Interview l Ultraschalltherapie - Wenn den Tumoren heiß wird
Den "Ultraschall" kennen die meisten vor allem aus der bildgebenden Diagnostik. Aber die Technologie hat sich auch in der Therapie etabliert. Nach erfolgreichem Einsatz bei Gallen- und Nierensteinen nutzt man die Ultraschallenergie inzwischen auch, um gut- und bösartige Tumoren zu schrumpfen. Die rbb Praxis hat mit dem Radiologen und Ultraschallexperten Prof. Holger Strunk von der Uni Bonn gesprochen.
Prof. Stunk, Sie setzen den therapeutischen Ultraschall seit über zehn Jahren ein. Wie unterscheiden sich Diagnostik und Therapie?
Prof. Strunk: Um die Schallwellen therapeutisch zu nutzen, werden sie wie bei einem Hohlspiegel in einem Brennpunkt innerhalb des menschlichen Körpers gebündelt. Die Energie im Fokus steigt deutlich an, daher der Name "hochintensive fokussierte Ultraschalltherapie", kurz HIFU. Das Gewebe erhitzt sich auf bis zu 80 Grad, Eiweiße gerinnen und die Tumorzellen sterben ab. Das Immunsystem transportiert die zerstörten Zellen später ab, im Verlauf verkleinert sich der Tumor. Das gesunde Gewebe bleibt unberührt davon.
Woher weiß das Gerät, wohin es seine Energie lenken soll?
Das war lange das Problem. Wir brauchten bildgebende Verfahren, die den Tumor erkennen, um so den therapeutischen Ultraschall zu steuern und seine Auswirkungen in der Tiefe zu erkennen. Etwa seit der Jahrtausendwende gibt es HIFU-Geräte, die zur Zielführung mit Kernspin oder diagnostischem Ultraschall kombiniert sind. Damit können wir den Bereich genau bestimmen, in dem der Ultraschall wirken soll. Jede HIFU-Behandlungsstelle ist dabei etwa so groß wie ein Reiskorn, was eine äußerst präzise Behandlung ermöglicht.
Welche Tumoren lassen sich mit HIFU behandeln?
Prinzipiell gibt es bei der Tumorart keine Grenzen. In Bonn behandeln wir beispielsweise Patienten mit bösartigen Tumoren in Leber, Bauchspeicheldrüse und in den Knochen sowie mit Weichteiltumoren und gutartigen Tumoren von Brust und Gebärmutter, sogenannten Fibromen und Myomen. Andere Kliniken und Praxen setzen HIFU bei degenerativen Veränderungen der kleinen Wirbelbogengelenke, bei gutartigen Schilddrüsentumoren oder beim Prostatakrebs ein.
Wie unterscheiden sich MRT- und ultraschallgesteuerte Geräte?
Vereinfacht ausgedrückt, bietet die Ultraschallsteuerung den Vorteil einer Echtzeit-Bildkontrolle. Damit können wir auch Tumore behandeln, die sich während der Atmung bewegen. Das geht mit der MR-Steuerung nur sehr eingeschränkt; die Behandlung damit beschränkt sich dadurch auf wenige Erkrankungen. Bauchspeicheldrüsen- oder Lebertumore lassen sich damit nicht therapieren.
Gibt es sonst Grenzen für das Verfahren?
Die Ultraschallenergie muss den Tumor erreichen, er darf deshalb nicht hinter gashaltigen oder knöchernen Strukturen liegen. Auch Tumore in der Tiefe - solche, die sehr versteckt liegen - sowie Patienten, die extrem dick sind, können wir nicht behandeln.
HIFU ist trotz der Erfolge kein etabliertes Verfahren, welches die Kassen zahlen.
Die Therapie ist hierzulande nicht sehr verbreitet. Bei uns in Bonn steht eins von zwei HIFU-Geräten bundesweit, das therapeutischen und bildgebenden Ultraschall kombiniert. In ganz Europa gibt es etwa ein Dutzend dieser Maschinen.
Ganz anders in Ostasien: In China ist HIFU beispielsweise gang und gebe. Umfangreiche asiatische Studien mit großen Patientenzahlen berichten über den Nutzen bei zahlreichen Tumoren. Allerdings entsprechen die Untersuchungen zumeist nicht unseren Qualitätsansprüchen an Studien. Erste akzeptable Arbeiten, beispielsweise aus unserer Klinik, gibt es bislang nur zu wenigen Erkrankungen. Solange wir dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) keine guten Daten aus unserer Region vorlegen können, werden die Kassen sich sträuben, die Kosten zu übernehmen.
Ist da gerade etwas Bewegung in die Sache gekommen?
Der G-BA hat Anfang März 2018 zugestimmt, dass wir das Verfahren beim nicht-operablen Bauchspeicheldrüsenkrebs weiter einsetzen dürfen. Die Betroffenen leiden unter starken, oft therapieresistenten Schmerzen. Mit HIFU können wir sieben von zehn Patienten helfen. Die Kassen übernehmen die Kosten für eine stationär durchgeführte Therapie meist.
Bislang hatte der G-BA nur für die HIFU-Therapie bei gutartigen Gebärmutterknoten und Lebertumoren Potential gesehen und suchte Sponsoren für eine kontrollierte Studie.
Was ist das Problem bei der Verbreitung der Methode?
Hinter der Methode steht keine große Pharmafirma, die auf große Gewinne hoffen kann, wie bei den neuen Chemotherapeutika. Der Hersteller hat bisher zwei Geräte in Deutschland verkauft und tut sich verständlicherweise schwer, die vom G-BA geforderten aufwendigen Studien für jede einzelne Erkrankung zu stemmen. Das kostet jedes Mal Millionen.
Zu befürchten ist, dass es jetzt beim Pankreaskarzinom ähnlich ablaufen wird wie bei den Myomen und Lebertumoren: Der G-BA sieht Potential, möchte eine kostenintensive Studie - aber findet keinen Sponsor. Was dann mit der Methode passiert, weiß keiner.
Bei bösartigen Tumoren ist die HIFU-Behandlung ultima ratio, wenn man den Tumor nicht anderweitig behandeln kann.
Korrekt. Aber das muss nicht so bleiben. Bei einigen Tumorentitäten könnte HIFU durchaus gleichwertig zu OP oder Chemotherapie werden. Man kann mit HIFU sehr präzise arbeiten und auch Tumore in der Nähe von Blutgefäßen behandeln. Da wir ohne Nadeln, Sonden oder ähnliches arbeiten, besteht keine Gefahr einer Blutung oder der Tumorzellverschleppung, wie sie bei anderen Verfahren durch den Stichkanal vorkommen kann.
Wie sieht es bei Prostatakrebs aus?
HIFU wird hierzulande seit über 20 Jahren gegen Prostatakrebs eingesetzt; es ist die älteste und am weitesten verbreitete HIFU-Indikation. Urologen nutzen das Verfahren bei Ersttumoren, setzen es aber auch bei einem Rückfall ein. Die Meinungen zum Stellenwert der Behandlung sind zweigeteilt: Befürworter sehen Vorteile im kurzen Krankenhausaufenthalt oder bei den besseren Ergebnissen bei Potenz und Kontinenz. Die Gegner bezweifeln den langfristigen Nutzen.
Die aktuelle Behandlungsleitlinie Prostatakrebs aus dem Jahr 2016 schätzt die HIFU-Therapie jedenfalls immer als experimentelles Verfahren ein, das nur im Rahmen von Studien angewendet werden sollte – obwohl mittlerweile zahlreiche Kassen die Kosten der Behandlung übernehmen.
Wo sehen Sie den zukünftigen Einsatz vom HIFU?
Das ist ja das Gute an dem Verfahren – man kann es bei jedem Tumor einsetzen. In Bonn führen wir aktuell Studien zur Behandlung von Pankreaskarzinom und Gebärmuttermyomen durch. Wir planen auch eine Studie zur Behandlung von Desmoiden, eigentlich gutartige Weichteiltumoren, die aber immer wieder kommen, wenn man sie operiert, hineinsticht oder -schneidet. Ein berührungsfreies Verfahren wie der HIFU könnte zukünftig eine elegante Behandlungsoption sein.
Vielen Dank für das Gespräch, Prof. Strunk.
Das Interview führte Constanze Löffler