- "So normal wie möglich weiterleben"
Es ist der Hochzeitstag ihrer Cousine, als Helena Grabowizki ihre Diagnose erhält: Brustkrebs. Sie entwickelt ihre ganz eigene "persönliche Überlebensstrategie", um der Krankheit zu begegnen. Beim Cancer Suvivors Day 2015 machte sie auch anderen Betroffenen Mut. rbb Praxis sprach mit einer Frau, die auf bemerkenswerte Weise mit ihrer Krankheit umgegangen ist.
Frau Grabowizki, was hat Ihnen geholfen, als Sie die Diagnose Brustkrebs erhalten haben?
Ich kann nicht direkt einzelne Dinge aufzählen, die mir geholfen haben. Ich weiß aber, dass mir auf jeden Fall Kraft gegeben hat, dass ich versucht habe, mein Leben so normal wie möglich weiterzuleben. Ich habe auch weiterhin alles gemacht, was mir Spaß macht. Ich habe mich mit meinen Freunden getroffen und bin meinen Hobbys weiter nachgegangen, soweit meine Kraft das während der Chemotherapie zugelassen hat. Das hat mir, denke ich, wiederum Kraft gegeben, die Erkrankung und Behandlung durchzustehen.
Können Sie sich an den Tag erinnern, als Sie die Diagnose erhalten haben?
Der Tag, an dem ich die Diagnose erhalten habe, war für mich auch ein besonderer Tag, den ich niemals vergessen werde, weil an dem Tag meine Cousine geheiratet hat. Ich habe vormittags die Diagnose erhalten und mittags war die standesamtliche Trauung. Meine Mutter war dabei, als mir im Krankenhaus die Diagnose mitgeteilt wurde und sie hat mich gefragt, was wir jetzt machen. Ich habe zu ihr gesagt: "Wir gehen nach Hause, machen uns fertig und gehen dann auf die Hochzeit." Und so habe ich gleich vom ersten Tag an beschlossen, raus zu gehen und mich nicht zurückzuziehen. Denn ich habe gemerkt, dass man sich zu viele Gedanken macht, wenn man zu Hause bleibt. Das zieht einen eher runter.
Wie sollte das Umfeld, Familie und Freunde, aus Ihrer Sicht mit der Erkrankung umgehen?
Für mich war es wichtig, dass mich das Umfeld ganz normal behandelt. Ich brauche kein Mitleid oder irgendeine Sonderbehandlung. Denn das zieht einen dann auch eher runter. Vor allem ist es auch wichtig, dass das Umfeld akzeptiert, wenn es einem gut geht. Ein paar Mal habe ich Leute getroffen, die mich gefragt haben, wie es mir geht. Und wenn ich gesagt habe, dass es mir gut geht, haben sie gesagt: "Wie geht es dir wirklich?" In dem Moment habe ich mir nur gedacht: "Was wollt ihr denn hören? Wenn ich das sage, dann ist das so." So etwas fand ich nicht schön. Natürlich muss man während der Behandlungen Strapazen durchmachen. Aber im Großen und Ganzen ging es mir gut. Und das sollte das Umfeld dann auch akzeptieren und normal mit einem umgehen.
Inwiefern ist Unterstützung aus dem Umfeld wichtig?
Unterstützung ist natürlich wichtig. Am besten ist es, Hilfe anzubieten und dann aber auch zu akzeptieren, wenn der andere gerade keine Hilfe braucht. Das Umfeld sollte sich also nicht aufdrängen, aber trotzdem da sein und Hilfe anbieten.
Auch für eine Beziehung kann es eine große Herausforderung sein, wenn der Partner erkrankt. Wie haben Sie das in Ihrer Beziehung erlebt?
Die Krankheit zusammen zu durchleben war schon eine Belastungsprobe für mich und meinen Partner. Als ich die Diagnose erhalten habe, waren wir noch kein Jahr zusammen und hatten gerade erst einen Monat zusammen gewohnt. Aber es hat alles sehr gut funktioniert. Ich bin sehr dankbar, dass mein Partner so gut zu mir hält, mir geholfen hat und immer für mich da war. Das hat uns wirklich noch enger zusammengeschweißt.
Was wäre Ihr Rat an andere Betroffene, um eine Art "persönliche Überlebensstrategie" zu entwickeln?
Ich habe mir keine konkrete Strategie ausgedacht. Aber mein Slogan ist, dass man versuchen sollte, sein Leben soweit wie möglich normal weiterzuleben. Natürlich machen sich die Freunde Sorgen und Gedanken. Wenn man selber versucht, positiv zu denken, macht man es dem Umfeld auch leichter, denke ich. Ich hatte auch Glück, dass alles so gut abgelaufen ist und die Therapie so gut angeschlagen hat. Und ich kann natürlich nicht für andere sprechen, bei denen es vielleicht nicht so glatt läuft. Aber ich denke auf jeden Fall, positive Gedanken helfen, dass man es schafft, mit der Erkrankung besser umzugehen.
Sie haben bei der Kampagne "du bist kostbar" mitgemacht. War es schwierig für Sie, so offen über die Erkrankung zu sprechen?
Nein, das war überhaupt nicht schwierig für mich. Ich bin auch im Privaten, im Freundeskreis sehr offen damit umgegangen. Von Anfang an. Ich bin eigentlich eher zurückhaltend. Aber auch jetzt habe ich gemerkt, dass es mir überhaupt nichts ausmacht, über die Krankheit zu reden. Ich kann ein ganz konkretes Beispiel erzählen: Als meine Haare schon wieder etwas gewachsen sind, waren wir im Garten. Da hat mich ein Nachbar gefragt: "Was hast Du denn mit deinen Haaren gemacht?" Ich habe gesagt: "Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich meine Haare bei der Chemotherapie gelassen." Für mich war das irgendwie kein Problem, gleich so offen darüber zu reden. Ich habe mir in dem Moment überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, wie das bei den anderen ankommt. Denn für viele war das natürlich auch ein Schock. Aber diese Krankheit gehörte in dem Moment ja zu meinem Leben und es gab keinen Grund für mich, das zu verheimlichen.
Sie beschreiben bei der Kampagne "du bist kostbar", dass Sie durch die Erkrankung offener geworden sind und sich auch verändert haben. Inwiefern?
Ja, das ist wirklich so. Ich bin offener geworden und ich mache mir auch weniger Gedanken darüber, was andere denken. Ich mache mir nicht mehr so viele Gedanken über eigentlich unwichtige Dinge. Und ich habe durch die Krankheit auch gelernt, mich selbst mehr zu schätzen.
Wie geht es Ihnen heute?
Mir geht es sehr gut. Die großen Behandlungen - die Chemotherapie und die Bestrahlung - habe ich hinter mir. Ich bin operiert worden und tumorfrei. Ich gehe regelmäßig zur Nachsorge und ich bekomme noch eine Antihormontherapie. Die letzten Nachsorgeuntersuchungen sind sehr gut ausgefallen. Ich bin guter Dinge, dass das hoffentlich so weitergeht.
Vielen Dank für das offene Gespräch, Frau Grabowizki und weiterhin alles Gute!
Das Interview führte Nadine Bader.