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Jedes Jahr müssen schätzungsweise 250.000 bis 300.000 Menschen in Deutschland erleben, dass ihr geliebter Partner an Krebs erkrankt. In der Beziehung kann das zur Belastung werden; aber auch den Zusammenhalt stärken.
Forscher des Universitätsspitals Zürich haben jüngst untersucht, wie sehr eine Krebserkrankung an der Partnerschaft rüttelt. Insgesamt 71 Prozent der Patienten und 75 Prozent der Partner berichteten dabei über Veränderungen. Das Erstaunliche: "Für die meisten wandelte sich ihre Partnerschaft mit der Krebserkrankung zum Positiven", sagt Natalie Drabe, Oberärztin für Psychoonkologie am Universitätsspital Zürich und Erstautorin der im Fachjournal "Psycho-Oncology" erschienenen Studie.
Psychische Sorgen und Nöte werden stärker berücksichtigt
In den letzten Jahren ist die Psychoonkologie zunehmend wichtiger geworden. "Für uns als Behandler gehört es heute dazu, dass wir uns beim Krebspatienten auch nach seinem Gefühlsleben und seinen Lebensumständen erkundigen", sagt Drabe. Zunehmend kümmern sich Psychoonkologen auch um die psychischen Sorgen und Nöte der Partner von Krebskranken. Denn Angehörige fühlen sich sogar häufiger belastet als die Patienten. Zur Sorge um den schwer kranken Partner kommen Existenz- und Verlustängste und Gefühle der Überforderung, weil sie plötzlich mit Kindern, Haushalt und dem Alltag allein sind.
Näher rücken: Die Beziehung ändert sich oft zum Positiven
Für ihre aktuelle Studie hatten Drabe und Kollegen an 209 Krebspatienten und ihre Partner Fragebögen verteilt mit Fragen zu Ängsten und Depressionen, zur Lebensqualität und zum Wandel in der Partnerschaft. Mehr als die Hälfte der Patienten und Partner berichteten ausschliesslich über positive Veränderungen. "Durch die Erkrankung verbringen die Paare in der Regel mehr Zeit miteinander, reden offener und haben stärkere Gefühle füreinander", sagt Drabe. Nur 28 Patienten und 36 Partner klagten über negative Veränderungen. Sie gaben gleichzeitig eine schlechtere Lebensqualität und vermehrtes psychisches Leiden an.
Vor allem Partnerinnen von an Krebs erkrankten Männern ging es schlechter. Eine mögliche Erklärung: Das Gefühlsleben von Frauen hängt stärker vom Wohlbefinden ihres Partners ab als umgekehrt. Wenn sich der Mann zurückzieht und nicht über sein Erleben spricht, führt dies bei den Frauen häufiger zu Angststörungen und Depressionen als andersherum.
Paare lernen, Veränderungen durch Krankheit zu erkennen
Dieses Wissen gilt es in neue Therapieangebote umzusetzen. Bislang fehlten jedoch standardisierte Programme. Bei allen bisherigen Interventionen steht entweder die Erkrankung im Vordergrund – oder wie bei klassischen Paartherapien die Paarbeziehung unabhängig von einer Erkrankung. Künftig soll sich das ändern: "Wir arbeiten daran, unser Angebot speziell auf die Bedürfnisse von Paaren mit einem krebskranken Patienten zuzuschneiden", sagt Drabe. Vorbild könnte das Programm "Seite an Seite" der deutschen Universität Braunschweig sein: In vier Sitzungen lernen dort Paare, Veränderungen durch die Erkrankung zu erkennen, zu akzeptieren – und das Beste daraus zu machen.
Text: Constanze Löffler