Coronaserum-Impfstoffdose von AstraZeneca (Quelle: imago /Martin Wagner)
Bild: imago /Martin Wagner

Was Sie wissen sollten - AstraZeneca-Impfstoff wird wieder genutzt

Corona-Impfungen mit dem Impfstoff der Firma AstraZeneca wurden kurzfristig ausgesetzt. Experten prüften, ob es im Zusammenhang mit der Impfung zu Hirnvenenthrombosen kommen kann. Ergebnis: Der nachgewiesene Nutzen überwiegt bei weitem mögliche Risiken. Was steckt hinter dem AstraZeneca-Stopp?

Warum kam es genau zum kurzfristiegen Impfstopp von AstraZeneca in Deutschland?

Es geht um eine spezielle Form von Hirnvenenthrombosen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen und Blutungen. In einzelnen Fällen wurde diese Kombination von Symptomen in zeitlicher Nähe zu Impfungen mit dem Impfstoff der Firma AstraZeneca beobachtet. Fälle von Hirnvenenthrombosen treten normalerweise sehr selten in der Bevölkerung auf - noch seltener, als die nun bekannt gewordenen Fälle, so schien es. Daher musste der Zusammenhang geprüft werden.

Wie schwerwiegend sind die Nebenwirkungen der Verdachtsfälle?

Eine Hirnvenenthrombose in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen und Blutungen ist eine schwerwiegende Erkrankung. Bei einer Hirnvenen-Thrombose kommt es zu einem Verschluss bestimmter Venen im Gehirn durch Blutgerinnsel. Zu den Symptomen zählen Kopfschmerzen, aber auch Lähmungen und Sprachstörungen. Der Mangel an Blutplättchen führt wiederum zu einer erhöhten Blutungsneigung. Ein Symptom sind zum Beispiel punktuelle Einblutungen in der Haut.

Um wie viele Fälle geht es?

Dem zuständigen Paul-Ehrlich-Institut waren zum Zeitpunkt des Stopps sieben gemeldete Fälle von Hirnvenenthrombosen bekannt, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer AstraZeneca-Impfung stehen. Demgegenüber stehen mehr als 1,6 Millionen Impfungen mit AstraZeneca. Europaweit geht es um 25 Fälle unter 20 Millionen Impfungen.

Was ist über die betroffenen Personen bekannt?

Insgesamt waren laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sieben Personen betroffen. Davon sind sechs Frauen im Alter von etwa 20 bis 50 Jahren, die eine sogenannte Sinusvenenthrombose gehabt haben. Ein weiterer Fall mit Hirnblutungen bei Mangel an Blutplättchen sei medizinisch sehr vergleichbar gewesen. Laut PEI sind drei betroffene Personen gestorben. Aufgetreten waren die Erkrankungen im Zeitraum von vier bis 16 Tagen nach Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca.

Was hat die Prüfung der Verdachtsfälle ergeben?

Am 18.3.21 kam die Europäische Arzneimittelagentur EMA zu dem Schluss, dass es keine Hinweise auf ein generell erhöhtes Thromboserisiko nach der Impfung mit AstraZeneca gibt.
 
Ein Zusammenhang zwischen dieser speziellen Kombination von Hirnvenenthrombosen und einem Mangel an Blutblättchen kann weder bestätigt noch ausgeschlossen werden. Es handelt sich aber um extrem seltene Ereignisse. Deshalb überwiegt der nachgewiesene Nutzen der Impfung mit AstraZeneca die mögliche Nebenwirkung aber bei weitem.
 
Trotzdem werden sowohl die Fachinformationen, als auch die Patienteninformationen um einen Hinweis auf diese Kombination von Symptomen ergänzt.
 
Das Paul-Ehrlich-Institut in Deutschland schließt sich dieser Einschätzung an.

Was müssen Patienten, die kürzlich mit AstraZeneca geimpft wurden, beachten?

Hier gilt es, zwischen normalen Impfreaktionen und Nebenwirkungen zu unterscheiden. "Wir haben die üblichen Impfreaktionen, die innerhalb von drei bis fünf Tagen nach der Impfung auftreten können. Die Reaktionen, die man als Nebenwirkungen bezeichnet, sind in der Zahl deutlich geringer und fangen später an, also beginnen erst vier bis fünf Tage nach der Impfung", sagt der Impfarzt in den Berliner Impfzentren der Kassenärztliche Vereinigung, Dr. Peter Velling. Dazu zählten Kopfschmerzen, Schwindel oder Hörstörungen als Zeichen der Hirnvenenthrombose. Punktförmige Hauteinblutungen als Zeichen einer Gerinnungsstörung. Außerdem rät die EMA dazu, auf Kurzatmigkeit, Schmerzen in Burst oder Unterleib und auf geschwollene Beine oder Arme zu achten, als Hinweis auf Thrombosen allgemein.
 
Das Auftreten möglicher Nebenwirkungen ist begrenzt. "Wer 16 Tage nach der Impfung keine Nebenwirkungen hatte, bekommt auch keiner mehr", sagt Dr. Peter Velling.
 
Das Paul-Ehrlich-Institut rät: Wer vier bis 16 Tage nach einer Impfung mit AstraZeneca-Impfstoff anhaltende Kopfschmerzen entwickelt oder punktförmige Hautblutungen hat, soll zum Arzt gehen. Das PEI weist aber auch darauf hin, dass es sich um eine sehr seltene potenzielle Nebenwirkung handelt.

Was können Ärzte tun, wenn Geimpfte entsprechende Kombinationen von Symptomen zeigen?

Forscher der Universität Greifswald haben bei neun untersuchten Blutproben Hinweise auf einen Krankheitsmechanismus entdeckt: Danach besteht das eigentliche Problem in Antikörpern, die die eigenen Blutplättchen binden und aktivieren. So entstehen zum einen Blutgerinnsel, die auch zu Hirnvenenthrombosen führen können. Weil zum anderen viele Blutplättchen verklumpen, sinkt ihr Spiegel im Blut.
 
Das Geschehen ähnelt einem bekannten Krankheitsbild. Deshalb konnte die Gesellschaft für Thrombose- und Hämatostaseforschung bereits Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie veröffentlichen.
Empfohlen wird eine Hemmung der Blutgerinnung, allerdings nicht mir Heparin. Außerdem unterbrechen hochdosierte Antikörperpräparate wahrscheinlich den Krankheitsmechanismus.

Der Impfstoff ist in Deutschland ohnehin knapp – war das Aussetzen der AstraZeneca-Impfung unumgänglich?

Wird ein Medikament neu zugelassen, ist die Nachbeobachtung Pflicht. Werden dabei ausfällige Symptome beobachtet, müssen diese von Experten geprüft werden. Ob für diese Überprüfung wirklich ein Aussetzen der Impfungen notwendig war, ist unter Experten umstritten.

Beitrag von Laura Will & Kristina Henss

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