Interview | Minimalinvasive OP bei Grünem Star - Mit Mini-Stents gegen Glaukom
Glaukom ist die zweithäufigste Ursache für Erblindung. Bei der chronisch fortschreitenden Erkrankung wird der Sehnerv durch einen erhöhten Augeninnendruck geschädigt. Eine minimalinvasive OP-Methode verspricht unkomplizierte Hilfe: Durch Mini-Stents soll das Kammerwasser abfließen. Haarfeine Implantate, die Patienten Verbesserung versprechen.
Frau Dr. Liekfeld, ein Implantat im Auge – stört das nicht?
Dieses Implantat spürt der Patient nicht. Es ist winzig klein und liegt komplett außerhalb der Sehachse, sodass es auch nicht beim Sehen stören könnte. Das Implantat besteht aus nicht-magnetischem Titan. Es stört daher auch nicht bei der Durchführung eines Standard-MRTs.
Wie funktioniert diese Mini-Schleuse?
Es gibt inzwischen die 2. Generation dieser Implantate, die die kleinsten zu implantierenden Medizinprodukte mit den Maßen 0,36 mm x 0,23 mm darstellten. Der Kopf des Implantats hat vier Öffnungen, durch die das Kammerwasser abfließen kann, sobald man mit dem Implantat-Röhrchen eine Verbindung zwischen dem Hauptabfluss-Kanälchen (sogenannter Schlemm-Kanal) und der Vorderkammer des Auges hergestellt hat. Dadurch wird für das Kammerwasser der Abflusswiderstand durch enges Maschenwerk überbrückt und es kann leichter abfließen, wodurch sich wiederum der Augeninnendruck senken lässt.
Wie schaffen Sie es, diese winzigen Implantate an den richtigen Punkt zu setzen?
Die Implantation erfolgt unter dem Operations-Mikroskop, also unter guter Sicht und starker Vergrößerung. Das Implantat wird vorgeladen mit einer Implantations-Hilfe geliefert. Mit einer Art Spritze, in der sich das Implantat befindet und das dann per Knopfdruck an die richtige Stelle befördert werden kann.
Für wen eignen sich die Stents?
Die anatomischen Gegebenheiten des Kammerwinkels müssen passen. Das kann man durch eine Untersuchung vorher erkennen. In erster Linie sind Patienten mit einem milden bis moderatem Glaukom (grünen Star) geeignet, weil die Drucksenkung mäßig ist. Vor allem, wenn Augentropfen nicht mehr vertragen werden oder nicht mehr ausreichend wirken, kann das Implantat ein geeigneter Schritt sein. Gut lässt sich dieser Eingriff auch mit der Operation des grauen Stars kombinieren.
Kann man auf die herkömmlichen OP-Methoden jetzt vollständig verzichten?
Keinesfalls,nein! Die herkömmlichen Operationsmethoden sind vor allem dann nötig und sinnvoll, wenn die Drucksenkung, die erreicht werden soll, besonders groß ist. Die Stents sind eine weitere Ergänzung im Fächer der verschiedenen Behandlung-Optionen des grünen Stars.
Zahlt meine Krankenkasse den ambulanten Eingriff? Was für eine Alternative gibt es?
Die gesetzliche Krankenkasse zahlt den Eingriff ambulant in der Regel nicht. Es kann allerdings eine Kostenerstattung beantragt werden. Wenn es eine entsprechende Indikation gibt (z.B. Schweregrad der Erkrankung), kann der Eingriff auch unter stationären Bedingungen erfolgen.
Sind Mini-Stents fester Bestandteil in der Zukunft der Glaukom-Chirurgie?
Es wird in Zukunft nicht mehr ohne minimal-invasive Glaukom-Chirurgie gehen. Es handelt sich bei den Stents um eine Methode mit geringer Komplikationsrate, einer schnellen Rehabilitation, also auch Arbeitsfähigkeit für den Patienten und mit kaum vorhandener Sehbeeinträchtigung nach dem Eingriff. Die chirurgische Glaukom-Therapie wird zunehmend zu einer Stufentherapie, bei der die geeignete Methode individuell für die Bedürfnisse eines Patienten ausgesucht werden kann. Unter Umständen kann auch nach einer Stent-Implantation im Verlauf der chronischen Glaukom-Erkrankung eine konventionelle filtrierende Operation nötig werden - zumindest ist sie nach einem Stent auch noch möglich, sodass dem Patienten keine Option "verbaut" ist.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Liekfeld.
Das Interview führte Pia Kollonitsch