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Inspiriert von Gustave Flauberts Roman "Madame Bovary" zeigt Christian Spuck am 20. Oktober seinen ersten Ballettabend als Intendant der traditionsreichen Company. Nach einer langen, von Unruhen geprägten Zeit am Staatsballett, soll mit Christian Spuck nun wieder Ruhe und künstlerische Exzellenz einkehren.
Ach, Ballett. Das ist doch was mit Plié, Jeté und Assemblé. Dafür ist das Staatsballett Berlin berühmt: Körperperfektion bis in die Zehenspitzen. Na klar, "Dornröschen", "Nussknacker", "Schwanensee". Für die Gralshüter des klassischen Tanzes sind diese Stücke die Konstanten einer zu wahrenden Tradition.
Doch gerade wird an der Deutschen Oper für eine "Uraufführung" geprobt, ein Tanzstück von Christian Spuck, dem neuen Chef der Compagnie.
Elf Jahre war er Intendant in Zürich, nun ist er es in Berlin. In knapp einer Woche ist Premiere.
Christian Spuck, Intendant Staatsballett
"Der Adrenalinspiegel ist hoch. Genauso muss es auch sein. Aber ich bin guten Mutes und freu mich darauf."
Der neue Intendant ist ein Frühaufsteher, 5.30 Uhr beginnt sein Tag mit Calisthenics, Krafttraining. Von Berlin, der Stadt, in der er schon immer leben wollte, sieht er gerade kaum mehr als den Weg zur Deutschen Oper.
Hier hat er bereits zwei Opern inszeniert. Und mit Verdis "Messe da Requiem" im letzten April seinen Einstand als Choreograf gegeben.
Sein Züricher Erfolgsstück von 2016 - wuchtig und oppulent - wurde in Berlin euphorisch aufgenommen.
Nun beginnt seine erste Spielzeit in Berlin. Und sie beginnt mit großen Erwartungen. Als Retter des zuletzt krisengeschüttelten Berliner Staatsballetts wurde er in den Medien annonciert. Aber er sieht sich nicht als Arzt und die Tänzer nicht als Patienten.
Christian Spuck, Intendant Staatsballett
"Also das Staatsballett ist eine großartige Compagnie, die über die letzten Jahrzehnte phantastische Produktionen und Vorstellungen herausgebracht hat. Und ich sehe mich wirklich nicht als Retter hier. Das wäre absolut überheblich, so etwas zu sagen. Ich bin hergekommen, um mit dem Staatsballett Berlin vielleicht auch neue Wege zu gehen. Aber momentan wünsche ich, das Ensemble zu stärken und zu festigen. Und hoffe, dass ich hier die fünf Jahre, die bis jetzt verabredet sind, dabei sein darf."
Seine Vorgänger, Sascha Waltz und Johannes Öhmann, gaben bereits nach einem Jahr auf. Ihr radikaler Anspruch, die Compagnie für die Tanzmoderne zu öffnen, stieß bei Tänzern und Publikum auf wenig Gegenliebe. Bleibt mit Christian Spuck nun alles beim Alten?
Christian Spuck, Intendant Staatsballett
"Ich glaube, dass das klassische Ballett lebt, allein der Künstler und Künstlerinnen wegen, die diese Arbeit sehr lieben. Und es gibt ein riesengroßes Publikum in Berlin für das klassische Ballett. Die Frage ist, wie man dem klassischen Kanon begegnet. Und ich finde, man sollte das unbedingt aus unserer Sicht machen aus der Sicht des 21. Jahrhunderts."
Weronika Frodyma als Emma Bovary. Sie entflieht ihrer faden Ehe in ein ausschweifendes Doppelleben. In Flauberts Romanfigur des 19. Jahrhunderts entdeckt Christian Spuck auch ein Phänomen unserer Zeit: Schein statt Sein.
Christian Spuck, Intendant Staatsballett
"Der Wunsch sich selbst so zu inszenieren, wie man sich wünscht, dass andere einen wahrnehmen, ist nicht nur Thema von Emma Bovary, dem Buch, das 1857 herausgekommen ist, sondern es ist, glaube ich, ein ganz großes Thema in unserer Gesellschaft. Dass sich so zeigen, wie man wirklich ist - Erkenne dich selbst -, ist leider fast verloren gegangen. Jeder baut Illusionen über sich auf, wie er gerne wahrgenommen werden möchte. Und die sozialen Medien unterstützen das, die vereinfachen das nämlich sehr. Und diese Diskrepanz zwischen dem, was ich leben möchte, was ich sein möchte und wer ich wirklich bin - das sind Abgründe, die da aufgehen können."
Der Rausch der Bovary endet in Einsamkeit. Sie wird in ihrer Wunschwelt untergehen. Doch bis die Dunkelheit sie verschluckt, tanzt das Leben in seinem Begehren, seiner Vielfalt und Falschheit, kostümreich und farbenprächtig.
Aber das Berliner Publikum ist unberechenbar. Es kann gnadenlos ablehnend sein, allerdings auch dankbar. Fühlt sich Christian Spuck mit seinem Einstand verdammt zum Erfolg?
Christian Spuck, Intendant Staatsballett
"Erfolg ist Schall und Rauch, Erfolg ist nichts, was hält. Erfolg, kann Einem einen kurzen Moment versüßen. Aber auf Erfolg kann man nicht bauen. Ich mag Herausforderungen, die habe ich hier gefunden. Und die beschäftigen mich auch gerade sehr. Und mir macht das Spaß, mich dem zu stellen."
Klassisches Ballett als zeitgenössische Kunst - das ist die Herausforderung und die Chance des Berliner Staatsballetts. Christian Spuck hat ein Programm auf den Spielplan gesetzt, das neugierig macht. Mit vier Premieren. Er selbst gibt den Auftakt. Möge er gelingen.
Autor: Lutz Pehnert