Diabetes und Heilfasten -
Kaum naht der Frühling, beginnen viele Menschen wieder, sich zu reinigen, den Körper zu "entschlacken", ihn von angesammelten Schlackenstoffen zu befreien. Geprägt wurde der Begriff der Entschlackung 1920 durch den Arzt Otto Buchinger, der Begründer des medizinischen Heilfastens.
Er ging davon aus, dass sich auch im Körper Abfallprodukte ansammeln, die der Organismus allein nicht zu verarbeiten vermag. Die Wissenschaft bleibt dem Fasten gegenüber skeptisch. Und das, obwohl klar ist, dass einige Diäten oder Fastenkuren durchaus Laborwerte wie etwa Blutfettwerte, Entzündungsmarker oder Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbessern können.
Da Fasten sich also durchaus positiv auf den Stoffwechsel auswirken kann, bieten immer mehr Kliniken das Heilfasten auch für Diabetiker an. Mit 7,5 Millionen Betroffenen ist Diabetes eine Volkskrankheit. Um das Risiko für Folgeschäden wie Augen- und Nierenschäden, Gefühls- und Durchblutungsstörungen zu senken, ist es wichtig, den Blutzuckerspiegel möglichst schnell zu senken. Gelingt den Patienten das nicht durch Gewichtsabnahme und Sport, verschreibt der Arzt ihnen Tabletten und später auch Insulin.
Seit Jahren streiten Experten darüber, wann sie am besten mit dem Insulinspritzen beginnen sollen. Kritiker des Trends, frühzeitig Insulin zu verordnen, raten, den Schwerpunkt nicht auf die medikamentöse Behandlung zu legen. Es gibt mehrere Ansätze, die dafür sprechen, dass auch eine alleinige Ernährungsumstellung und mehr Bewegung gute Ergebnisse bringen. Wenn es medizinisch vertretbar ist, setzen einige Mediziner sogar alle Insulinpräparate und Blutzucker senkenden Medikamente ab. Die Patienten werden dazu stationär in der Klinik aufgenommen, und nehmen für etwa zweieinhalb Wochen nur Wasser, Säfte, Tee mit Honig und dünne Gemüsesuppen zu sich. Nach zwei bis drei Tagen mit einer Zufuhr von jeweils nur 200 bis 300 Kilokalorien schaltet der Körper auf die "Versorgung von innen" um. Wer die Heilfastenkur nach Buchinger länger als 14 Tage durchführt, nimmt etwa 350 Gramm bis 450 Gramm pro Tag ab und verbessert dadurch seine Blutfett-, Leber- und Zuckerwerte.
"Die purzelnden Kilos sind also nur positiver Nebeneffekt", sagt Volker Schmiedel, der in der Kassler Habichtswaldklinik Heilfasten anbietet. Viel wichtiger ist, dass der Patient schnell Erfolgserlebnisse hat, Selbstvertrauen findet und motiviert wird, etwas grundlegend an seiner Ernährung und seinen sonstigen Gewohnheiten zu ändern. "Wenn er merkt, dass es gar nicht so schwer ist, körperliche Bedürfnisse nach ständigem Essen zu überwinden, kann die Fastenzeit genutzt werden, um das Ruder umzuwerfen", so der Mediziner. "Ziel ist, die gesamte Lebenssituation und die Prognose deutlich zu verbessern, indem man die Medikamente reduziert oder wenn möglich sogar ganz weglässt."
Geeignet ist die Heilfasten-Therapie nur für Typ 2 Diabetiker. Denn bei ihnen entsteht der Diabetes meist aus einer Vorstufe, genannt Insulinresistenz. Sie entsteht durch zu fettes und kalorienreiches Essen, Übergewicht und Bewegungsmangel. Bei einem ständig erhöhten Zuckerangebot im Blut reagieren die Zellen weniger gut auf Insulin. Der Körper braucht deshalb mehr von dem Hormon, um die gleiche Menge an Zucker in die Zelle zu schleusen. Irgendwann reicht das ausgeschüttete Insulin nicht mehr aus, um des vielen Zuckers Herr zu werden. Genau hier setzen Behandlungskonzepte an, die mit einer Umstellung der Lebensgewohnheiten den Ursachen des Typ-2-Diabetes begegnen wollen.
"Nur wenn die Patienten abnehmen und so der Insulinresistenz entgegenwirken, durchbrechen sie den Teufelskreis", weiß Schmiedel. Allerdings ist gerade die Neuausrichtung ihrer Ernährungsgewohnheiten für viele Diabetiker eine schwer zu überwindende Hürde. Sie wissen genau, dass Quarkbrot und ein regelmäßiger Spaziergang ihrer Gesundheit zuträglicher sind als der fette Braten und das Nickerchen auf der Couch.
Ausgeschlossen ist die Rosskur übrigens für Typ-1-Diabetiker und chronisch Kranke, deren Bauchspeicheldrüse zu wenig Insulin produziert. Nie darf die Therapie außerdem ohne fachliche Begleitung stattfinden, nie sollten insulinpflichtige Diabetiker im Selbstversuch die Medikamente weglassen und zu fasten beginnen – oder gar fasten und weiterspritzen. Denn das kann tödliche Folgen haben.
Text: Beate Wagner