Eine junge Frau bei einer Rückenuntersuchung (Quelle: dpa)

Was kann dahinter stecken? - Rückenschmerzen schon in jungen Jahren

Den Hauptanteil der von Rückenschmerz Geplagten macht die Altersgruppe zwischen 30 und 50 aus. Doch inzwischen klagen auch immer mehr Schüler über Schmerzen im Kreuz, Befragungen zufolge mehr als die Hälfte. Die wichtigsten Ursachen sind hier sicherlich das lange Sitzen in der Schule und zuhause vor dem Computer - aber auch der zunehmende Stress. Manchmal können allerdings auch bestimmte Erkrankungen dahinter stecken.

Fehlende Bewegung

Eigentlich sind Kinder immer in Bewegung und können schlecht still sitzen. Doch häufig lässt das in der Pubertät nach, und auch die Jüngeren sind durch lange Schultage und Hausaufgaben schon viel zu lange körperlich inaktiv. Hinzu kommen die Freizeitbeschäftigungen "Computer, Smartphone & Fernsehen".

Diesen Bewegungsmangel kann dann auch der Schulsport nicht mehr ausgleichen. Die Folgen sind ähnlich wie bei Erwachsenen: Fehlende Bewegung lässt die Muskulatur verkümmern und eine schlecht trainierte Rücken- und Bauchmuskulatur kann in Kombination mit Fehlhaltungen und Fehlbelastungen auch in jungen Jahren schon zu Rückenschmerzen führen. Man spricht dann von unspezifischen Rückenschmerzen, die übrigens auch die meisten Erwachsenen plagen. Das heißt konkret: Es lässt sich keine spezifische Ursache wie ein Bandscheibenvorfall oder eine Verkrümmung der Wirbelsäule als Auslöser der Schmerzen finden. Die gute Nachricht: Diese Form der Rückenschmerzen ist nicht gefährlich und kann gut mit entsprechenden Übungen und Training behandelt werden.

Rechtzeitige Behandlung

Wichtig ist nur, auch diese Form der unspezifischen Rückenschmerzen rechtzeitig zu behandeln. Denn unbehandelt können auch bei Kindern und Jugendlichen Rückenschmerzen chronisch werden. Davon spricht man, wenn die Beschwerden länger als drei Monate anhalten. "Das Problem sind die Kinder, die einen dauerhaften Schmerz haben", sagt Dr. Kay Niemier, Chefarzt der Klinik für Manuelle Therapie in Hamm in Westfalen. "Das betrifft schätzungsweise zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen."

In der Klinik in Hamm wird die sogenannte multimodale, interdisziplinäre Schmerztherapie angeboten – übrigens auch schon für Kinder ab zehn Jahren. Dieses Konzept geht davon aus, dass vor allem der unspezifische Rückenscherz nur durch ein Zusammenwirken verschiedener Disziplinen gut behandelt werden kann – zum Beispiel: Manuelle Medizin, Physiotherapie, Psychotherapie, alternative Heilmethoden aber auch medikamentöse Schmerztherapie. Leider kommt der durchschnittliche Rückenschmerzpatient erst nach zehn Jahren zu diesem multimodalen Ansatz. "Das ist deutlich zu spät", sagt Kay Niemier. "Man sollte schon innerhalb des ersten halben Jahres handeln."

Wenn der Rückenschmerz andere Ursachen hat: das Wirbelgleiten

Bei rund fünf Prozent der jungen Menschen mit Rückenschmerzen spielen spezifische Ursachen eine Rolle, also zum Beispiel bestimmte Erkrankungen oder auch Fehlbildungen. Eine davon ist das sogenannte Wirbelgleiten, auch Spondylolisthese genannt. Es gibt verschiedene Ursachen des Wirbelgleitens. Zum einen können durch Fehlbildung, aber auch durch Fehltraining Störungen im Wirbelgefüge entstehen. Unsere Wirbelsäule besteht aus 24 freien Wirbeln, die über die Bandscheiben verbunden sind.
 
Hinten am Wirbel ist ein Knochenring, hat dieser Knochenring einen Spalt, dann kann der Wirbel nach vorn und nach hinten gleiten. Eine andere Ursache ist der Verschleiß der Bandscheiben. Durch den Verschleiß wird die Bandscheibe flacher, darunter leidet die Stabilität des Wirbelsegmentes und der Wirbel kann ebenfalls gleiten. In mehr als 90 Prozent der Fälle macht das Wirbelgleiten, egal welche Ursache es hat, keine Schmerzen. Ist dies doch der Fall, muss auch hier die stützende Muskulatur trainiert werden. Nur bei sehr großer Instabilität durch das Gleiten, etwa nach einem Unfall oder durch extreme sportliche Belastungen wie beim Kunstturnen, sollte das Wirbelgelenk dann versteift werden. Das hat allerdings nicht nur Vorteile: "Dann haben Sie zwar in dem Wirbelabschnitt Ruhe, Sie haben aber ein Wirbelsäulensegment, welches weniger beweglich ist", so Dr. Niemier. 

Morbus Scheuermann

Der sogenannte Morbus Scheuermann tritt häufig in der Pubertät während starker Wachstumsschübe auf. Wie jede Struktur des menschlichen Körpers muss auch die Wirbelsäule im Kindes- und Jugendalter synchron mitwachsen. Beim Morbus Scheuermann geschieht dies jedoch ungleichmäßig, sodass die Wirbelkörper eine falsche Form annehmen. Die häufigste Folge ist ein Rundrücken, der zunächst keine Schmerzen bereitet. Wird dem Rundrücken jedoch nicht durch ein aktives Trainingsprogramm entgegen gewirkt, kann das auf Dauer die Statik und Funktionalität der Wirbelsäule verändern – und Rückenschmerzen verursachen.

Falsche Krümmung: Skoliose

Die Wirbelsäule hat die Form eines "doppelten S". Bei der Skoliose ist die Wirbelsäule dreidimensional verbogen und verdreht. Ursache können angeborene Wirbelfehlbildungen sein, die meistens schon im Säuglings- oder Kindesalter operiert werden (kongenitale Skoliose). Häufiger sind sogenannte juvenile Skoliosen; diese entstehen meist in den Wachstumsphasen der Pubertät. Es gibt verschieden schwere Grade von Skoliosen, deren "Ursache, wenn man ehrlich ist, nicht hundertprozentig geklärt ist", sagt Kay Niemier.
 
Man geht aber davon aus, dass eine Fehlsteuerung aus dem Zentralnervensystem vorliegt, die zu einem asymmetrischen Muskelzug führt und die Wirbelsäule verbiegt. Therapeutisch wird der Verkrümmung auch hier mit einem entsprechenden Training begegnet, unterstützt durch ein Korsettbehandlung." Bei sehr ausgeprägten Skoliosen, die statisch ein Problem machen, wird auch operiert", räumt Kay Niemier ein. Eine solche Entscheidung macht sich aber kein Arzt leicht, weil dabei Teile der Wirbelsäule versteift und damit unbeweglich werden.

Beitrag von Ursula Stamm