Interview | Verträglichkeit und Nebenwirkungen - Kontrastmittel – niedrig dosieren und streng abwägen
Kontrastmittel sollen helfen, Organe und Tumoren sowie deren Gefäße und ihre Funktionsfähigkeit besser darzustellen. Die meisten Kontrastmittel sind seit vielen Jahren im Einsatz und gelten als sicher. Trotzdem müssen Ärzte sie umsichtig einsetzen, um die Gesundheit der Patienten nicht zu gefährden.
Die rbb Praxis sprach mit Prof. Bernd Hamm, Direktor des Instituts für Radiologie der Charité Berlin. Im Interview erklärt er, bei welchen Patienten mit Kontrastmitteln aufgepasst werden muss – und wie und wann der korrekte Einsatz erfolgt.
rbb Praxis: Herr Prof. Hamm, man kennt Kontrastmittel für Ultraschall, für Röntgen oder CT und MRT? Wie unterscheiden sie sich?
Prof. Hamm: Im Ultraschall verwenden wir kleine Gasbläschen, die von einer Hülle umschlossen und nur ein Tausendstel Millimeter klein sind. Das Gas, Schwefeloxal übrigens, wird sehr rasch über die Lungen abgeatmet. Wir verwenden Kontrastmittel bei Ultraschalluntersuchungen beispielsweise, um nach einer Nierentransplantation rechtzeitig zu erkennen, ob der Patient die Niere wieder abstößt oder um die meist gut durchbluteten bösartigen Tumoren innerhalb der Vorsteherdrüse zu erkennen.
Und bei Computertomographie und Magnetresonanztomographie?
Beim Röntgen oder CT, die beide Röntgenstrahlung nutzen, verwenden wir Kontrastmittel auf Jodbasis. Sie haben sich über viele Jahre bewährt, und die Patienten vertragen sie in der Regel gut. Diese Kontrastmittel werden über die Nieren ausgeschieden. Deshalb empfehlen wir den Patienten vor und nach der Untersuchung viel zu trinken. Wenn die Patienten zu wenig getrunken haben und ausgetrocknet sind, können sie in seltenen Fällen die Niere dennoch angreifen. Für das MRT nutzen wir Kontrastmittel mit Gadolinium. Das Schwermetall ist magnetisch und in Komplexen gebunden. Auch Gadolinium-Kontrastmittel werden über die Nieren aus dem Körper entfernt.
...was in der Vergangenheit zu Problemen geführt hat.
Bei Patienten, deren Niere nur eingeschränkt arbeitet, passiert das nicht zügig genug, so dass sich Gadolinium unter anderem in der Haut ablagert. Dort, aber auch in der Muskulatur und den inneren Organen verursacht das Schwermetall schwere Entzündungsreaktionen. Wir sprechen von einer nephrogenen systemischen Fibrose oder NSF. Das Phänomen ist über zehn Jahre bekannt; weltweit gibt es aktuell knapp 400 bekannte Fälle. Diese Nebenwirkungen treten in der Regel nur bei jenen Kontrastmitteln auf, bei denen Gadolinium in sogenannten linearen Komplexen gebunden ist. Daraus löst es sich offenbar leichter als aus zirkulären Komplexen.
Wie lassen sich diese Zwischenfälle verhindern?
Wir bestimmen bei nierenkranken Patienten zunächst die Filterleistung der Nieren. Liegt sie unterhalb von 30 Millilitern pro Minute, setzen wir Gadolinium nur eingeschränkt ein. Ist die Filterrate auf 15 ml/min und darunter gesunken, sollten diese Kontrastmittel gar nicht verwendet werden.
Warum verbietet man Gadolinium in linearen Komplexen nicht ganz?
Die Nebenwirkungen betreffen lediglich eine sehr kleine Patientengruppe, ansonsten sind die Kontrastmittel gut verträglich. Zudem sind Kontrastmittel mit Gadolinium in den hochstabilen zirkulären Komplexen sehr viel teurer. Wir empfehlen bei nierenkranken Patienten grundsätzlich kein Gadolinium in linearen Komplexen zu verwenden – ein Vorgehen, das sich weltweit durchgesetzt hat. Seitdem man das macht und die Kontrastmittel bei Patienten mit schweren Nierenschäden nur noch in geringerer Dosis verwendet, tritt das Problem der NSF so gut wie gar nicht mehr auf.
In jüngster Zeit häufen sich allerdings Hinweise, dass sich auch bei Patienten mit normaler Nierenfunktion nach einer Kontrastmittel-MRT Gadolinium ablagert.
Das stimmt und betrifft die wenigen Patienten, die wiederholt und häufig hintereinander mit diesen Kontrastmitteln untersucht wurden. Wir wissen schon länger, dass ein minimaler Anteil von etwa einem Prozent des Gadoliniums im Körper zurückbleibt. Bislang scheint es, dass diese Ablagerungen keinen krankhaften Wert haben. Die strenge amerikanische Zulassungsbehörde FDA beispielsweise hat bislang deshalb nichts unternommen. Die europäische Behörde EMA plädierte dagegen im März, Kontrastmittel mit Gadolinium in linearen Verbindungen ganz vom Markt zu nehmen. Es wird weitere Untersuchungen geben, bis hier eine endgültige Entscheidung gefällt wird. Grundsätzlich sollten Kontrastmittel immer in möglichst niedriger Dosierung verwendet werden.
Ein Hinweis, den man beim Ultraschall-Kontrastmittel SonoVue zunächst nicht beachtet und damit schwere Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen und Herzstillstand ausgelöst hatte…
Diese Nebenwirkungen sind anfänglich aufgetreten, nachdem Ärzte aufgrund fehlender Erfahrung das Mittel in zu hohen Dosen verabreicht hatten. Bei Menschen mit einer Herzschwäche ist das ein Problem. Das Herz wird durch das vermehrte Volumen überlastet. Der Sauerstoffbedarf erhöht sich. Den kann das kranke Herz aber nicht decken und gerät aus dem Takt. Bei Menschen mit bekannten Schwachstellen der Herzdurchblutung oder einer Herzschwäche sollte SonoVue deshalb nicht oder nur nach strengem Abwägen der Vor- und Nachteile verwendet werden.
Welche Nebenwirkungen von Kontrastmitteln gibt es noch?
Bei den Gasbläschen reagieren Patienten in seltenen Fällen allergisch auf die Hülle. Nach Anwendung jodhaltiger Kontrastmittel können ebenfalls allergische Reaktionen wie Hautjucken oder Atembeschwerden auftreten. Seltener kommt es zum allergischen Schock, eine lebensgefährliche Notsituation bis hin zu Atem- und Kreislaufstillstand. Außerdem kann sich eine milde Schilddrüsenüberfunktion verstärken. Herzrasen, Zittern, vermehrtes Schwitzen Übelkeit und Erbrechen sind die Folgen. Beim Gadolinium kennen wir in sehr seltenen Fällen ebenfalls Überempfindlichkeitsreaktionen bis hin zum allergischen Schock.
Das klingt alles sehr komplex.
Kontrastmittel sind gut und extrem wichtig, aber man muss vorsichtig damit umgehen. Wir Radiologen müssen also immer genau überlegen, wann wir für eine Untersuchung wirklich Kontrastmittel brauchen und wann nicht. Geht es darum, lebenswichtige Fragestellungen zu klären, nimmt man mitunter auch Nebenwirkungen in Kauf. In dringenden Fällen würden wir beispielsweise auch bei einem nierenkranken Patienten eine MRT-Untersuchung mit Gadolinium und im Anschluss eine Dialyse durchführen, um damit das Kontrastmittel sicher aus dem Körper zu entfernen.
Gibt es bei Kontrastmitteln grundsätzlich irgendwelche Alters- und Gesundheitsbeschränkungen?
Nein, die gibt es nicht.
Man sagt ja, Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Wie sieht es eigentlich mit speziellen Kontrastmitteln für sie aus?
Wir haben keine. Und ich befürchte, das wird sich in den kommenden Jahren auch nicht ändern. Die Neuentwicklung eines Kontrastmittels ist zum einen sehr teuer. Ein zweites Problem sind die Studien, die durchgeführt werden müssten, damit das Kontrastmittel für Kinder zugelassen wird. Studien mit Kindern unterliegen extrem hohen Beschränkungen. Es ist deshalb immer schwierig, dafür die Zustimmung der Ethikkommission zu bekommen.
Die Kinder bekommen also Kontrastmittel, die für Erwachsene entwickelt wurden.
Richtig. Die notwendige Menge des Kontrastmittels wird auf der Basis ihres Körpergewichts berechnet.
Und wie sieht es mit speziellen Kontrastmitteln für Schwangere aus?
Auch hier gibt es keine Extra-Produkte. Bei der Kontrastmitteluntersuchung einer schwangeren Patientin geht es immer darum, das Wohl der Mutter gegen das Wohl des Kindes abzuwägen. Die Mutter steht, solange das Kind nicht geboren ist, an erster Stelle. Die meisten Kontrastmittel können, müssen aber nicht die Frucht schädigen.
Glukose als schonende Alternative zu Kontrastmitteln – Wissenschaftler des deutschen Krebsforschungszentrums haben erst kürzlich bewiesen, dass das geht.
Ein hochspannendes Thema. Allerdings befindet sich das Ganze noch im Forschungsstadium. Die Kollegen nutzten für ihre Untersuchungen beispielsweise ein Gerät mit sieben Tesla, um die Glukose zu erfassen. Normal sind 1,5 oder 3 Tesla. Wir sprechen also von der doppelten bis vierfachen Magnetkraft. Sie ist so hoch, dass einem davon schwindelig werden kann, wenn man zusammen mit dem Gerät im Raum ist.
Ließe sich das Verfahren eines Tages auch bei Nichtkrebs-Patienten einsetzen?
Bisher ist es nur gelungen, Tumoren im Gehirn darzustellen. Dort macht der Einsatz Sinn, denn das Gehirn besteht vor allem aus Glukose und Wasser. Ob und wann es eines Tages weitere Einsatzmöglichkeiten darüber hinaus geben wird, wissen wir nicht.
Welche schonenden Kontrastmittel dürfen wir denn ansonsten demnächst erwarten?
In den vergangenen Jahren wurde hier wenig geforscht, man hatte ja zahlreiche gute Produkte. Erst mit der ungewissen Ablagerung von Gadolinium in Knochen und Gehirn ist wieder Bewegung in die Forschung gekommen. Auch an der Charité beschäftigen wir uns mit einem neuen Kontrastmittel mit Eisen. Allerdings dauert eine solche Neuentwicklung etwa zehn Jahre und ist sehr teuer. Deshalb werden wir uns alle wohl noch etwas gedulden müssen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hamm.
Das Interview führte Constanze Löffler
Anmerkung der Redaktion: Rund drei Wochen nach Veröffentlichung des Interviews hat die Europäische Arzneimittel-Agentur veranlasst, die Verwendung von den hier genannten linearen Kontrastmitteln bei der MRT einzuschränken und teilweise zu verbieten.