Kampf dem Haarausfall - Transplantation auf dem Kopf
Die meisten Männer und auch etwa jede zweite Frau kennt es: Haarausfall. Meist sind es die Hormone oder es steckt eine genetische Veranlagung dahinter. Immer mehr Menschen setzen auf die Haartransplantation. Doch welche Chancen und Risiken birgt sie?
Zwischen 80.000 und 140.000 Haare hat der Mensch durchschnittlich auf dem Kopf, je nach Haarfarbe. Bei blonden Menschen wachsen die meisten Haare (140.000), dunkelhaarige liegen im Mittelfeld und die Rothaarigen bringen es durchschnittlich auf 80.000 - 90.000 Haare im Schnitt. Gehen rund 100 Haare pro Tag verloren, ist das kein Grund zur Sorge. Der Haarverlust gehört zum ganz normalen Lebenszyklus des Haares, genauer: der Haarwurzel. Deren Wachstumsphase liegt zwischen vier und sechs Jahren. Dann wird das alte Haar abgestoßen und damit Platz für ein neues geschaffen.
Doch bei rund 80 Prozent der Männer in Deutschland und bis zu 50 Prozent der Frauen bleibt es nicht bei dieser natürlichen Verlustrate. Grund ist bei 90 Prozent der Betroffenen der hormonbedingte Haarausfall, Alopecia androgenetica. Das Haarfollikel, also der Haarschaft unter der Haut, in dem sich auch die Haarwurzel befindet, reagiert dabei überempfindlich auf Dihydrotestosteron (DHT), ein Stoffwechselprodukt des männlichen Geschlechtshormons Testosteron. Bei Männern setzt das Phänomen etwa ab dem 20. Lebensjahr ein, bei Frauen oft im Rahmen des Klimakteriums, also in den Wechseljahren, irgendwann im Alter zwischen 45 und 55 Jahren.
Welche Gene welche Art von Haarausfall auslösen, ist noch immer nur teilweise durch die Wissenschaft geklärt. So galt auch der Kampf gegen kahle Stellen oder die Glatze lange Zeit als einer, der kaum zu gewinnen ist. Die Haartransplantation allerdings bietet eine besondere Möglichkeit, das zu ändern - durch die Umverteilung des eigenen Haares.
Optischer Trick: Gleiche Menge - andere Verteilung
Von den Hunderttausenden von Haaren nehmen wir optisch nur einen kleinen Teil wirklich wahr. Mediziner gehen davon aus, dass das Haar des Gegenübers sogar erst dann wirklich als licht oder dünn empfunden wird, wenn nur noch 50 Prozent der Haare die Kopfhaut bedecken. Genau das ist eines der beiden Phänomene, die sich die Technik der Haartransplantation - genauer: Eigenhaartransplantation - zu nutze macht.
Das zweite Phänomen ist die sogenannte "Safe Zone". Das ist der Haarkranzbereich am Hinterkopf. Die Haare hier bleiben in den meisten Fällen selbst dann erhalten, wenn der ganze Kopf schon da ist - dieser Bereich gilt als der unempfindlichste gegenüber der genetisch bedingten DHT-Empfindlichkeit, deshalb verkümmern die Haarfollikel hier nicht.
Verpflanzung Follikel für Follikel
Bei der Haartransplantation werden aus dem Haarkranzbereich Haarfollikel samt Haut entnommen und dann als Follikelinseln (sogenannte Grafts) oder einzelne Follikel in vorgestanzte Löcher in der Kopfhaut an gewünschter Stelle eingesetzt. Die Entnahme erfolgt meist in ganzen Hautstreifen, die Wunde wird anschließend vernäht. Das in Deutschland gängigste Verfahren für die Transplantation ist die Mini/Micrografts-Technik (MMG) - das bedeutet, dass die Follikel als Streifen entnommen und dann in kleine Einheiten von bis zu fünf Haarfollikeln aufgeteilt und verpflanzt werden. Aufwendiger ist die Weiterentwicklung dieser Technik, die Einsetzung follikularer Einheiten (FUI), bei der einzelne Follikel transplantiert werden. Am aufwendigsten ist die Methode, wenn sie mit der Methode der Follicular Unit Extraktion (FUE) kombiniert wird - dann werden die Follikel auch einzeln für die Transplantation entnommen, meist, um eine Narbe am Hinterkopf zu vermeiden.
Die verpflanzten Haare fallen in der Regel nicht mehr aus, denn sie sind gegenüber Dihydrotestosteron (DHT) unempfindlich. Die Kosten für eine Behandlung sind sehr unterschiedlich: Je nach Methode und Größe der kahlen Stelle können Kosten zwischen 3.000 und über 9.000 Euro entstehen, je nach individuellem Mehraufwand kann der Preis auch höher liegen.
Haartransplantation - reine Männersache?
Da vor allem Männer von der Alopecia androgenetica betroffen sind, nehmen sie auch bei weitem häufiger als Frauen die Möglichkeit der Haartransplantation wahr. Prominente Beispiele, wie der Fußballtrainer Jürgen Klopp, Pop-Ikone Sir Elton John, Schauspieler John Travolta oder der FDP-Vorsitzende Christian Lindner haben die Haartransplantation im Kampf gegen kahle Stellen und die Glatze bekannt gemacht. Aber auch Frauen suchen Hilfe durch Transplantation, sagt der Dermatologe Dr. Andreas M. Finner an der Klinik am Wittenbergplatz Berlin: "Es kommen auch zunehmend Frauen mit dem Wunsch nach einer Haartransplantation. Wenn ausreichend Spenderhaare da sind und wirklich vorne eine deutliche Lückenbildung da ist oder Geheimratsecken, hohe Stirn, dann macht auch eine Haartransplantation da Sinn. Wir sehen inzwischen: Jeder fünfte Patient ist eine Frau, und die Frauen sind natürlich besonders dankbar für das Ergebnis."
Bei Frauen spiele die Abwägung für oder gegen die Haartransplantation eine wichtige Rolle, erklärt der Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten: "Bei Frauen muss besonders darauf geachtet werden, dass ausreichend Spenderhaar da ist, weil sich manchmal der erbliche oder hormonelle Haaraufall relativ weit nach hinten erstreckt und auch Lücken da sind. Wenn noch keine Lücken da sind, sondern die Haare noch dünn alle vorhanden sind, dann macht eine Haartransplantation weniger Sinn, weil man ja auch was kaputt machen könnte." Hier könnte der Einsatz von Medikamenten dann eine entscheidendere Rolle spielen.
Nur wenige Medikamente helfen wirklich
Als wirksam gelten Finasterid und Minoxidil - beide folgen unterschiedlichen Wirkprinzipien. Finasterid vermindert die Umwandlung von Testosteron in DHT, auf das die Haarfollikel empfindlich reagieren. Es muss als Tablette täglich eingenommen werden und kann dann den DHT-Spiegel im Blut um mehr als 50 Prozent senken.
Minoxidil wurde in den 70er Jahren in den USA entwickelt - eigentlich als Mittel gegen Bluthochdruck. Doch schnell stellte man verstärktes Haarwachstum als Nebenwirkung fest. Wie es genau wirkt, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Wissenschaftler haben allerdings die berechtigte Vermutung, dass Minoxidil die Durchblutung an der Haarwurzel fördert und dadurch das Haarwachstum anregt. Gegen Haarausfall wird es als flüssige Lösung eingesetzt.
Auch Dr. Andreas M. Finner nutzt den Wirkstoff, zum Beispiel ergänzend zur Transplantation: "Das Minoxidil, als Beispiel für ein Haarmedikament, wird zum Aufhalten eines Fortschreitens gegeben, um zwischen den Transplantaten noch vorhandene Haare zu erhalten, zu schützen, zu stabilisieren und sich damit vielleicht eine weitere Haartransplantation zu ersparen." Für viele stehen die Chancen gut, erklärt Finner: "Bei über 60 Prozent der Patienten kann mit Minoxidil der Haarausfall stabilisiert und für viele Jahre gestoppt werden."