Ein Fahrradfahrer fährt beinahe in eine geöffnete Autotür (Quelle: IMAGO / Funke Foto Services)
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Mobilität | Beitrag | Lesedauer etwa 3 Minuten - Dooring: Todesfalle Autotür

Fahrradfahrende geraten durch das sogenannte Dooring oft in lebensgefährliche Situationen. Ein bestimmter Griff für Autofahrende schafft mehr Sicherheit.

Es ist der Albtraum eines jeden Radfahrenden: der Dooring-Unfall. Wenn sich eine Autotür direkt vor Radfahrerenden öffnet und eine Kollision nicht mehr zu vermeiden ist. Im Durchschnitt passiert das zum Beispiel in Berlin einmal am Tag.

Bleibende Schäden durch Unfälle mit Autotüren

Oft bleiben gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgrund der Verletzungen. Oder es folgt ein langer Rechtsstreit über die Schuldfrage. Und die Betroffenen leiden - meist jahrelang. So wie Lukas Baade, dem immer wieder der Puls in die Höhe schnellt, wenn er von seinem Unfall erzählt: "Also, ich möchte es nicht wieder erleben.". Und dabei ist das schon über zehn Jahre her. Und auch Julia Oehring, wird den Tag nie vergessen, als sich plötzlich die Tür eines parkenden Autos öffnet, und sie fast ungebremst in die Tür rast. Das Schmerzensgeld von der Versicherung des Verursachers für die erlittene Gehirnerschütterung, die geprellten Rippen und eine geprellte Hüfte ist mit 500 Euro überschaubar. Heute trägt sie einen Radfahrer-Airbag.

Vorsicht und Abstand zu parkenden Autos

Dabei ist die Straßenverkehrsordnung eindeutig: Jede:r Autofahrer:in ist dazu verpflichtet, für die Unversehrtheit anderer Verkehrsteilnehmer Sorge zu tragen. Wer ein- oder aussteigt, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer am Verkehr Teilnehmenden ausgeschlossen ist. Doch es gibt noch eine zweite Seite: Radfahrende müssen ihrerseits einen Abstand zu den parkenden Autos einhalten, und zwar zwischen 80 und 100 Zentimeter, sonst gelten sie vor Gericht als mitschuldig am Unfall.
 
"Wir haben in Berlin das Problem, dass wir Radverkehr vor allem schneller machen wollen im Moment, und im Zweifel auch attraktiver, und das machen wir zum Teil auf Kosten der Sicherheit", so der Unfallforscher Siegfried Brockmann. Der geforderte Abstand sei auf vielen Berliner Straßen ein Ding der Unmöglichkeit. Was der Gesetzgeber einfordert, lasse sich in der Realität für Verkehrsteilnehmer oft nicht umsetzen.

Unfallrisiken mit dem holländischen Griff minimieren

Mit einem einfachen Trick können Autofahrerinnen und Autofahrer selbst das Unfallrisiko zumindest ein bisschen minimieren: Mit dem sogenannten holländischen Griff wird die Tür nicht mit der linken, sondern der rechten Hand geöffnet. Diese untypische Bewegung soll dazu beitragen, sich der Gefahrensituation bewusst zu werden und den Kopf nach hinten zu neigen. Ein zusätzlicher Blick in den Seitenspiegel ist deshalb essentiell, weil ein:e Radfahrer:in mit 20 Stundenkilometern einen Weg von elf Metern braucht, um noch rechtzeitig zum Stehen zu kommen.
 
Zusätzlich kann auch die moderne Auto-Technik Dooring-Unfälle verhindern helfen. Radar-Sensoren warnen die Fahrer:innen, einige Modelle blockieren im Gefahrenfall sogar schon für knapp eine Sekunde das Türschloss. Diese Sekunde reiche schon aus, um die Autofahrer daran zu hindern, die Tür in dem Moment aufzureißen, so Unfallforscher Brockmann.

Fahrerflucht nach Verkehrsunfall

Doch in Berlin gibt es noch ein Problem: Auch da, wo neue Radwege auf der Straße entstehen, können die Sicherheitsabstände nicht immer eingehalten werden. Diese Erfahrung hat auch Abiturient Paul Rehbach gemacht. Er war gerade elf Jahre alt, als er mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Schule verunglückte. Auch heute noch kann er sich sehr genau an die Situation erinnern, wie ihn die Tür von der Seite erwischte und auf die Gegenfahrbahn katapultierte. Die Unfallverursacherin hat sich zwar vergewissert, ob alles okay ist, verließ dann aber den Unfallort, genau wie Paul. Hier ist die Gesetzeslage klar: Wer nach einem Dooring-Unfall den Ort verlässt, ohne zumindest Kontakt oder Versicherungsdaten dazulassen, erfüllt den Tatbestand der Fahrerflucht. Die Mitteilung alles sei okay, reicht nicht aus.

Moderne Verkehrsplanung

Die größte Gefahr droht Radfahrenden laut Statistik von der Fahrertür: Laut einer Studie aus dem Jahr 2022 sind 6,5 Prozent aller Berliner Fahrradunfälle sind Dooring-Crashs, in denen das Opfer von der Tür auf der Fahrerseite getroffen wird. Von der Beifahrerseite sind es dagegen nur 1,8 Prozent. Ein Umstand, der mittlerweile auch in der Verkehrsplanung berücksichtigt wird. Radwege gibt es nun auch rechts neben parkenden Autos, nicht mehr links. Das hat gleich zwei Vorteile: Schutz vor der Fahrertür und vor zu nah vorbeifahrenden Autos.
 
Der Dooring-Unfall von Lucas Baade ist zwar über zehn Jahre her, hat sich aber tief bei ihm eingebrannt. Er wurde vom Verursacher sogar verklagt, sollte dessen Tür bezahlen, weil er angeblich den Sicherheitsabstand nicht eingehalten hatte. Seine Lehre: Abstand halten um jeden Preis, auch wenn man die Fahrbahn damit dicht macht. Und im Zweifel lieber das Hupen von hinten in Kauf nehmen, als die eigene Gesundheit auf’s Spiel zu setzen.

Ein Beitrag von SUPER.MARKT, 20.02.2024