Vergessene Autorinnen wiederentdecken - Die Überlesenen: Elsa Triolet
In unserer Reihe "Die Überlesenen" stellt Manuela Reichart vergessene oder unbekannte Autorinnen vor. Heute geht es um die russisch-französische Schriftstellerin Elsa Triolet, die vor allem als Frau von Louis Aragon berühmt ist. Aber sie war weit mehr als die langjährige Gefährtin des französischen Dichters - nämlich eine eigenständige Schriftstellerin.
Ihre erste literarische Veröffentlichung verdankt sie einem Mann, der heftig in sie verliebt ist: Viktor Schklowski. In seinem Roman "Zoo. Briefe nicht über Liebe", den er 1923 in Berlin schreibt, druckt er Briefe von Elsa Triolet ab, der er sein Buch auch widmet.
Vielumschwärmt
Er vergeht vor Leidenschaft, sie sieht in dem kleinen glatzköpfigen Mann, der wie sie im Exil ist in Berlin, nur einen guten Freund. An ihre Schwester schreibt die Vielumschwärmte im Februar 1923:
"Der erste schickt immer nur Blumen, wird aber immer trauriger. Der zweite, dem Du mich unvorsichtigerweise anvertraut hast, besteht weiterhin darauf, dass er mich liebt. Als Gegenleistung verlangt er, dass ich mich mit all meinen Sorgen an ihn wende."
Zwischen 1925 und 1928 pendelt sie zwischen Moskau und Paris – und Maxim Gorki wird sie ermutigen zu schreiben. 1925 erscheint ihr erstes Buch, 1928 erscheinen zwei weitere Bücher.
Elsa Triolet – der Name stammte von ihrem ersten Ehemann, den die 23-Jährige 1919 geheiratet und den sie ein Jahr später wieder verlassen hatte. Geboren wurde sie 1896 in Moskau als zweite Tochter eines jüdischen Rechtsanwalts und einer Klavierlehrerin.
"Es war ein bürgerlich-intellektuelles Milieu. Da das Milieu meiner Eltern nicht meins war, habe ich mir ein eigenes Milieu geschaffen. Es bestand hauptsächlich aus Poeten."
(Elsa Triolet, DLF Kalenderblatt, 24.09.1896)
Triolet und Aragon eint nicht nur ihre Liebe, sondern auch ihre politische Überzeugung
Mit 15 verliebt sie sich in Wladimir Majakowski, der sich seinerseits in ihre ältere Schwester Lilja Brink verliebt, die später einmal als "Muse der russischen Avantgarde" bezeichnet werden wird.
Die beiden Schwestern sind begabt und schön, umtriebig in der Kunstszene. Die ältere wird auch nach der Revolution in der Sowjetunion bleiben, die andere, Elsa, wird das Land verlassen, in London, Berlin und vor allem in Paris leben, wo sie 1928 im Montparnasse-Café "La Coupole" dem Dichter Louis Aragon begegnet, mit dem sie bis zu ihrem Tod 1970 in einer großen ausschließlichen Liebe und Arbeitsgemeinschaft leben wird.
Die beiden eint nicht nur ihre Liebe, sondern auch ihre politische Überzeugung, sie sind Kommunisten, kämpfen in der Résistance gegen die Nazis. Elsa Triolet wird die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse beobachten – und sie wird in engem Kontakt mit der sowjetischen Geheimpolizei versuchen, russische Emigranten zur Rückkehr zu bewegen, was ihr zum Beispiel im Fall des in Paris in ärmlichen Verhältnissen lebenden Nobelpreisträgers Iwan Bunin zum Glück nicht gelingt.
Triolet und Aragon distanzieren sich erst nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Prag 1968 vom Moskauer Regime. Und nach ihrer letzten Moskau Reise Mitte der 60er Jahre, auf der Elsa Triolet persönliche Erfahrungen macht mit der Verfälschung historischer Wahrheit durch das kommunistische Regime. Sie schreibt den faszinierenden Roman "Le grand jamais" - "Das große Nimmermehr", in dem es um die Zeit geht und die Frage eines Toten, wer er war und was er gedacht hatte:
"Ich weiß, was es mit diesem Mann auf sich hat, ich habe ihn erfunden, ihn und seinen Lebenslauf; dabei kommt es mir darauf an, Auskünfte über ihn zu geben, die nicht aus erster Hand stammen, sondern aus zweiter. Ein Geplänkel mit falschen Vorstellungen, mit der Art, einen Mann um sich selbst zu betrügen und seinen Tod auszunutzen um einen anderen aus ihm zu machen."
Erste Gewinnerin des Prix Goncourt
1945 hat Elsa Triolet als erste Frau den wichtigen Prix Goncourt erhalten. Seit Ende der 1930er Jahre schrieb sie auf Französisch. Sie hat siebzehn Romane, viele Erzählungen, Essays und Zeitungsartikel veröffentlicht. Immer wieder geht es um die Liebe, um den Verlust von Jugend und Schönheit. Sie ist eine realistische Erzählerin, die ihre Figuren lebendig werden lässt, die sich ihrer literarischen Mittel sehr bewusst war. Eine Zeit lang hat sie Halsketten entworfen und verkauft, um Aragon und sich durchzubringen. Und es gibt eine gemeinsame Gesamtausgabe des Paares Aragon-Triolet, zu der die beiden Vorworte geschrieben haben, in denen sie dem jeweils anderen die Zeit des Entstehens in Erinnerung rufen.
Manuela Reichart, rbbKultur