
-
Der Spagat zwischen Kind und Selbstverwirklichung ist ein Thema, das viele Frauen umtreibt. Die Autorin Sara Gmuer erzählt davon: ungeschönt, aber humorvoll. Ihr neuer Roman "Achtzehnter Stock" nimmt uns mit in eine Berliner Platte. Sie lässt uns die Flure riechen, über die Nachbarinnen schmunzeln und die Sorgen spüren. Und dann kommt ein Anruf, der alles verändert.
Ein Leben im Hochhaus- das ist der Stein gewordene Alptraum für Wanda. Hauptfigur in Sara Gmuers Roman Achtzehnter Stock.
Wanda ist alleinerziehend und lebt mit ihrer 5 jährigen Tochter Karlie in so einem 18. Stock eines Berliner Plattenbaus. Ständig ist der Lift kaputt, das Treppenhaus ist ein einziges Beton- Funkloch, in dem man das ganze Leben verpasst. Die Autorin Sara Gmuer hat selbst nie in dieser Welt gelebt, die sie einfühlsam beschreibt.
Sara Gmuer, Autorin
"Rein gefühlt, das war ganz einfach, weil ich da jeden Tag vorbei laufe, die Häuser sehe, die Leute sehe und ich habe auch nie gedacht okay, das seid ihr in der Platte und das bin ich, sondern: Ich könnte auch in der Platte leben. Ich lebe zufällig nicht in der Platte. Aber es kann sich ändern."
Ihre 2 Zimmerwohnung im 18. Stock hat Wanda von ihrem Onkel gemietet. "Ein Kronjuwel", wie er sagt. In einem Haus, an dem man trotz seiner Höhe vorbeischaut.
So, wie an den Menschen, die darin Leben: Esther, die sich totschuftet,
Ming - Alleinerziehend mit Mann. Und: Die Nachbarin von gegenüber, die im Buch nur "Aylins Mutter" genannt wird.
Sara Gmuer, Autorin
"Carlie und Eileen spielen mit Barbies und einem echten Prinzessinnenschloss. Ayleens Mama steht verschwitzt in der Küche. Ich habe noch nie vom Kochen geschwitzt. Sie formt Bällchen aus Hackfleisch, Ei und Semmelbrösel und streicht sich mit dem Handrücken die Haare aus dem Gesicht. "Rindfleisch", sagt sie. "Kein Schwein". Bei ihr muss immer alles halal sein. Ganz wichtig. Außer bei Donuts."
Wanda will keine Vollzeitmutter aus der Platte sein. Sie ist Schauspielerin, träumt von einem ganz anderen Leben, mit Kohle und unbegrenzten Möglichkeiten. Als Sie dem Filmproduzenten Willhaus begegnet, geht eine Tür auf.
"Die Männer am Nebentisch schwärmen von dem mit feinen Fettäderchen marmorierten Kobesteaks, angeblich die besten der Welt und die Frauen tupfen sich mit den weißen Stoffservietten die Mundwinkel, essen Carpaccio und spülen mit Weißwein nach. Die Kellner kommen mit dem Nachschenken nicht hinterher. Willhaus gießt selbst nach, die Gläser randvoll und gurrt bei jedem Schluck wie eine Taube. Das ist Hollywood."
Der Spagat zwischen zwei Welten könnte schnell in ein triviales Kitschmärchen umkippen, doch Sara Gmuer gelingt es, der Zerrissenheit und den Ängsten ihrer Haupfigur Tiefe und Glaubwürdigkeit zu verleihen. Immer wieder durchkreuzt ihre Geschichte die Sorge um ihre Tochter und das schlechte Gewissen, als Mutter zu versagen.
Sara Gmuer, Autorin
"Das Buch ist überhaupt nicht autofiktional, aber es ist inspiriert von meiner Erfahrung. Nämlich mit meiner Tochter. Die hatte eine Hirnhautentzündung. Und das Erlebnis wollte ich auch literarisch verarbeiten. Es gibt nichts, was einem hilft. Und diese Angst ist bis heute immer noch ein bisschen da, weil ich gemerkt habe, ein Schnupfen kann ein Kind töten Und es gibt ja Leute, die sagen, wenn man was Krasses erlebt, wird man davon stärker. Ich glaube nicht daran. Ich bin seitdem nicht stärker."
Sara Gmuer selbst ist als Kind in einem Hotel aufgewachsen-mit Blick von den schweizer Bergen, nicht aus dem Berliner Hochhaus. Sie hat als Model und Schauspielerin gearbeitet. Geschrieben hat sie schon als Teenie.
Sara Gmuer, Autorin
"Ich habe als Teenager angefangen zu rappen, aber eigentlich ging es mir gar nicht so um die Musik. Ich bin nicht besonders musikalisch. Also Taktgefühl, ja, aber ich kann nicht singen. Aber ich habe es geliebt, Texte zu schreiben. Und ich wollte immer mit möglichst wenigen Worten möglichst viel aussagen. Beim Schreiben ist der Rhythmus extrem wichtig für mich und es ist auch immer Style. es gibt coole Worte. Es gibt Worte, die haben irgendwie eine Power, die sind schön, die haben einfach Kraft. Und die habe ich beim Rappen versucht zu benutzen und jetzt auch beim Romanschreiben."
Es ist ihre Sprache, die das Buch lesenswert macht. Die Worte und Bilder, die sie findet, um die sichtbar zu machen, die – wie sie sagt- keiner sehen will. Ein Buch, das sich liest, wie ein Spielfilm.
Sara Gmuer, Autorin
"Also mir geht es darum, den Leuten zu sagen "Glaubt an eure Träume" und versucht es zu verwirklichen. Ihr habt nur ein Leben und macht das Beste draus."
Autorin: Charlotte Pollex