Interview l Arzt-Patienten-Kommunikation - Sprich mit mir!
Reden ist ein schwieriges Unterfangen. Zwischen Paaren, Familien oder Kollegen. Warum sollte es bei Ärzten und ihren Patienten anders sein? In der medizinischen Welt hat schlechte Kommunikation jedoch ernsthafte Folgen: Z.B. falsche Diagnosen und Therapien. rbb Praxis hat mit der Hausärztin Miriam Schwantes gesprochen, erfahren als Dozentin für "Ärztliche Gesprächsführung" an der Charité Berlin.
rbb Praxis: Frau Schwantes, viele Patienten beklagen sich, dass die Ärzte nicht genug mit ihnen reden. Welchen Fehler machen Ihre Kollegen im Gespräch?
Das geht oft schon bei der Begrüßung los: sich vorstellen, die Hand geben, den Patienten mit Namen ansprechen – mit dem richtigen Empfang lässt sich viel gewinnen. Doch viele stehen nicht mal vom Schreibtisch auf. Sie kommunizieren auch oft sehr einseitig, indem sie den Patienten schnell unterbrechen oder ihm Fragen stellen, die er nur mit ja oder nein beantworten kann.
Was wäre der bessere Weg?
Besser ist es, mit einer offenen Frage zu beginnen und dann die Fragen konkreter werden zu lassen, um die exakten Beschwerden herauszufinden. Man spricht auch vom "Fragen-Trichter".
Viele Ärzte scheinen das bis heute nicht zu lernen.
Gute Kommunikation muss man sich erarbeiten, die ist nicht angeboren. Noch immer spielt Kommunikation im Medizinstudium aber eine untergeordnete Rolle. Warum das bis heute so ist, muss man sich fragen. Die Wirkung von guter oder schlechter Kommunikation ist ja nun schon lange bekannt. Letztlich sind die Inhalte des Medizinstudiums Ländersache, so dass die Ausbildung in der Arzt-Patienten-Kommunikation bundesweit nicht einheitlich geregelt ist.
Welche Hindernisse sehen Sie noch?
Oft mangelt es an der Einstellung der Ärzte: "Kommunikation ist nicht so wichtig, was soll das Gerede, Hauptsache, ich mache ordentliche Diagnostik und Therapie!". Jungen Ärzten fehlt es an guten Vorbildern. Die Generation der Mediziner, die jetzt an den entscheidenden Positionen sitzt, hat das Reden nie gelernt. Und solange die Vergütung für technische Untersuchungen immer noch besser ist als für ein Gespräch, wird weiter mehr untersucht und weniger geredet. Wären Gespräche besser honoriert, würden die Ärzte sie sicher führen.
Eine häufige Angst unter Ärzten ist, dass der Patient nicht mehr aufhört zu sprechen.
Diese Angst ist unbegründet. Studien zeigen, dass Patienten beim Hausarzt im Schnitt nach 60, beim Facharzt nach 90 Sekunden aufhören zu sprechen und sich wieder an ihren Arzt wenden.
Bedeutet denn empathische Kommunikation überhaupt zwangsläufig viel Reden?
Gutes Kommunizieren hat nichts mit Zeitlänge zu tun. Um das Vertrauen des Patenten zu gewinnen, helfen eine zugewandte Körperhaltung und Blickkontakt. Oft reichen ein Blick, eine Geste. Nonverbale Kommunikation ist meist wichtiger als Worte.
Welche Regeln sollten Ärzte im Gespräch noch beachten?
Genau die gleichen wie in ihrem sonstigen Alltag: Eine zugewandte, empathische Kommunikation, die von Geduld und Nachfragen begleitet ist. Und natürlich wollen die Patienten auch in die Entscheidungen eingebunden werden. Dem Partner oder dem Kollegen setzt man auch nicht einfach eine Lösung vor die Nase, sondern diskutiert sie vorher mit ihm.
Lohnt es sich das Gespräch mit dem Patienten auch medizinisch?
Ja, die Behandlung wirkt besser. Wenn die Patienten die Therapieentscheidung des Arztes mittragen, werden sie sich auch eher daran halten und ihre Pillen schlucken. Bevormunde ich den Patienten, stehen die Chancen schlecht, dass er meiner Therapie traut. Gut aufgeklärte und mitwissende Patienten fühlen sich insgesamt wohler und sind gesünder.
Eine gute Arzt-Patienten-Beziehung sorgt auch dafür, dass sich der Arzt besser fühlt: Ärzte, die nicht gut mit ihren Patienten kommunizieren, sind häufiger ausgebrannt.
Durch schlechte Kommunikation entstehen sogar falsche Diagnosen.
Das stimmt. Wenn ich dem Patienten nicht zuhöre, ihn nicht ausreden lasse, nicht nachfrage, bringt mich das als Arzt möglicherweise auf die falsche Fährte. Ich mache Diagnostik in eine bestimmte Richtung, finde vielleicht auch passende Befunde und therapiere. Dass der Patient eigentlich ein anderes Problem hat, bleibt mir verborgen.
Oder ich verlasse mich zu sehr auf Vordiagnosen, wenn ich den neu aufgetretenen Brustschmerz beispielsweise auf ein altbekanntes Wirbelsäulenleiden schiebe, so aber den Herzinfarkt übersehe.
Was kann ich als Patient zu einem guten Gespräch beitragen?
Ich empfehle dem Patienten, sich gut darauf vorzubereiten. Am besten, er macht sich ein paar Notizen. Beim Arzt bleiben oft nur wenige Minuten Zeit, da vergisst man sonst schnell Wichtiges. Er sollte klar die Beschwerden benennen, die ihn am meisten quälen. Und ich rate ihm, hartnäckig zu bleiben und sich nicht abwimmeln zu lassen.
Und wie machen Sie es mit den anstrengenden Patienten, die nie zufrieden sind, immer wieder in die Praxis kommen und den Praxisablauf blockieren?
Meiner Erfahrung nach sind Patienten weniger nörgelig und unzufrieden, wenn ich vernünftig mit ihnen rede und sie sich Ernst genommen fühlen. Patienten, von denen ich weiß, dass sie ausufernd sein können, sage ich bei der Begrüßung, wie lange ich heute Zeit für sie habe. Das hilft ihnen sich zu orientieren. Wollen sie noch mehr besprechen, bestelle ich sie für einen längeren Gesprächstermin ein.
Wie gehen Sie mit schwierigen Gesprächsthemen um, wenn Sie dem Patienten beispielsweise eine schlechte Prognose mitteilen müssen?
Je schlimmer die Diagnose, desto weniger können die Leute aufnehmen. Meine Information, dass er Krebs hat, unheilbar krank ist oder ein schwerer Eingriff bevorsteht, setzt ihn ja komplett unter Stress.
Der Körper hat es eingerichtet, dass wir uns die Dinge, die wir unter Stress erfahren oder erleben, in der Tat schlechter merken. Lieber bestelle ich ihn noch mal ein paar Tage später ein. Da wir eine Gemeinschaftspraxis sind, kann ich mir diesen Luxus erlauben und bei bestimmten Diagnosen ein halbe Stunde einplanen.
Frau Dr. Schwantes, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Constanze Löffler