Hand mit Narbe (Bild: Colourbox)
Bild: Colourbox

Wenn Narben wuchern - Dickes Ding

Verletzungen, Entzündungen und Unfälle hinterlassen Spuren auf der Haut. Mal sichtbar, mal nicht, oft unbeachtet und vergessen. Bei manchen Menschen bildet die heilende Haut jedoch dicke, rötliche Wülste. Warum das so ist und was man dagegen tun kann, darüber hat die rbb Praxis mit der Hautärztin Natalie Garcia Bartels aus Berlin gesprochen.

Frau Prof. Garcia Bartels, wie heilt eine Verletzung üblicherweise?

Narben sind eine wichtige biologische Reaktion, wenn die Haut tief verletzt ist. Sie entstehen in der letzten Phase der Wundheilung, in welcher der Organismus die geplagte Haut wieder aufbaut. Damit schließt er die Eintrittspforte, über die Keime oder Schmutz in den Organismus eindringen und Infektionen oder Entzündungen hervorrufen.

Wie genau läuft das ab?

Der Körper vollzieht die Wundheilung in drei Schritten: In der Reinigungsphase spült das Blut Keime und Schmutz weg. Es sammelt sich Wundsekret, Immunzellen entfernen Gewebetrümmer und bekämpfen Erreger durch eine Entzündung. Fibrin, ein spezielles Eiweiß, dichtet die Wundfläche ab und verklebt sie. In der Reparaturphase produziert der Körper neue Zellen, die den Gewebedefekt mit Hilfe von Gefäßen, Eiweißen und Bindegewebsfasern auffüllen. In der Wiederaufbauphase schließt sich der Defekt mit einer neuen Oberhautschicht und baut darunter das neu entstandene Gewebe mit Bindegewebezellen und Kollagen um.

Eine Narbe fühlt sich anders an.

Das Ersatzgewebe ist weniger elastisch als gesunde, unverletzte Haut. Es enthält weniger Farbpigmente und weder Haarfollikel noch Schweiß- oder Talgdrüsen.

Nicht aus jeder Wunde entsteht ein bleibendes Mal.

Entscheidend für das Ausbilden einer Hautnarbe ist die Tiefe der Verletzung. Sichtbare Narben entstehen, wenn nicht nur die obere Hautschicht, die Epidermis, sondern mindestens die darunter liegende Lederhaut, die Dermis, verletzt wird. Oberflächliche Schürfwunden verheilen dagegen innerhalb weniger Tage, ohne Spuren zu hinterlassen.

Einteilung der Narben

  • Normale Narbe

  • Überschießende (hypertrophe) Narbe

  • Wulstnarbe

Und warum bilden manche Menschen Wuchernarben oder Keloide?

Warum das so ist, wissen wir bis heute nicht so genau. Auf jeden Fall wird die Neigung, Keloide zu bilden, vererbt. Zudem kennen wir Risikofaktoren.

Welche sind das?

Eine überschießende oder hypertrophe Narbe ist wahrscheinlicher, wenn auf sie mechanische Kräfte einwirken, wie Zug oder Dehnung. Das ist vor allem dort der Fall, wo die Haut verstärkter Spannung ausgesetzt ist – beispielsweise die Regionen über den Gelenken oder dem Brustbein. Auch eine zu frühe mechanische Belastung einer Verletzung, beispielsweise durch Sport, kann dazu führen. Wundinfektionen wirken ebenso begünstigend wie Erkrankungen, die das Immunsystem unterdrücken und eine verzögerte Wundheilung bewirken. Häufig bilden sich hypertrophe Narben oder Keloide nach schweren Verbrühungen oder Verbrennungen. Für die Entwicklung von Keloiden scheint auch die Hautfarbe eine Rolle zu spielen: Sie kommen bei dunkelhäutigen Menschen wesentlich häufiger vor als bei hellhäutigen.

Was genau läuft da schief?

Die exakten Mechanismen sind bisher noch nicht vollends erforscht. Man nimmt an, dass überschießendes Narbengewebe durch ein gestörtes Zusammenspiel von Zellbotenstoffen während der Wundheilung entsteht. Zellen senden untereinander falsche Signale, so dass sie innerhalb einer verlängerten Entzündungsphase das frische Gewebe nicht richtig umbauen. Der Wundheilungsprozess ist gestört. Es entsteht mehr Bindegewebe als bei einer normalen, flachen Narbe.

Wie lange dauert es, bis eine Narbe ausgewachsen ist? Und kann sie auch noch nach Jahren weiterwachsen?

Das Narbengewebe baut sich oft über Jahre langsam um, nachdem die Wunde geschlossen ist. Zu Beginn kann eine normale Narbe noch etwas rötlich erscheinen und gelegentlich jucken, brennen oder schmerzhaft sein. Später sind solche Symptome sehr selten. Eine hypertrophe Narbe entsteht oft in den ersten sechs Wochen nach der Verletzung und verändert sich in einem ungefähr zwei Jahre dauernden Umbauprozess. Gelegentlich bildet sie sich spontan zurück. Keloide dagegen können über Jahre wachsen und sehr große Ausmaße erreichen.

Welche Therapien gibt es?

Die Behandlung kann zum Beispiel mit einer örtlichen Vereisung erfolgen. Die Kryotherapie ist allerdings schmerzhaft und führt oft zu Blasen an der betreffenden Stelle. Häufig unterspritzen Ärzte die Narbe mit Kortison und kombinieren die Therapie gelegentlich mit einer Laserbehandlung. Hypertrophe Narben sprechen oft schneller auf die Therapie an. Bei Keloiden müssen je nach Größe und Bestandsdauer mehrere Sitzungen erfolgen, ihre Rückbildung dauert vergleichsweise länger. Jeder Mensch reagiert dabei individuell auf die Therapie.

Die wichtigsten Behandlungen auf einen Blick

  • Silikon

  • Lokaler Druck

  • Kältebehandlung

  • Kortisonspritzen

  • Abtragender Laser

  • Nicht-abtragender Laser

Lassen sich überschießende Narben oder Keloide operativ entfernen?

Besonders bei Keloiden, die schon durch kleinste Verletzungen entstehen, besteht die Gefahr, dass sich danach erneut welche bilden. Bei großen Exemplaren kann man versuchen, das Gewebe mit einem Laser abzutragen. Danach muss das Areal mit Kortison unterspritzt und/oder mit einem Druckverband behandelt werden. Bei überschießenden Narben, insbesondere bei starker Hautspannung, kann eine spezielle operative Technik sinnvoll sein, welche die mechanischen Zugkräfte verringert.

Warum ist eine Therapie so schwierig?

Bislang sind die exakten Mechanismen, die zu einer gestörten Wundheilung führen, noch nicht hinreichend untersucht. Also gibt es bis dato auch keine kausale Therapie. Zukünftige Erkenntnisse aus der Forschung könnten uns helfen, die fehlerhaften Signalwege gezielt zu reparieren, die gestörten Wundheilungsprozesse auszubalancieren und damit zu regulieren.

Gibt es experimentelle Verfahren?

Aktuell diskutieren Fachleute sehr widersprüchlich, ob Medikamente sinnvoll sind, die bestimmte Signalwege in Zellen beeinflussen. Zumindest werden Kalziumkanalblocker, Imiquimod oder Bleomycin aufgrund der geringen und oftmals nicht eindeutigen Datenlage aktuell nicht empfohlen. In Diskussion sind Antikörper gegen TGFβ1, ein bestimmter Wachstumsfaktor, und der Botenstoff Interleukin-10. Er kann wohl die Bildung von hypertrophen Narben unterdrücken.

Was raten Sie Menschen, die zu hypertrophen Narben neigen? Kann man ihnen vorbeugen?

Nach einer Verletzung sollten Betroffene Entzündungen, Infektionen sowie mechanische Belastung vermeiden. Ziehen Sie vor allem bei tiefen Verletzungen oder einer verzögerten Wundheilung einen Arzt hinzu. Machen Sie deutlich, dass Sie zu überschießenden Narben neigen. Vor allem vor geplanten Operationen ist es wichtig, dass der Operateur darüber Bescheid weiß.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Prof. Garcia Bartels.
Das Interview führte Constanze Löffler.  

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