Leistungssport trotz Zucker, Bildmontage (Quelle: dpa/imago: ZUMA Press und imago: Science Photo Library)
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Interview: "Für Diabetiker ist Sport das A und O" - Leistungssport trotz Zucker

Bei Berufsboxer Enrico Kölling wurde im Mai 2015 Diabetes diagnostiziert. Erst dachte er ans Karriereende, doch dann fand er einen Weg, weiter Leistungssport zu treiben. Im Interview spricht er über seine Erkrankung, die Therapie und wie er trotz Diabetes erfolgreich im Ring steht.

Wie hat sich die Krankheit bei Ihnen bemerkbar gemacht?

Nach einem Kampf habe ich mich kaum erholt. Ich dachte, dass ich mir einen Virus eingefangen hätte. Ich habe gemerkt, dass der Körper irgendwas abstoßen will, weil ich immer auf Toilette musste. Ich wurde immer schwächer, habe schlecht gesehen, konnte mich nicht konzentrieren, die ganze Körperspannung war raus. Ich habe mich elendig gefühlt und hatte keine Erklärung dafür. 

Sie haben sich dann im Unfallkrankenhaus Berlin untersuchen lassen. Wie schnell wurde bei Ihnen Diabetes Typ-1 diagnostiziert?

Erst musste ich drei Stunden warten, dann haben sie mir Blut abgenommen. Die kamen schnell wieder und haben mich gefragt: "Haben Sie Diabetes in der Familie?" Ich habe geantwortet, dass ich keine Verwandten mit der Krankheit habe. Ich hatte im Vorfeld schon meine Symptome gegoogelt, da war Diabetes ein Ergebnis. Ich kannte aber bisher nur die Altersdiabetes und konnte mir nicht erklären, warum ich Diabetes haben sollte. Bis ich dann eines besseren belehrt wurde. 

Wie ging es dann weiter?

Ich lag wegen des hohen Blutzuckerspiegels drei Tage auf der Intensivstation. Mir ging es dann wirklich dreckig. Ich wusste nicht, in welche Richtung das alles geht. Eine Krankenschwester hat mir dann mitten in der Nacht Blut abgenommen. Ich konnte nicht schlafen und sie hat den Blutzucker überprüft und wir kamen ins quatschen. Sie meinte dann nur: "Mit Leistungssport ist es dann wohl vorbei! Such dir was anderes. Irgendwas wo du dich nicht bewegen musst. Ein Bürojob ist das richtige." Sie kenne keinen, der mit Diabetes viel Sport treibt.

Im Krankenhaus haben Sie auf den Rat aber nicht gehört und haben nach einer Lösung gesucht. Sie haben die 'Diabetes und Sportfibel' von Ulrike Thurm und Bernhard Gehr gefunden und dort viele Tipps für den Leistungssport gefunden. Wie ging es nach den drei Wochen im Krankenhaus weiter?

Mit dem Training ging es eigentlich ganz normal weiter. Ich konnte alles mitmachen und habe mir etwas weniger Insulin gespritzt, sodass ich keine große Unterzuckerung bekam. Ich hatte immer Zucker am Mann, ob ich jetzt eine Stunde joggen gegangen bin oder im Ring beim Sparring war. Ich hatte eigentlich auf Mitleid seitens des Trainers gehofft, aber das hat er nicht gezeigt. Und das war vielleicht auch ganz gut so.

Sie haben mittlerweile drei Kämpfe seit der Diabetesdiagnose absolviert. Hat sich der Sportler Enrico Kölling verändert?

Ich habe herausgefunden, dass ich rund um die Uhr auf meine Ernährung achte. Was ich esse, was ich trinke. Gerade Zuckerwasser, Cola und Fanta, ist jetzt tabu. Ich habe Spaß daran. Eigentlich hat es einen positiven Effekt, dass ich mich fitter fühle, dass ich plane, was ich esse. Damals habe ich wild durcheinander gegessen und mir auch mal eine Kalorienbombe reingehauen. Und das mache ich jetzt nicht mehr.

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Sie würden sagen, dass Sie sogar von der Diabetes profitieren?

Ich profitiere besonders davon, dass ich meinen Blutzuckerspiegel, das Trainingspensum und die gespritzte Insulinmenge dokumentiere. Es ist wie Tagebuchführen. Natürlich hat das auch viele Vorteile für mich. Ein Beispiel: Ich habe jetzt in zwei Monaten einen Kampf und fühl mich richtig gut und dann denke ich, genauso will ich mich auf den nächsten Kampf auch vorbereiten. Da kann ich dann einfach zurück gucken und das nochmal machen. Was ich gegessen habe und wie ich trainiert habe. 

Wie sieht die Behandlung aus?

In der harten Trainingsvorbereitung spritze ich manchmal nur zweimal am Tag, weil ich einfach wenig Kohlenhydrate zu mir nehme und mich den ganzen Tag bewege und wirklich platt bin. Wenn ich Urlaub habe oder etwas lockerer trainiere, dann muss ich zu jeder Mahlzeit spritzen. Also spritze ich zwischen sechs und sieben Mal am Tag.

Der Leistungssport hilft Ihnen also auch mit der Krankheit besser klar zu kommen?

Sport ist immer gesund, ob man jetzt Diabetes hat oder nicht. Wenn man sich bewegt, hat das nur Vorteile, aber gerade für Diabetiker ist Sport das A und O. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich irgendwann mal aufhöre mit dem Sport. Ich habe damit einfach ein viel ruhigeres Leben, weil ich mir keine Gedanken machen muss um meinen Insulinspiegel. Durch den Sport spritze ich mir so wenig Insulin und kann gar nicht groß unterzuckern.
 
Vielen Dank für das Gespräch, Enrico Kölling!
Das Interview führte Christoph Heymann.