Interview l Medizintechnik - Ultraschall: Fortschritt der strahlenfreien Bilder
Ultraschalluntersuchungen gehören seit den 1950ern zu den bildgebenden Medizinverfahren. Heute haben Ultraschallgeräte viele Köpfe oder können 4D-Bilder zeigen. Bei der Behandlung gewinnen sie an Bedeutung - in der Diagnose bleiben sie wichtig. Seit 2018 wird nun auch Vorsorge an der Bauschlagader per Ultraschall von der Krankenkasse übernommen. Wir haben mit Prof. Dr. Nobert Weiss, Direktor des Universitäts Gefäß Centrums an der Uni Dresden über die Entwicklungen gesprochen.
Herr Prof. Weiss, seit diesem Jahr können Männer ab 65 Jahren in Deutschland einmalig eine Ultraschalluntersuchung der Bauchschlagader aus Kosten der Krankenkasse wahrnehmen. Was halten Sie von dieser Neuerung?
Ich halte natürlich sehr viel davon, weil wir ja jahrelang dafür gekämpft haben, dass dieses Screening in Deutschland auch eingeführt wird. Denn wir haben ja das klinische Problem in Deutschland, dass nach wie vor so etwa 2.500 Menschen pro Jahr an einem gerissenen Bauchaortenaneurysma sterben - da hat sich nicht viel getan in den letzten Jahren.
Und wir haben das "Problem", dass die meisten Patienten mit erweiterter Bauchschlagader beschwerdefrei sind und wir die deshalb nicht erkennen, wenn wir nicht gezielt danach suchen oder zum Teil nur erkennen als Zufallsbefund.
Schon in den 90er Jahren wurde in großen Studien gezeigt, dass ein Screening von Männern über 65 Jahren eine sehr effektive Maßnahme ist, um die Patienten zu erkennen, bei denen die Bauchschlagader ein Risiko hat zu reißen. Diese Patienten kann man dann der vorbeugenden Ausschaltung der erweiterten Bauchschlagader zuführen. Dadurch lassen sich Todesfälle an gerissener Bauchschlagader verhindern und auch die Gesamtsterblichkeit verbessern.
Was bedeutet das in Zahlen? Wie viele Menschen könnte man so retten?
Man muss etwa bei 500 Menschen eine Ultraschalluntersuchung der Bauchschlagader machen, um einen Todesfall zu verhindern, was ja eigentlich eine ganz effektive Maßnahme ist. Es ist eine billige Untersuchung, das ganze Screening ist nicht sehr hoch vergütet. Es ist auch eine schnell durchführbare Untersuchung - wer es häufig macht, weiß: Es dauert oft länger, bis sich der Patient entkleidet hat und auf die Untersuchungsliege gelegt. Der Ultraschall dauert dann meist nur fünf Minuten. Und die Untersuchung selbst ist für den Patienten absolut ungefährlich.
Die Untersuchung per Ultraschall hat ja eine lange Geschichte, die Methode stammt ursprünglich aus den 1950ern. Wie sehen Sie die Entwicklung der Sonographie in der Medizin? Erlebt der Ultraschall da gerade ein kleines Revival?
Naja, ich bin Gefäßmediziner - für den Gefäßmediziner ist die Ultraschalluntersuchung schon immer das verlängerte Stethoskop. Von daher hat die Ultraschalluntersuchung in der Gefäßmedizin kein Revival, sondern eine kontinuierliche Entwicklung gezeigt. Die Technik wird immer besser, die Geräte haben immer bessere Auflösungen, Flussmessungen und dreidimensionale Untersuchungen sind möglich. Man kann Kontrastmittel einsetzen. Wobei das für die Bauchaorta gar nicht notwendig ist, das ist eine einfache B-Bild-Sonografie, das heißt da braucht man kein High-End-Gerät, das kann man mit einem ganz einfachen Graubild im Querschnitt darstellen und messen - und es ist dennoch eine sehr zuverlässige Methode.
Wo sehen Sie in Zukunft neue Einsatzmöglichkeiten für die Ultraschalluntersuchung? Was ist das für Sie die spannendste neue Technik?
Der Ultraschall ist ja für uns in der Gefäßmedizin die primäre vaskuläre - also die Blutgefäße betreffende - Bildgebung: Man kann die Gefäße außerhalb des Kopfes und der Lunge alle sehr gut im Ultraschall darstellen. Die Angiographie mit Magnetresonanz (MR) oder Computertomograph (CT) machen wir nur als zweite Diagnostik. Ultraschall ist und bleibt die erste Diagnostik. Was sich weiter entwickeln wird, ist auch der Einsatz des Ultraschalls zur Therapiesteuerung im Bereich der venösen Eingriffe: Venöse Kathetereingriffe in den oberflächlichen Venen, führen wir schon ultraschallgestützt durch. Für arterielle Eingriffe wird sich das sicher im Laufe der Zeit noch entwickeln.
Was technisch noch eine Herausforderung sein wird, ist die Standardisierung der Ultraschalluntersuchung und der Bezug zu anatomischen Kennpunkten im Körper - so dass man Bilder generieren kann, die dann aussehen, wie z.B. eine CT-Angiographie, also die bildgebende Darstellung von Gefäßen.
So dass man in der Zukunft vielleicht noch mehr MR-Angiographie und CT-Untersuchungen durch Ultraschall ersetzen kann?
Genau. Mit einer Methode, die ja billiger ist und ungefährlicher ist, gerade im Vergleich zur Computertomographie (Anm. d. Red.: Bei der Computertomographie werden die Bilder mit Hilfe von Röntgenstrahlen gewonnen).
Die Sonographie ist für den Patienten schmerz- und vor allem strahlenfrei; moderne Geräte für die Sonographie sind relativ kostengünstig. Allerdings braucht es natürlich auch hier eine gute Ausbildung des Mediziners, um die Möglichkeiten des Ultraschalls ausschöpfen zu können. Wer kann da in der Regel was und wie sehen Sie diese Kenntnisse verbreitet?
Also die Erfahrung zum abdominellen Ultraschall, also den Bauchraum betreffenden, ist schon notwendig, wenn man beim Bauchaorten-Screening bleibt. Das hat auch der gemeinsame Bundesausschuss so formuliert, welche formalen Voraussetzungen der Untersucher haben muss. Er muss allgemein qualifiziert sein eine Bauchultraschalluntersuchung durchzuführen. Diese Qualifikation erwirbt man normalerweise dadurch, dass man eine bestimmte Facharztweiterbildung hat - die hat zum Beispiel der Internist, der Kardiologe oder der Angiologe auf alle Fälle. Andere Fachärzte müssen einen Qualifikationsnachweis erbringen, z.B. durch Teilnahme an DEGUM-Ultraschallkursen.
Im Rahmen der Ausbildung von Medizinstudenten spielt leider der Ultraschall noch keine große Rolle. Wir hier in Dresden bieten aber auch schon für Medizinstudenten Ultraschallkurse für die Standarduntersuchungen an, auch schon für Gefäßulltraschalluntersuchungen. Im Rahmen der Facharztweiterbildung ist das eben dann wie gesagt von Fachgebiet zu Fachgebiet unterschiedlich. Ein Beispiel wäre da auch die Kardiologie: da gehört natürlich die Ultraschalluntersuchung von außen und durch die Speiseröhre dazu, heutzutage auch - wenn es um Herzklappen geht - auch die dreidimensionale Echokardiografie.
Woran können Patienten erkennen, ob sie bei einem Arzt mit guter Technik und aktueller Weiterbildung sind?
Zum einen kann man es glaube ich daran erkennen, wie häufig der Arzt das macht und am Aussehen und am Alter des Gerätes das abschätzen. Und zum anderen gibt es natürlich Zertifikate von strukturierten Aus- und Weiterbildungen, zum Beispiel eben die DEGUM-Zertifikate. Dann hängt es aber wieder vom Fachgebiet ab - der Gefäßmediziner hat in seiner Ausbildung schon so viel mit dem Ultraschall gearbeitet, der braucht kein Zertifikat mehr.
Bei den Geräten kann man von der Tendenz sagen: die werden kleiner, die Bildschirme werden größer. Es sind jetzt Flachbildschirme an modernen Geräten, mehrere Schallköpfe. Aber das ist mehr ein Indiz: Wenn das vor fünf oder sieben Jahren ein High-End-Gerät war, ist es jetzt immer noch ein gutes Gerät.
Herr Prof. Weiss, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Lucia Hennerici