Interview | Moskitos in der Region - Mückenstich mit Folgen
Sie stechen zu und saugen unser Blut. Zurück bleibt eine Schwellung, die mitunter extrem juckt. Doch Mücken sind mehr als gemeine Blutsauger: Einige der tropischen Stechmücken sind als Krankheitsüberträger bekannt. Wie gefährlich aber sind Mücken in Berlin und Brandenburg? rbb Praxis sprach mit dem Tropenmediziner Tomas Jelinek.
Herr Professor Jelinek, für alle Urlauber, die sich in Berlin und Brandenburg am wohlsten fühlen und in der Heimat bleiben: Welche einheimischen Mückenarten quälen sie?
In Deutschland gibt es rund 50 einheimische Mückenarten; in Berlin und Brandenburg treffen wir vor allem auf die Gemeine Stechmücke oder Hausmücke.
Können sie Krankheiten übertragen?
Einheimische Mücken sind harmlos. Krankheiten übertragen vor allem tropische Arten wie beispielsweise Anopheles, die für Malaria verantwortlich ist, oder die Asiatische Tigermücke, die etwa 20 Krankheiten überträgt.
Kann ich mich denn in Brandenburg mit Malaria infizieren?
Vor etwa zehn Jahren gab es mal einen solchen Fall. Damals war es sehr heiß, und eine Frau erkrankte an Malaria, ohne von zu Hause weggewesen zu sein. Durch genetische Tests fand man heraus, dass sie sich die Infektion von einer Frau geholt hatte, die nur unweit von ihr lebte. Die wiederum hatte sich in Äthiopien mit Malaria angesteckt. Eine der Mücken, die Malaria übertragen können, hatte bei der erkrankten Frau Blut gesaugt, danach die Ärztin gestochen und sie so mit Malaria infiziert. Aber das ist wirklich extrem selten, ein freak accident, wie die Amerikaner sagen.
Wenn es schon Malariafälle in der Gegend gibt – besteht denn auch die Möglichkeit, sich mit anderen tropischen Erregern wie West Nil, Chikungunya oder Dengue bei uns zu infizieren?
Nein, in Berlin und Brandenburg ist das unmöglich, denn hier ist es der Asiatischen Tigermücke zu kalt. Anders sieht es in der Rheinebene aus. Aufgrund der klimatischen Bedingungen fühlt sich die Asiatische Tigermücke dort sehr wohl. Mittlerweile gibt es die Tigermücke den ganzen Rhein runter bis zum Bodensee. Passt alles, wäre eine Infektion beispielsweise mit Chikungunya theoretisch auch in Deutschland möglich.
Welche Bedingungen sind dafür notwendig?
Zunächst braucht man jemanden, der mit dem Chikungunya-Virus infiziert ist. Diese Person muss von einer Tigermücke gestochen werden. Dann muss es so warm sein, dass sich die Erreger in der Mücke vermehren, so dass sie beim nächsten Blutsaugen ausreichend Viren in sich hat, um jemanden zu infizieren kann. So kam es wohl auch zu der Mini-Epidemie 2007 in der Po-Ebene in Norditalien.
Was ist damals passiert?
2007 erkrankten in der Provinz Ravenna etwa 200 Menschen an Chikungunya; die meisten davon hatten ihre Heimatregion zuvor nicht verlassen. Innerhalb kurzer Zeit bekamen die Leute reihenweise hohes Fieber und Gelenkbeschwerden, vor allem in den Dörfern Castiglione di Cervia und Castiglione di Ravenna. Die Infektionskette ließ sich daraufhin zu einem indischen Geschäftsreisenden zurückverfolgen, der sich in Castiglione di Cervia aufgehalten hatte und mit dem Virus infiziert war. Die vor Ort mittlerweile heimische Tigermücke hatte für die rasante Ausbreitung gesorgt. Aber auch das ist ein Einzelfall. Im vergangenen Jahr wurden dem Berliner Robert-Koch-Institut 110 Fälle von Chikungunya in Deutschland gemeldet; alle hatten sich im Ausland angesteckt.
Dann kann ich mich wahrscheinlich auch in anderen Urlaubsländern wie Spanien oder Kroatien damit anstecken, oder?
Im letzten Jahr hat sich erstmals ein Spanier in seiner Heimat mit dem Chikungunya-Virus infiziert. Eine Übertragung von Chikungunya-Fieber ist also in Europa möglich, da die asiatische Tigermücke, die das Virus überträgt, auch in beliebten europäischen Urlaubszielen verbreitet ist. Neben Spanien gehören dazu auch Kroatien, Frankreich, Griechenland, Italien, Malta und die Türkei. Aber auch in diesen Ländern sind Infektionen sehr selten. Das Chikungunya-Fieber ist eine Erkrankung, die vor allem in Afrika, Südostasien, dem indischen Subkontinent und auf den Inseln im Indischen Ozean auftritt.
Überträger aller genannten Erkrankungen sind Moskitos. Welches sind die häufigsten Moskitoarten, die tropische Erkrankungen übertragen?
In Asien und Afrika gelten die Gelbfiebermücke, Überträger des Gelbfieber- und des Zika-Virus, die Anopheles-Mücke, die Malaria überträgt sowie die Asiatische Tigermücke als wichtige Krankheitsüberträger. Aedes albopictus, wie die Asiatische Tigermücke auch heißt, ist als Überträger von Krankheiten wie Chikungunya oder Denguefieber für den Menschen bedeutsam. Sie braucht kein Sumpfgebiet, um zu brüten, sondern fühlt sich auch an offenen Behältnissen mit mehr oder weniger Wasser wohl, wie es sie oft in Menschennähe gibt: Regentonnen, Plastikflaschen oder Gullys.
Wie haben es die Mücken zu uns geschafft?
Durch Klimaveränderung und Globalisierung. Die Asiatische Tigermücke gelangt beispielsweise per Schiff zu uns. Die Schiffe transportieren gebrauchte Autoreifen; in ihnen sammelt sich Wasserpfützen, in denen die Mücken brüten. Zu uns in die Rheinebene schaffte sie es wohl über die Niederlanden. Die Mücken entkamen eines warmen Sommers aus den Gewächshäusern der Holländer. Die wiederum haben sie sich mit Glücksbambus ins Land geholt. Durch die milden Temperaturen sterben die Mückenlarven im Winter nicht ab und bilden schon im nächsten Jahr eine Generation, die weniger kälteempfindlich ist.
Um das Zika-Virus ist es trotz Olympia in Brasilien ruhiger geworden. Haben die Ausrottungsaktionen der Brasilianer Erfolg gehabt?
Im Moment ist Zika in Brasilien keine größere Gefahr mehr. Aedes aegypti, der Hauptüberträger des Virus, ist es dort momentan zu kalt. Die bisherigen Ausrottungsaktionen haben meiner Meinung nach nicht viel gebracht; ich erwarte die nächste Zika-Welle ab Oktober, wenn es in Brasilien wieder wärmer wird.
Heimische Mücke oder tropisches Exemplar: Wie schütze ich mich am besten vor Moskitostichen?
Viele Mückenarten stechen erst in der Dämmerung. Lange Kleidung am Abend, Mückenspray und Moskitonetz gelten als wirksamer Schutz vor Insektenstichen und vor den so übertragenen Krankheiten. Wer bereits gestochen wurde, kann mit einer kortisonhaltigen Salbe direkt nach dem Stich Schwellung und Juckreiz verhindern.
Was genau passiert im Körper nach einem Mückenstich?
Grundsätzlich stechen nur die Weibchen zu. Sie brauchen das eiweißreiche Blut für die Reifung der rund 300 Eier. Beim Stechen sondern sie Speichel ab, der verhindert, dass das Blut gerinnt. Der Speichel enthält für den Menschen körperfremde Eiweiße, sodass das Immunsystem alarmiert wird. Immunzellen schütten das Gewebehormon Histamin aus. Daraufhin treten rund drei Minuten nach dem Stich die typischen Symptome wie Schwellung, Rötung und Juckreiz auf.
Wie erkennen Mücken eigentlich ihre menschlichen Opfer?
Die Mücke erkennt uns Menschen am Körpergeruch auf etwa 30 Meter Entfernung. Schweiß, Pheromone, also Sexualhormone, und der Kohlendioxid-Gehalt der Atemluft spielen dabei eine Rolle. Riecht jemand für die Mücke besonders gut, umfliegt sie schon mal andere Menschen, die eigentlich näher auf dem Weg liegen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Jelinek.
Das Interview führte Constanze Löffler