Arzt vor Digitalsymbolen zu Medizinn und Daten (Bild: imago images/agefotostock)
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Digitalisierung im Gesundheitswesen - 2021: Die elektronische Patientenakte kommt

Viele Menschen nutzen Smartphone-Apps, um persönliche Gesundheitsdaten zu erheben und abzuspeichern: Kalorienverbrauch, Schlafdauer, Herzfrequenz oder Blutdruck. Doch zwischen Hausarzt und Krankenhaus wird oft noch gefaxt und Datenaustausch läuft analog. Das soll sich nun ändern: Ab 1. Januar 2021 kommt die elektronische Patientenakte - zumindest teilweise ...

Die elektronische Patientenakte (ePA) ist nicht zu verwechseln mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGK), die seit 2015 verpflichtend ist. In der eGK werden bislang nur die sogenannten Stammdaten (u.a. Name, Adresse, Geburtsdatum) und ein Foto gespeichert. In der elektronischen Patientenakte dagegen sollen zukünftig Befunde, Therapiemaßnahmen, Arztbriefe, Medikationspläne und Impfungen abgespeichert werden. Auch ein Notfalldatensatz ist vorgesehen, in dem zum Beispiel Allergien gegen Medikamente festgehalten sind.

Eine Option - kein Muss

All diese Daten werden aber nur in der ePA abgespeichert, wenn der Patient oder die Patientin das will. Denn die Teilnahme an der ePA ist von der Zustimmung der Patient*innen abhängig. Darin sehen manche Expert*innen auch das Problem. Denn das Ziel, dass Ärzt*innen, Apotheker*innen, Kliniken, Physiotherapeut*innen und andere Heilberufe auf die ePA einer Person zugreifen können, um zum Beispiel Doppeluntersuchungen oder Medikamentenunverträglichkeiten zu erkennen, funktioniert nur, wenn möglichst alle Patientendaten in der ePA abgespeichert werden.
 
Auf der anderen Seite war es Politiker*innen, Ärzteverbänden und Datenschützer*innen von Anfang an wichtig, dass ein hoher Datenschutz bei der Einführung der elektronischen Patientenakte besteht. Das soll auch das im Oktober 2020 beschlossene Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) gewährleisten. Darin ist zum Beispiel auch geregelt, dass Ärzt*innen nur die Patientendaten in der ePA eintragen, die im Zusammenhang mit dem aktuellen Behandlungsfall erhoben werden. Sie müssen nicht alle bereits vorhandenen Daten und medizinischen Befunde einspeisen.

Connection im Feldtest

Im Spannungsfeld von Datenschutz und Transparenz wird die ePA am 01.01.2021 eingeführt werden, zunächst im Rahmen eines so genannten Feldtests, an dem Arztpraxen und Krankenhäuser in Berlin, Bayern und in der NRW-Region Westfalen-Lippe teilnehmen werden.
 
Dazu müssen die jeweiligen Praxen und Kliniken (Leistungserbringer) über die Telematik-Infrastruktur (siehe: "Wie es weiter geht") vernetzt werden, was über so genannte Konnektoren geschieht. Wie schnell auch die anderen Leistungserbringer an der elektronischen Patientenakte teilnehmen können, hängt mit der Verfügbarkeit der zugelassenen Konnektoren zusammen. Am Ende dieses Prozesses sollen über die elektronische Patientenakte 200.000 Leistungserbringer mit potenziell 73 Millionen Versicherten vernetzt werden.

Der Nutzen

Schon seit 15 Jahren wird an einer elektronischen Patientenakte gearbeitet. Anlass, überhaupt darüber nachzudenken, war der Lipobay-Skandal im Jahr 2001. Damals sind fast 100 Menschen gestorben, weil sie neben dem Medikament Lipobay noch andere cholesterinsenkende Medikamente eingenommen haben.
 
Würden alle Arzneien, die ein Patient oder eine Patientin einnimmt, in der elektronischen Patientenakte abgelegt, könnten solche Wechselwirkungen zwischen Medikamenten und auch Unverträglichkeiten schneller erkannt werden. Auch doppelte Röntgen- oder MRT-Untersuchungen könnten so vermieden, beziehungsweise der Verlauf einer Erkrankung von verschiedenen Behandlern besser beurteilt werden.

Das Procedere

Patient*innen, die an der elektronische Patientenakte teilnehmen möchten, müssen das ihrer jeweiligen Krankenkasse signalisieren. Bei den meisten gesetzlichen Krankenkassen gibt es schon jetzt Apps, mit denen Versichertendaten digital verwaltet werden können.
 
Beispiel: TK-Safe
Bei der Techniker Krankenkasse heißt diese Anwendung zum Beispiel "TK-Safe"; sie gibt es seit April 2018. "Sie haben dort eine chronologische Übersicht über ihre Gesundheitsdaten, zum Beispiel Informationen über Behandlungen oder Impfungen. Sie können nachschauen, wann und welche Medikamente sie verordnet bekommen haben und wann die nächste Vorsorgeuntersuchung fällig ist", sagt Silvia Wirth, Pressesprecherin für Digitalisierung & E-Health bei der Techniker Krankenkasse.
Ab dem 01.01.2021 werden diese Daten um die Daten der elektronischen Patientenakte erweitert. "Als Krankenkasse können wir unseren Versicherten die Informationen strukturiert zur Verfügung stellen, die mit der Abrechnung über die Krankenkasse zu tun haben", ergänzt Silvia Wirth.
 
Die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungen gehören nicht dazu. Diese werden dann mit Einführung der elektronischen Patientenakte vom Arzt ergänzt – allerdings nur, wenn Patient*innen dies wünschen. "Versicherte, die TK-Safe nutzen und wollen, dass Daten von Ärzten und anderen Behandlern in ihre Akte kommen, müssen ihre Ärzte in der Akte dafür berechtigen", ergänzt Silvia Wirth. "TK-Safe wird nicht automatisch im Hintergrund zur elektronischen Patientenakte, sondern Nutzer müssen sich dafür registrieren und authentifizieren." Bei der Techniker Krankenkasse nutzen von rund 10 Millionen Versicherten etwa 250.000 TK-Safe, was auch damit zu tun habe, ergänzt Silvia Wirth, dass dieses Angebot bislang noch wenig beworben wurde.

Beantragen und einfordern
Bereits zu Beginn der Einführungsphase können Versicherte bei ihrer Krankenkasse zunächst ihren Zugang für die Nutzung der ePA beantragen und anschließend die App auf ihr Smartphone oder Tablet herunterladen. Der Versicherte erhält in diesem Zusammenhang eine neue Gesundheitskarte sowie einen PIN-Brief.
 
Damit die elektronische Patientenakte auch befüllt werden kann, haben Patient*innen einen Anspruch darauf, dass ihre Ärztin bzw. ihr Arzt, Daten in die ePA einträgt. Ärzt*innen und Krankenhäuser bekommen für das erste Befüllen der ePA eine Vergütung von zehn Euro. Für die Unterstützung der Versicherten bei der weiteren Verwaltung der ePA erhalten sie ebenfalls eine Vergütung. Deren Höhe wird noch zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Kassen verhandelt.
 
So geht's ohne Smartphone:
Auch Versicherte, die kein Smartphone besitzen, können die ePA nutzen. In diesem Fall benötigen sie ihre elektronische Gesundheitskarte sowie einen PIN von ihrer Krankenkasse, um beim nächsten Arztbesuch ihre ePA vom Praxisteam über das Kartenterminal befüllen zu lassen. Beim ersten Befüllen kann Unterstützung vom Arzt eingefordert werden.
 
Diese Updates sind geplant:
Ab 2022 sollen in die ePA auch der Impfpass, das zahnärztliche Bonusheft, das U-Heft sowie der Mutterpass integriert werden können. Versicherte sollen darüber hinaus die Möglichkeit bekommen, über ihr Smartphone oder Tablet für jedes in der ePA gespeicherte Dokument einzeln zu bestimmen, wer darauf zugreifen kann. Patienten können also zum Beispiel festlegen, dass ein Arzt zwar auf die ePA zugreifen darf, dass ihm aber bestimmte Befunde nicht angezeigt werden.
 
Ab 2023 haben Versicherte die Möglichkeit, die in der ePA abgelegten Daten im Rahmen einer Datenspende freiwillig der Forschung zur Verfügung zu stellen.

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Wie es weitergeht

Nach der ersten Testphase, sollen ab dem zweiten Quartal 2021 schrittweise alle Arztpraxen in die Lage versetzt werden, die elektronische Patientenakte zu nutzen. Die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) stellt den Praxen die entsprechende Tele-matik-Infrastruktur (TI) zur Verfügung und zwar in Form so genannter TI-Konnektoren. Diese TI-Konnektoren verfügen über Schnittstellen zu den gängigen digitalen Praxisverwaltungssystemen.
 
Allerdings gab es in der Vergangenheit immer mal wieder Probleme beim Austausch von Daten. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung befürchtet in diesem Zusammenhang, dass die Praxen technisch noch nicht in der Lage sein werden, die ePA zu unterstützen. Gleichzeitig müsse man aber damit rechnen, dass Patient*innen mit dem Anspruch auftreten, dass ihr Arzt oder ihre Ärztin die ePA auch befüllen können.

Allgemeinmediziner Dr. Peter Karsten aus Berlin-Wilmersdorf hat einen solchen TI-Konnektor schon in seiner Praxis. Bislang werden darüber aber nur die Stammdaten der Patient*innen mit denen der Krankenkassen abgeglichen. "Ich weiß noch nicht genau, wie die elektronischen Patientenakte technisch umgesetzt werden soll", sagt Peter Karsten. Schon jetzt hätten Patient*innen ja das Recht, sich ihre Daten in der Praxis ausdrucken zu lassen. "Das haben in drei Jahren vielleicht zwei Patienten genutzt", ergänzt Peter Karsten. Er sieht die Einführung der elektronischen Gesundheitsakte durchaus positiv, vor allem weil Doppeluntersuchungen bei "Kettenüberweisungen" - also Überweisungen von Arzt zu Arzt - vermieden werden können.
 
Nach einer Übergangsfrist müssen Arztpraxen bis zum 30. Juni 2021 startbereit sind, sonst drohen ihnen Sanktionen in Form von einem Prozent Honorarabzug.

Die Kritik

Patient*innenrechte
Erst ab 2022 wird es für die Versicherten möglich sein, für jedes in der ePA abgespeicherte Dokument einzeln zu bestimmten, wer darauf zugreifen darf. Das war für den Bundesbeauftragen für den Datenschutz Ulrich Kelber Anlass, im November 2020 einen Brief an alle Krankenkassen zu schreiben, in dem er die Einhaltung der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) einfordert.
 
Seiner Meinung nach gelte ein "Alles-oder-Nichts-Prinzip" hinsichtlich der von den Leistungserbringern – also von den Ärzt*innen und Krankenhäusern – in die ePA eingestellten Dokumente. Diese Regelungen blieben deutlich hinter den datenschutzrechtlichen Anforderungen zurück, so der Bundesbeauftragte für den Datenschutz. Außerdem fordert Ulrich Kelber, dass Versicherte auch ohne ein eigenes Endgerät, wie ein Smartphone oder Tablet, sicher und eigenständig auf die ePA zugreifen können. Aus der Sicht des Bundesdatenschutzbeauftragen sei dies mit den aktuellen Regelungen nicht möglich.

Datensicherheit
Auch was die Datensicherheit angeht, gibt es immer wieder Kritik. So wurden nach Informationen von Bayerischem Rundfunk und NDR erst vor kurzen "gravierten Sicherheitslücke" beim Anschluss der TI-Konnektoren festgestellt. In rund 200 Fällen waren die Konnektoren offen über das Internet erreichbar und somit Außenstehenden der Zugriff auf Patientendaten wie Arztbriefe, Diagnosen und Röntgenbilder möglich. Die Firma gematik, die die Telematik-Infrastruktur zur Verfügung stellt, ist diesen Vorwürfen nachgegangen. In einer Erklärung auf Anfrage heißt es am 18.12.2020 dazu: "Aus den Meldungen des IT-Sicherheitsforschers ging hervor, dass der Internetanschluss bei den betroffenen Praxen nicht sachgemäß erfolgte, sodass auch die dort installierten Konnektoren von außen erreichbar waren. Die gematik hat aufgrund der Meldungen, die beteiligten VPN-Zugangsdienste-Anbieter unverzüglich angewiesen, in den identifizierten Praxen den TI-Zugang am VPN-Zugangsdienst bis zur Behebung zu sperren. [...]“
 
gematik hat die Hersteller und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik über diese Schwachstelle informiert und gebeten, dass diese bei künftigen Geräte-Generationen nicht mehr auftritt.

Und was ist mit dem E-Rezept?

Mit dem Mitte Oktober verabschiedeten Patientendatenschutzgesetz (PDSG) wurde nicht nur die Grundlage für die elektronische Patientenakte geschaffen - sondern auch für das E-Rezept, das Mitte 2021 eingeführt werden soll.
 
Versicherte sollen eine neue elektronische Gesundheitskarte mit NFC-Chip (Near Field Communication) bekommen und dazu einen PIN-Brief, um die Karte scharf zu schalten. Ein solcher NFC-Chip erlaubt den kontaktlosen Austausch von Daten, wie er zum Beispiel auch bei EC-Karten üblich ist. Mit einer App und einem NFC-fähigen Smartphone können Patient*innen das E-Rezept dann in einer Apotheke ihrer Wahl einlösen.
 
Überweisungen zu Fachärzten sollen in Zukunft ebenfalls auf elektronischem Weg übermittelt werden können.

Beitrag von Ursula Stamm

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