E-Rollstühle auf der Strandpromenade (Quelle: E-Rollstühle auf der Strandpromenade (Quelle: imago images / CHROMORANGE)
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Gesundheit | Beitrag | Lesedauer etwa 6 Minuten - Pflegeurlaub: auch mit E-Rolli und Pflegebett machbar

Auch pflegende Angehörige und Pflegebedürftige brauchen mal eine Auszeit. Möglich ist das im Pflegeurlaub. Der Aufwand ist hoch, lohnt sich aber.

Einfach mal raus! Was für andere so einfach ist: Einen Kurztrip fürs Wochenende buchen, die nächste Reise planen oder einfach ins Auto setzen und einen Ausflug machen - ist für Pflegebedürftige und deren Angehörige oft unmöglich. Wer soll im Urlaub die Pflege übernehmen? Woher soll das Pflegebett kommen? Und wer bezahlt das eigentlich alles?
 
Dabei haben gerade diese Paare und Familien Urlaub oft nötig. Denn im stressigen Pflegealltag bleibt wenig Zeit für Ruhe, Ausgelassenheit oder gemeinsames Lachen.
 
Es gibt Anbieter in Deutschland und auch europaweit, die sich auf Urlaub für Pflegebedürftige - in der Gruppe oder mit deren Familienangehörigen - spezialisiert haben. Aber noch ist das Angebot schwer zu überblicken, die Qualität schlecht einzuschätzen und die Vergleichbarkeit der Angebote schwierig.

Versorgungslücke bei der Erholung

André Scholz, Gründer des gemeinnützigen Vereins Reisemaulwurf, der Pflegebedürftigen bei Reisen beratend zur Seite steht, ist hauptberuflich seit vielen Jahren Pflegeberater. Auch vorher war er im Bereich Pflege tätig. Durch seine langjährige Erfahrung weiß er: "Bei den Themen Auszeit und Erholung - da haben wir eine Versorgungslücke." Zu wenige Angebote, zu viel Bürokratie - und Informationen findet man sowieso nirgendwo so richtig gebündelt.
 
Im Gespräch mit SUPER.MARKT erläutert Scholz, wie ein Pflegeurlaub dennoch gelingen kann und worauf es dabei unbedingt ankommt: "Überlegen Sie sich ganz genau: Was können Sie leisten im Urlaub? Was wollen Sie leisten im Urlaub? Stellen Sie also ganz klar die Pflegestruktur und die pflegerischen Bedürfnisse über die touristischen Wünsche, die Sie oder Ihre Angehörigen haben." Denn zu oft, das weiß Scholz aus Erfahrung, wird der Pflegeurlaub nicht so erholsam, wie er hätte sein können. "Da geht es um Details."
 
Und auf diese Details wollen wir Sie gerne vorab aufmerksam machen! Damit es dann eben doch klappt mit dem Urlaub UND der Pflege. Wir sagen Ihnen, welche Formen des Pflegeurlaubs es gibt, welche Schritte Sie im Vorfeld ergreifen sollten und welche Finanzierungsmöglichkeiten Sie beantragen können.

Diese unterschiedlichen Urlaubspflege-Angebote gibt es

Pflegeurlaub kann viele Formen haben, die sich in der Art der Unterbringung und dem Maß der pflegerischen Unterstützung unterscheiden. Wir erläutern die gängigsten Modelle.

1. Urlaub in der Pflegepension oder im Pflegehotel

Pflegepensionen und Pflegehotels - beide Bezeichnungen sind nicht geschützt. Manch ein Haus nennt sich Pflegehotel, nur weil es rollstuhlgerechte Flure hat. Zumeist bezeichnen Pflegepensionen und Pflegehotels aber einen Ort, der komplett behindertengerecht ausgestattet ist. Welche Arten der pflegerischen Ausstattung und Leistungen dann noch hinzukommen, unterscheidet sich von Fall zu Fall sehr und sollte von Ihnen unbedingt bis ins Detail erfragt werden. Zum Beispiel, ob jemand 24 Stunden vor Ort ist, der als Ansprechpartner oder teilweise auch als Pflegeperson fungiert. Pflegepensionen und - hotels haben oft auch Zimmer für Angehörige, in manchen Fällen auch Ferienwohnungen für die pflegebedürftige Person und deren Angehörige. Erkundigen Sie also sich vor Reiseantritt, was die Pension oder das Hotel im Einzelnen anbietet und was Zusatzleistungen kosten.
 
Eine Übersicht über Pflegepensionen und -hotels finden Sie auf den Seiten von Pflegeberatung.de oder auch beim Verein Reisemaulwurf.
 
Genauso läuft es bei einem selbst organisierten Urlaub in einer behindertengerechten Ferienwohnung. Die Pflegeleistungen, die Sie dann durch einen ambulanten Pflegedienst vor Ort in Anspruch nehmen, können Sie natürlich abrechnen, die Ferienwohnung hingegen nicht.

2. Urlaub im Pflegeheim

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, eine sogenannte Kurzzeit- beziehungsweise Verhinderungspflege für den Pflegebedürftigen zu beantragen und - so diese genehmigt wird - die pflegebedürftige Person für den Zeitraum in einem Pflegeheim unterzubringen. Das kann etwa dann sinnvoll sein, wenn nahe Verwandte in einer anderen Stadt leben und die pflegebedürftige Person durch die Verhinderungspflege ganz in der Nähe der Familienangehörigen in geschützter Umgebung Urlaub machen kann.
 
Genau so kann man aber auch den Pflegebedürftige in einem Pflegeheim in einem Ferienort unterbringen und dann als Angehörige dort im Ort selbst Urlaub machen. Es gibt zum Beispiel diverse Pflegeheime an der deutschen Ostsee- und Nordseeküste, die Zimmer für die Kurzzeit- beziehungsweise Verhinderungspflege bereithalten. Manches Mal bieten diese Heime sogar extra Angehörigenzimmer an, die hinzugebucht werden können. Auch Rehakliniken bieten diese Art des Pflegeurlaubs teilweise an.
 
Hat jemand einen hohen Pflegebedarf hat, zum Beispiel auch nachts, ist die Variante des Urlaubs im Pflegeheim oft die beste. Auch wenn man sich anfangs vielleicht etwas anderes vorgestellt hat.
 
Im Internet finden Sie unterschiedlichste Portale für die Suche nach einem Heimpflege- oder einem Rehaklinikplatz. Übersichtlich und seriös ist das Heimverzeichnis der Gesellschaft zur Förderung der Lebensqualität im Alter und bei Behinderung, der Pflege Finder der Betriebskrankenkassen (BKK) und die Suche der Weissen Liste. Auf allen Seiten können Sie auch nach Häusern mit Kurzzeitpflegeplätzen suchen.

3. Urlaub mit dem spezialisierten Reiseveranstalter

Die hier beschriebenen Formen des Pflegeurlaubs lassen sich allein organisieren und dann auch durchführen Es gibt aber natürlich auch Reiseveranstalter, die sich auf Reisen für Pfegebedürftige (und deren Angehörige) spezialisiert haben. Teilweise sind die Unternehmen auf bestimmte Gruppen von Pflegebedürftigen ausgerichtet, etwa auf an Parkinson erkrankte Personen oder auf Menschen, die an Demenz leiden.
 
Eine Übersicht über Reiseveranstalter finden Sie wiederum auf den Seiten von Pflegeberatung.de oder beim Verein Reisemaulwurf.

Ein Reiseguide für alle

Der kostenpflichtige Ratgeber "Handicapped Reisen" bietet einen Rundumblick über alle möglichen Arten von Pflegeurlauben: von geeigneten Regionen über Reiseveranstalter bis hin zu spezialisierten Pflegeunterkünften vor Ort. Die neueste Ausgabe des Guides erschien am 19. April 2023.

Kurz & knapp: Pflegeurlaub

- Überlegen Sie, welche Form des Urlaubs für Sie am entspanntesten ist - und welche sich am einfachsten finanzieren lässt.

- Planen Sie den Urlaub mindestens ein Jahr im Voraus.

- Suchen Sie sich Hilfe bei der Planung der Reise. Etwa bei Pflegestützpunkten in Berlin oder Brandenburg, der Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung oder bei Vereinen wie Reisemaulwurf.

- Nutzen Sie die Checkliste (siehe unten) bei der Suche nach der geeigneten Unterkunft, achten Sie auf Bewertungen und Erfahrungsberichte im Internet und rufen Sie vor allem vor Ort an und machen sich zumindest telefonisch einen ersten Eindruck.

Die Finanzierung eines Pflegeurlaubs

Wer als Pflegebedürftiger Mensch oder mit Pflegebedürftigen verreisen will, kann in vielen Fällen bestimmte Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen. Diese beinhalten allerdings nur pflegerische Leistungen. Die Kosten für An- und Abreise, Mahlzeiten oder Ausflüge müssen Sie in der Regel selbst übernehmen.
 
Die Kostenübernahme für Pflegeurlaube besteht in der Regel aus den Leistungen der Verhinderungspflege und/oder denen der Kurzzeitpflege. Darüberhinaus können unter anderem noch Ansprüche auf Tages- oder Nachtpflege oder Pflegesachleistungen geltend gemacht, das Pflegegeld oder der Entlastungsbetrag benutzt werden. Viele der Leistungen können kombiniert werden.
 
Die Verhinderungspflege:
Haben Sie den Pflegegrad 2 oder höher und haben seit mindestens sechs Monaten eine eingetragene ehrenamtliche Pflegeperson, steht Ihnen mit der Verhinderungspflege die Kostenübernahme für die Pflege für bis zu sechs Wochen im Jahr zu - höchstens 1.612 Euro pro Jahr. Für die Verhinderungspflege braucht die Einrichtung keine besondere Zulassung, Anspruchsberechtigte können die Verhinderungspflege so zum Beispiel auch für einen Aufenthalt in einer Pflegepension oder in einem Pflegehotel nutzen.
 
Die Kurzzeitpflege:
Bei Aufenthalten in Deutschland kann teilweise - und nur in zugelassenen Häusern - die Kurzzeitpflege in Anspruch genommen werden. Falls die Leistung der Kurzzeitpflege für das laufende Jahr nicht oder nicht vollständig in Anspruch genommen wurde, lässt sich die Restleistung (höchstens 806 Euro) auf die Verhinderungspflege übertragen. So kann diese auf 2.418 Euro erhöht werden.

Immer: Pflegeversicherung informieren

Sie sehen: It's complicated. Die Arten von Pflegeurlauben unterscheiden sich immens. Und damit auch die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten. Die Finanzierungstöpfe sind unübersichtlich und es gibt derer viele.
 
Beachten Sie zum Beispiel, dass nur die Kosten von Heimen und Pflegediensten (teil-)übernommen werden, die bestimmte Kriterien erfüllen - so muss der Pflegedienst etwa über eine Zulassung (Versorgungsvertrag und Vergütungsvereinbarung) nach dem SGB XI verfügen, um Sachleistungen mit der Pflegeversicherung abrechnen zu können.
 
Suchen Sie daher in jedem Fall bei der Planung der Reise das Gespräch mit Ihrer Pflegeversicherung.
 
Und: Wer ins Ausland reisen will, hat nur unter ganz bestimmten Umständen die Möglichkeit, Leistungen in Anspruch zu nehmen. Vor einer etwaigen Reise sollten Sie deshalb auf jeden Fall mit Ihrer Pflegeversicherung sprechen.
 
"Vorbereitung ist das Wichtigste" - diesen Satz stellt Reisemaulwurf-Gründer André Scholz denn auch all seinen Gesprächen über Pflegereisen voran. Dass man den Pflegeurlaub mindestens ein Jahr im Voraus planen sollte - vor allem, wenn er in die Hauptreisezeit fallen oder an sehr beliebte Ferienorte gehen soll - versteht sich dann von selbst.

Die Checkliste für den Pflegeurlaub

1. Entscheiden Sie, welche Ausstattung das Feriendomizil aufweisen muss:
 
• Fahrstühle,
 
• automatisch öffnende Türen,
 
• befahrbare Badezimmer inkl. behindertengerechter Dusche und Toilette,
 
• absenkbare Betten / Pflegebetten,
 
• unfahrbare Tische,
 
• auf Anfrage: Personenlifter, weitere Gehhilfen wie Rollatoren, Bettaufrichter usw.
 
2. Klären Sie genau, welche Dienstleistungen vor Ort angeboten werden.
 
• Welche Pflegedienstleistungen werden von wem übernommen?
 
• Gibt es eine Intensivpflege für Notfallsituationen?
 
• Wie sieht es mit der medizinischen Versorgung vor Ort aus?
 
• Wie sieht die Tagesbetreuung in der Tagespflege konkret aus?
 
• Welche Freizeitangebote sind Teil des Urlaubs?
 
3. Ist der Ort für Sie gut zu erreichen und können Sie vor Ort unterwegs sein?
 
• Wie gestaltet sich die Anreise? Ist sie eventuell zu beschwerlich für den zu pflegenden Menschen? Denken Sie zum Beispiel daran, dass die Deutsche Bahn mit dem Mobilitätsservice bei Fahrten mit gehandicappten Personen hilft. Oder prüfen Sie, ob Sie eventuell einen Hol- und Bringservice nutzen können. Oder können Sie ein Liefertaxi für die Anfahrt samt E-Rolli organisieren?
 
• Können Sie vor Ort mobil sein? Gibt es etwa Ausflüge des Hauses? Ein Taxi für Ausfahrten mit den Pflegebedürftigen?
 
• Gibt es in nächster Nähe alles, was Sie für einen gelungenen Urlaub brauchen? Also etwa: Café oder Eisdiele? Einen Supermarkt? Ist der Strand mit dem Rollstuhl befahrbar oder gibt es eine schöne Strandpromenade? Nichts ist trauriger, als im Urlaub nur auf dem Zimmer hocken zu können, weil die Umgebung behindertenunfreundlich gestaltet ist.
 
4. Kümmern Sie sich - rechtzeitig - um die Finanzierung des Pflegeurlaubs.
 
• Anruf bei der Pflegeversicherung: Was ist machbar?
 
• Suche nach geeigneten Urlaubsdomizilen bzw. Urlaubspflegediensten nach deren Vorgaben.
 
• Anträge bei der Pflegeversicherung einreichen.

SUPER.BEITRAG

Zwei Männer, davon einer im Rollstuhl, gehen beziehungsweise fahren auf einer Strandpromenade an der Ostsee (Quelle: IMAGO / Jens Koehler)
IMAGO / Jens Koehler
8 min

Reisen für Pflegebedürftige: Vorbereitung ist alles

Ein etwas anderer Urlaub an der Ostsee: Mutter und Tochter hoffen, sich ein wenig erholen zu können, während Ehemann und Vater in der Pflegepension betreut wird. Aber: Solche Reisen wollen sehr gut vorbereitet werden.

Ein Beitrag von DEM, 01.06.2023.