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Am Samstag (10.06.) geht im Stammhaus der Komischen Oper in Berlin Mitte ein letztes Mal der Vorhang auf. Dann wird mit einer großen Party dicht gemacht. Sechs Jahre lang wird das Haus saniert, umgebaut, erweitert. Wie wird die Komische Oper der Zukunft aussehen? Zeit für einen Blick nach vorne und einen Blick zurück.
Wenn man in den vergangenen Jahren im Saal der Komischen Oper saß, hat man sich beim Blick nach oben ja schon manchmal gefragt, ob da oben wirklich noch alles hält.
Ein Netz als Schutz vor bröckelndem Stuck - nun wird also saniert. Und es sind die Tage der letzten Male oder der vorletzten. Als wir die Sopranistin Nadja Mchantaf treffen, wird sie für einen Auftritt vor dem großen Umzug frisiert.
Nadja Mchantaf, Sopranistin
"Gerade jetzt so die letzte, fast letzte Vorstellung, es ist jetzt die vorletzte für mich, da geht’s noch. Aber am 10. Juni, da werde ich schon bissel emotional sein danach, das denke ich schon."
Zm Schluss steht "Saul" auf dem Programm.
Ein Oratorium von Georg Friedrich Händel, eine biblische Geschichte erzählt als familiäres Eifersuchtsdrama.
Es war die letzte Premiere im Haus an der Behrenstraße – mit diesem beeindruckenden Kopf des Riesen Goliath. Aber jetzt räumt Nadja Mchantaf schon ihre Garderobe.
Nadja Chantaf, Sopranistin
"Also, der Spind ist schon fast leer. Im Vergleich zu dem, wie voll er vorher war. Ta–daa – Zahnbürste und Lippenstift, sehr wichtig für Sänger, mehr braucht man fast nicht."
In probenintensiven Zeiten, da wohnt man fast im Opernhaus, sagt Nadja Mchantaf. Und jetzt wird aussortiert, verschenkt. Die Gewerke füllen die Umzugskartons – hier auf dem Flur arbeiten die Maskenbildner und Maskenbildnerinnen.
Nadja Chantaf, Sopranistin
"Man kennt das ja, glaube ich, wenn man mal selber umgezogen ist, von einer Wohnung zur anderen, wieviel Arbeit allein das ist und hier potenziert sich das nochmal. Ich habe zum Glück die Stimme dabei, ich muss nicht so viel einpacken, ich bin da ganz froh drüber. Die Zahnbürste kommt mit."
Seit der Eröffnung der Komischen Oper 1966 ist baulich nicht mehr allzu viel passiert am Haus. Damals stand Walter Ulbricht, ohne es zu mitzubekommen, vor der sinnlichen Tür. Was bitte ist eine sinnliche Tür? Das erklärt uns gleich noch Heidi Specker, die Fotografin hat ein Portraitbuch über das Opernhaus gestaltet.
Heidi Specker, Fotografin
"Interessant an dem Haus, an der alten Dame Komische Oper – ich habe ja eine alte Dame portraitiert – ist eigentlich, dass das Haus im Grunde genommen so ein Flickwerk ist. Die alte Dame hat halt einen Bombenangriff überstanden, da gab’s noch ´ne Ruine, die stehengeblieben ist, dann gibt’s den Anbau, die Verwaltung, die ostmodern ist."
Ihre Bildsprache zelebriert das Detail – eine Collage aus Gebrauchsspuren, Kuriositäten, Spiegelungen – vor und hinter den Kulissen. Die alte Dame führt ein Eigenleben – Heidi Specker hat einen lachenden Hocker entdeckt.
Heidi Specker, Fotografin
"Hier haben wir auch so ne kleine Perle. Der lachende Hocker. Den habe ich ganz lange nicht gesehen und irgendwann hat er mich angelacht. Das ist ja wie so’n Comic, man hat hier so Bart oder Haare, und hier hat man den Mund."
Womit wir zur sinnlichen Tür kämen, am Besuchereingang. Ein Werk – oder: eine Struktur des Künstlers Fritz Kühn.
Heidi Specker, Fotografin
"Ich hab‘ hier immer so ne Taille und Beine gesehen. Aber jeder sieht da natürlich was Anderes. Die Brustwarzen sind vielleicht ´n bisschen nach unten gerutscht oder whatever das hier ist. Aber ich find’s erotisch – oder sinnlich."
Patina ist liebenswert, aber wenn’s bröckelt wird’s schwierig. 440 Millionen Euro soll der Umbau kosten und sechs Jahre dauern. Wenn alles klappt. Nun ja, die Hoffnung bleibt.
Susanne Moser, Co-Intendantin Komische Oper Berlin
"Wir wissen natürlich auch, dass diese Sanierung vom Land Berlin auch ein Bekenntnis für die Komische Oper ist, für die Institution, für die Oper überhaupt, für den Kulturstandort Berlin, weil Berlin ja doch einer der wichtigsten Opernstandorte weltweit, würde ich sagen."
Im Ausweichquartier Schillertheater sind gerade Plastikpuschen angesagt. Der Teppich wird verlegt – denkmalschutzkonform in sahnebonbonbraun. Das Haus an der Bismarckstraße ist opernerprobt, die Staatsoper war hier auch schon zu Gast. Doch auch hier gibt’s viel zu tun.
Susanne Moser, Co-Intendantin Komische Oper Berlin
"Die Bestuhlung wird hier im Saal überarbeitet, die alte Bestuhlung war sehr durchgesessen. Der Orchestergraben muss wieder in Stand gesetzt werden, der wurde die letzten Jahre nicht benutzt. Und ganz wichtig ist für uns, eine Drehscheibe wird eingebaut. Die brauchen wir für fast alle unsere Produktionen."
Alles muss raus, alles muss rein – so läuft das gerade. Nadja Mchantaf ist es gewohnt, an unterschiedlichen Häusern zu singen. Aber ihr Herz schlägt eindeutig für die Behrenstraße.
Nadja Mchantaf, Sopranistin
"Oder auch sowas hier, das sind so über die Jahre entstandene Dinge, das muss man sich auch hart erarbeiten. … Also, wenn man sich das anschaut – das ist doch einfach schön. Es ist ein Saal, der ist nicht nur einfach schön, sondern gerade für einen Sänger oder eine Sängerin eine Art Zuhause. Wir sind auch woanders, auf anderen Bühnen unterwegs aber zu wissen, man kommt immer wieder nach Hause zurück, auf die Stammbühne, das ist schon was Besonderes."
Und Heidi Specker? Die hat nach der sinnlichen Tür und dem lachenden Hocker noch eine Eigenheit entdeckt – die sprechenden Stühle.
Heidi Specker, Fotografin
"Die sprechen, die Stühle. Der eine lacht und die hier, die sprechen. Die alte Dame Oper spricht. Was sagt sie uns? Ich will Öl!"
Wir sind uns ganz sicher - sie sagt:
"Auf bald…"
Autor: Steffen Prell