der Pathologie des IZWs wird er dann von mir seziert. So erfahre ich unter anderem, was er gefressen hat. Mein Kollege Konstantin Börner hat auf diese Weise schon McDonalds-Tüten aus Fuchs-Mägen geholt. Außerdem setze ich eine neue DNA-Analyse-Technik ein. Mit dieser kann ich Schnipsel von genetischem Material aus dem Darm-Inhalt analysieren und herausfinden, wessen DNA dort drin steckt. Ist es die einer Maus, hat der Fuchs wahrscheinlich selbst gejagt. Finde ich genetisches Material von Fisch oder Rind, dann weiß ich, er hat wahrscheinlich Katzenfutter oder einen Burger gefressen.
Durch die Totfunde bekomme ich auch DNA-Proben von Füchsen überall im Stadtgebiet und aus dem Umland. Mit diesen kann ich dann die Verwandtschaft zwischen den Tieren analysieren. So lässt sich zum Beispiel herausfinden, ob Tiere ihrem Kiez treu bleiben oder ob sie innerhalb der Stadt wandern beziehungsweise auch Ausflüge aufs Land unternehmen.
Was kann man von Füchsen in der Stadt lernen?
Auch die lebenden Füchse können uns wichtige Daten liefern. Dafür wollen wir einige mit Sender-Halsbändern ausstatten. Diese ähneln Hundehalsbändern, in denen ein kleiner Akku und eine GPS-Einheit verbaut sind. Das Sender-Halsband speichert dann regelmäßig die Position des Fuchses. So können wir erfahren, welche Wege er nutzt, wie groß sein Territorium ist und wie er sich in der Stadt bewegt.
Momentan warten wir noch auf die Genehmigung, Füchse dafür fangen zu dürfen. Dann würden die Füchse mit Hilfe von Lebendfallen gefangen, mit dem Halsband versehen und anschließend wieder frei gelassen werden. Nach einiger Zeit löst sich das Halsband von selbst vom Tier und wir können es orten und einsammeln. Um an die Positionsdaten heran zu kommen und diese auslesen zu können, müssen wir allerdings wenigstens einen Kilometer an den Fuchs herankommen.
Das klingt so als ob Sie viel Geduld brauchen werden.
Ein Spaziergang ist das nicht, aber ich liebe meinen Beruf. Die Arbeit mit Wildtieren fasziniert mich, und mir wird dabei nie langweilig. In einem früheren Forschungsprojekt habe ich bereits wochenlang Wölfe und Bären beobachtet, und im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich sechs Monate in der Prärie des zentralen Hochlands Nordmexikos gearbeitet. Dort haben wir wilde Präriehunde gefangen und farbmarkiert, um ihr Sozialverhalten, ihre Ökologie und ihre genetischen Beziehungen zu untersuchen. Das war eine gute Übung fürs Fuchsprojekt.