Ein Handy mit dem Schriftzug "ETF" (Quelle: IMAGO/CFOTO)
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Geld | Interview | Lesedauer etwa 4 Minuten - "So gute Produkte wie heute gab es noch nie"

Finanzberatung? Geht auch im DIY-Modus. Mit günstigen passiven Produkten statt teuren aktiven. Wie das geht, erläutert Finanz-Verbraucherschützer Hartmut Walz.

Dr. Hartmut Walz ist Verhaltensökonom und Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Sein Anliegen: Verbraucherschutz bei Geldanlage, Versicherungen und Vorsorge. Zu diesen Themen gibt er ein Blog und ein Youtube-Format heraus, außerdem ist er Autor mehrerer Bücher, unter anderen "Beraten statt Verraten - So wehren Sie Manipulationen in der Finanzberatung souverän ab". Bei SUPER.MARKT erklärt er, wie wir sparen können beim Sparen.

Ich möchte mein Geld anlegen. Wie viel kostet mich das, Herr Walz?

Sie möchten also in Kapitalanlageprodukten investieren - wir reden also von Fonds. Das sind entweder gemanagte Fonds, die aktiven Produkte. Oder die passiven, das sind dann die ETFs, die Index-orientierten Anlagen.
 
Bei zweiteren, den passiven Produkten, wird es erheblich einfacher. Da hat die Kundin eine leichtere Chance, die Kosten einigermaßen abzuschätzen. Das Maß der Dinge ist da die TER, die "Total Expense Ratio". Das ist der bekannteste Ausdruck. Es gibt eine Variante, die eigentlich vom Gesetzgeber gefordert ist, sich aber nicht durchgesetzt hat, das ist OGC, die "Ongoing Charges". Beides bezeichnet die laufenden Kosten, die man Jahr für Jahr für Jahr mit dem Produkt hat.

Können Sie Beispiele für die Spannweite dieser Kennzahlen nennen?

Es gibt total billige Produkte, ETFs zum Beispiel auf den deutschen Aktienindex, da geht es los bei 0,05 Prozent p.a. Die Zahl bezieht sich auf die Summe des investierten Geldes. Das heißt, was im Markt Rendite bringt, wird, abgesehen von Depotgebühren - wenn ich nicht clever bin und ein kostenloses habe -, jedes Jahr um 0,05 Prozent vermindert. Das ist einfach klasse. So gute Produkte wie heute gab es noch nie. Allerdings ist der Dax nicht das Maß aller Dinge. Eine verantwortungsvolle Anlegerin oder ein verantwortungsvoller Anleger sollten weltweit investieren und ein breites Produkt, also zum Beispiel den "FTSE All World" nehmen oder den "MSCI All Country World Investable Markets". Da ist man dann mit etwa 0,2 Prozent dabei - und auch das ist mehr als in Ordnung.
 
Das wäre jetzt also passives investieren. Und der Rat, der unumstritten ist unter Wissenschaftlern, lautet: Das sollte man tun.
 
Wenn Sie jetzt zu den aktiven Produkten gehen, gibt es natürlich auch relativ teurere und billigere, aber selbst die billigeren sind um den Faktor 5 teurer als passive ETFs. Und die schlechteren, da muss ich leider sagen: Da ist nach oben kein Ende. Ich habe schon welche bis 7 Prozent, 7,4 Prozent gefunden. Wenn Sie jedes Jahr aber 7,4 Prozent durch Kosten verlieren, dann bleibt nichts übrig - und nach Inflation und Steuern bleibt erst recht nichts übrig. Da sparen Sie sich arm.

Aber warum sollte ich dann überhaupt auf so ein aktives Produkt gehen?

Sollten Sie ja nicht! Aber versuchen Sie mal, bei einer Sparkasse oder einer Volksbank einen preiswerten passiven ETF zu kaufen. Das wird nicht gut klappen. Aber man muss natürlich auch dazu sagen: Persönliche Beratung ist einfach teuer. Die Bankmitarbeiterin, die verdient jetzt nicht 50 Euro die Stunde, aber sie kostet ihr Institut erheblich mehr, weil sie einen Arbeitsplatz hat, der weitere Kosten verursacht, da wird auch Miete gezahlt, Brandschutz betrieben, EDV verwendet und gewartet, also kostet so eine Beraterin realistisch gesehen sicherlich rund 100 Euro Selbstkosten pro Stunde. Und die Führungskräfte arbeiten auch nicht kostenlos und ein Gewinn für die Bank oder andere Finanzdienstleister soll ja auch noch herausspringen. Also muss die Vertriebsmitarbeiterin teure Produkte verkaufen, die Frau hat gar keine andere Chance. Und dann kommt noch hinzu: Wenn sie die Vertriebsziele nicht erreicht, ist sie bald draußen.

Kann ich die TER oder die OGC denn einsehen als Kundin?

Ja, zu allen Produkten, die eine offizielle Zulassung haben, können Sie im Internet die amtliche Dokumentation einsehen. Dieses Dokument heißt auf deutsch WAI, "Wesentliche Anleger-Information". Die offizielle Bezeichnung ist wie immer englisch: KIID, "Key Information Investor Document". Das ist ein ganz sachliches und durchreguliertes Papier, das nur zwei bis drei Seiten Umfang hat. Das schafft wirklich jede Bürgerin, jeder Bürger zu lesen. Dieses Papier folgt immer der gleichen Struktur, da muss was drin stehen über Anlegerzielgruppen, über Risikoeinschätzungen und eben über die Kosten. Da könnten Sie zum Beispiel die von mir genannten Kostensätze sehen, also die TER oder die OGC. Und dann können Sie auch die 7,4 Prozent bei einem schlechten Produkt sehen.

Was, wenn ich unbedingt einen Vertrag über ein Finanzprodukt in der Bank abschließen will? Bis wohin dürfen die Kosten gehen, um noch irgendwas rauszukriegen?

Ja, solche Menschen gibt es, die sich entweder nicht trauen, etwa, weil sie eine fürchterliche Angst haben vor Onlinebanking, die möchten einen echten Menschen vor sich sitzen haben. Oder auch Personen, die sich nicht mit Wertpapier-Kennnummern rumschlagen wollen, das soll die Beraterin machen. Eine einfache Antwort wäre, je niedriger, umso besser. Die zweite Antwort lautet: Passive Produkte schlagen die aktiven. Aktives Management ist einfach teurer und bringt nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen keinen Mehrwert.
 
Ich sollte wissen, dass die Bankberaterin ihre Deckungsbeiträge erwirtschaften muss, die muss ihre Kosten und einen Gewinnbeitrag erwirtschaften und wird die Tendenz haben, mir immer die teuersten Produkte zu verkaufen. Das wird nicht unbedingt bei 7,4 Prozent p.a. liegen - aber bei einer Bank unter 2 Prozent Kosten p. a. rauszukommen, ist fast unmöglich. Plus weitere versteckte Kosten und Gebühren.

Was kostet mich denn eine seriöse Honorarberatung?

Das geht mit einem Stundensatz von 80 bis 90 Euro los. Wenn jemand aber überleben will und nicht noch andere Einnahmequellen hat, wird er wahrscheinlich einen Stundenlohn zwischen 150 und 250 Euro benötigen. Spannend wird es dann bei der Anzahl der Stunden. Es gibt zum Beispiel Honorarberater, die sagen, "Ich stell Ihren Zug aufs Gleis". Der braucht dann zwei bis drei Stunden und dann kann man den Zug jahrelang alleine fahren und man hat keine Kosten mehr.
 
Wenn Sie jetzt aber zum Beispiel digitalfern sind und Sie sind schon 83 Jahre alt und wollen nicht alleine Online-Banking betreiben, dann suchen Sie sich eventuell lieber einen Berater, der auch die Umsetzung für Sie macht. Und dann fallen jedes Jahr weitere Betreuungsgebühren für Ihre Anlage an - dafür entfallen Provisionen, Erwerbsnebenkosten und sonstige versteckte Kosten.
 
Aber es gibt halt auch Honorarberater, die mehr Stunden abrechnen als nötig. Also sollten Sie auch beim Honorarberater immer wachsam sein und die Kosten im Blick behalten. Immerhin sind diese transparent und damit besser überprüfbar.

Ein Beitrag von DEM, 11.11.2024.