100 Jahre Radio

• 1923

  SWR Presse/Bildkommunikation

  Im Dezember 1920 strahlt die Funkstation Königs Wusterhausen zum ersten Mal eine Testsendung aus: ein Weihnachtskonzert. Am 29. Oktober 1923 beginnt der offizielle Rundfunk-Sendebetrieb in Deutschland. Über einen Sender des Rechtspostministeriums wird die "Suite für Violoncello" von Fritz Kreisler ausgestrahlt. Organisator ist die "Deutsche Stunde", die 1924 in "Funk-Stunde AG" umbenannt wird.

• 1924

  Im Dezember findet die erste Große Deutsche Funkausstellung statt. Fast 270 Aussteller präsentieren auf dem Messegelände in Berlin ihre Produkte. Etwa 115.000 Menschen besuchen die Schau. 1926 wird zur Eröffnung der dritten Funkausstellung, nach zweijähriger Bauzeit, der knapp 150 Meter große Funkturm in Berlin eingeweiht.

• 1929

  rbb/Hanna Lippmann

  Der Grundstein für das "Haus des Rundfunks" (s. Foto: Lichthof) in Berlin wird am 29. Mai 1929 gelegt. Architekt Hans Poelzig hat das Gebäude eigens für den Rundfunk konzipiert. Die Zahl der Rundfunk-Teilnehmer in Deutschland liegt Ende 1929 bei mehr als drei Millionen.

• 1930er

  akg-images

  Ende 1932 verstaatlicht die Regierung Papen den Rundfunk. Das Ziel ist, den Einfluss der Reichsregierung auf das Medium zu erhöhen. Mit der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 geht auch die Macht im Rundfunk an die Nationalsozialisten. Propagandaminister Goebbels überwacht den Rundfunk und beginnt im März 1933 mit "Säuberungen". Die Rundfunkspitze wird ausgetauscht, zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden entlassen.
  
  Am 1. September 1939 beginnt Deutschland den Zweiten Weltkrieg. Das Radio ist Propaganda-Medium. Der Empfang von Auslandssendern wird verboten und mit Todesstrafe bedroht.
  

• 1940er

  dpa/Gert Schuetz

  Aus dem Exil wendet sich Literatur-Nobelpreisträger Thomas Mann im September 1942 per Rundfunkansprache in der BBC an die deutsche Bevölkerung, klagt die Massenvernichtung der Juden an und ruft die Deutschen zum Boykott auf. Propagandaminister Goebbels verkündet im Februar 1943 im Berliner Sportpalast den "Totalen Krieg". Am 30. Januar 1945 hält Hitler in Berlin seine letzte Rundfunkrede an das deutsche Volk. Er verspricht den "Endsieg" durch den Einsatz von "Wunderwaffen". Am 1. Mai 1945 wird um 22.30 Uhr die erste Rundfunkmeldung zu Hitlers Tod am Tag zuvor ausgestrahlt.
  
  Die Sowjets übernehmen am 2. Mai 1945 das Haus des Rundfunks (s. Foto). Sie machen es zum Sitz des Berliner Rundfunks. Am 18. Mai findet im Großen Sendesaal das erste öffentliche Rundfunkkonzert der Nachkriegszeit statt. In den vier Besatzungszonen in Deutschland nehmen nach und nach diverse Sender den Betrieb auf, darunter der RIAS, der sich in Berlin während der Blockade 1948/49 zum wichtigsten Medium entwickelt.
  
  1948/49 werden gesetzliche Grundlagen für den Übergang von Besatzungssendern zu öffentlich-rechtlichen Anstalten geschaffen. Im Mai 1949 tritt das Grundgesetz in Kraft, aus den drei Westzonen wird die Bundesrepublik. Im September entfällt durch Beschluss der Alliierten die Kontrolle der Presse in der Bundesrepublik. Die DDR wird im Oktober 1949 gegründet.
  
  

• 1950er

  Im Juni 1950 gründen NWDR, BR, HR, RB, SDR und SWF die "Arbeitsgemeinsachaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland" (ARD). Die DDR strahlt ab September 1952 im neu gebauten Funkhaus Nalepastraße (s. Foto) drei Hörfunk-Programme aus: Berlin I, II und III. Im November 1953 wird der Sender Freies Berlin (SFB) gegründet und nimmt im Juni 1954 den Sendebetrieb auf.
  

• 1960er

  Im August 1961 berichten Hörfunk und Fernsehen in West- und Ostdeutschland über den Bau der Berliner Mauer. Allein der SFB liefert vom 13. bis zum 19. August rund 70 Sondersendungen und Berichte. Der RIAS und der NDR starten im Januar 1963 die populäre abendliche Radio-Quiz-Show "Allein gegen alle", moderiert von Hans Rosenthal (s. Foto).
  
  Im März 1965 lädt Hans Rosenthal erstmals beim RIAS zum "Klingenden Sonntagsrätsel" ein. Bis heute gibt es ein "Sonntagsrätsel" auf Deutschlandfunk Kultur. Im Mai 1966 startet der Hessische Rundfunk das "Funkkolleg" als Bildungsangebot im Hörfunk.
  
  Der Fernsehturm am Alexanderplatz wird im Oktober 1969 in Betrieb genommen, über ihn werden der Deutsche Fernsehfunk und die Radiosender der DDR abgestrahlt.
  

• 1970er

  Gut 70 Prozent der bundesdeutschen Haushalte haben ein Fernsehgerät und 87 Prozent ein Radio. In der DDR senden ab November 1971 der Deutschlandsender und die Berliner Welle zusammen als "Stimme der DDR".
  
  Der Sender Freies Berlin sendet im Mai 1973 das Feature "Glocken in Europa" von Peter Leonhard Braun (s. Foto), das als Meilenstein der Radiogeschichte gilt. Im WDR-Hörfunk startet Ende 1974 die Sendung "Hallo Ü-Wagen", die 36 Jahre lang im Programm bleibt. Die ARD eröffnet im April 1975 das Studio Ost-Berlin.

• 1980er

  Als erste ARD-Anstalt verbreitet der Bayrische Rundfunk ab Oktober 1980 ein Hörfunkprogramm mit ausschließlich klassischer Musik - "Bayern 4 Klassik".
  
  1981 urteilt das Bundesverfassungsgericht, dass der Gesetzgeber den Zugang zum Anbieten privater Rundfunkprogramme regeln muss. Mit dem Start des Kabelpilotprojekts Ludwigshafen werden dort ab 1984 erstmals auch private Rundfunkprogramme ausgestrahlt. Dies gilt als Start des privaten Rundfunks in Deutschland.
  
  In Ost-Berlin wird "DT64" (s. Foto) 22 Jahre nach seiner Gründung ein eigenständiger Jugendsender des Rundfunks der DDR. Im Sender Freies Berlin startet am 1. Oktober 1987 die Kinder-Sendung "Ohrenbär", die es nach wie vor gibt.
  
  1987 tritt nach mehrjährigen Verhandlungen der Bundesländer der Staatsvertrag in Kraft, der das duale Rundfunksystem von privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern regelt.
  
  Im November 1989 sorgt die Öffnung der DDR-Grenze für zahlreiche Sondersendungen in Hörfunk und Fernsehen.
  

• 1990er

  Im Februar 1990 beschließt die DDR-Volkskammer die Einführung von Meinungs- und Medienfreiheit. Als erster Landessender des DDR-Hörfunks nimmt im Mai 1990 Antenne Brandenburg den Sendebetrieb auf. Kulturschaffende und Bürger:innen in Berlin demonstrieren im Juni für den Erhalt von Hörfunk und Fernsehen der DDR. Die Volkskammer beschließt im September das Gesetz zur Überleitung des Rundfunks in die Gesetzgebungszuständigkeit der neuen Bundesländer. Nach Artikel 36 des Einigungsvertrages werden Hörfunk und Fernsehen in den neuen Bundesländern zum 31. Dezember 1991 aufgelöst und dann nach föderalem Prinzip umstrukturiert und neu errichtet. Rudolf Mühlfenzl soll als Rundfunkbeauftragter der neuen Länder den bisherigen DDR-Rundfunk auflösen.
  
  Am 1. Januar 1992 starten der MDR in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und der ORB in Brandenburg mit neuen, eigenen Fernseh- und Hörfunkprogrammen. Mecklenburg-Vorpommern wird vierter Partner im NDR-Verbund. Zum 1. Januar 1994 startet das Deutschlandradio – hervorgegangen aus RIAS Berlin, Deutschlandfunk und DS Kultur.
  

• 2000er

  dpa/Andreas Altwein

  Zum 1. Januar 2003 fusionieren SFB und ORB zum Rundfunk Berlin-Brandenburg (s. Foto). Erste Intendantin des rbb und überhaupt einer ARD-Anstalt wird Dagmar Reim.
  
  Im Mai 2008 geht die ARD Mediathek an den Start, ein neues Online-Portal mit Audio- und Videoangeboten aller Landesrundfunkanstalten.
  
  2011 startet als Weiterentwicklung des digitalen Standards DAB ein deutschlandweites, DAB+-Netz.
  
  Ab Oktober 2016 gibt es "Funk", ein neues Online-Angebot von ARD und ZDF, das sich vornehmlich an ein 14-29-jähriges Publikum richtet und auf Online-Plattformen wie YouTube, Facebook oder Instagram verbreitet wird.
  
  Ab 2017 bietet die ARD ihre Audio-Inhalte auch über die ARD Audiothek an, per App und Webseite.
  
  Eine Novelle des Medienstaatsvertrags der Länder bezieht 2020 auch Online-Streamingdienste und Social-Media-Plattformen mit ein.
  

  Quelle: "100 Jahre Radio in Deutschland", Bundeszentrale für politische Bildung, Diemuth Roether/Hans Sarkowicz/Clemens Zimmermann (Hrsg.), 2022