Gesundheit | Beitrag | Lesedauer etwa 4 Minuten - Sonnenmilch: Steckt Weichmacher im Hautschutz?
In auffällig vielen Urinproben wurde ein gefährlicher Weichmacher entdeckt. Unklar ist, wie der in unsere Körper kommt. Im Verdacht: Sonnenmilch. Also lieber nicht mehr cremen?
Forschende haben den Schadstoff MnHexP in ungewöhnlich hoher Menge im menschlichen Urin entdeckt - wo er eigentlich so gar nichts zu suchen hat. Angaben des Umweltbundesamts (Uba) zufolge ist die gefährliche Substanz ein Abbauprodukt, ein sogenannter Metabolit, des Weichmachers DnHexP, auch Di-n-hexyl-Phthalat oder vereinfacht Phthalat genannt, der seit Jahren streng reglementiert und großteils verboten ist.
Der Stoff darf laut Uba in der EU seit 2023 ohne Zulassung grundsätzlich nicht mehr verwendet werden. Zulassungsanträge seien nicht gestellt worden. Nun hat das Uba ihn im Urin Erwachsener nachgewiesen, eine Behörde in Nordrhein-Westfalen in dem von Kindergartenkindern. Wie kommt er also da hin? Auf diese Frage gibt es noch keine zuverlässige Antwort. Ein erster Verdächtiger ist aber ausgemacht: die Sonnenmilch.
Verunreinigte UV-Filter als Ursprung?
Der Verursacher könne laut Fachleuten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ein bestimmter UV-Filter sein, der DnHexP als Verunreinigung enthalten könnte. Es gebe aber keine belastbaren Informationen, ob am Markt erhältliche Sonnenschutzmittel, andere Kosmetika oder auch sonstige Verbraucherprodukte einen derart verunreinigten UV-Filter tatsächlich enthielten, schreibt das BfR.
Das baden-württembergische Verbraucherschutzministerium teilte Anfang März auf Anfrage mit, dass Fachleute aus aktuellem Anlass 57 Proben der vergangenen Jahre zu Sonnenschutzprodukten auf DnHexP untersucht hätten. Demnach konnte der Weichmacher in 21 Proben in einer Konzentration von 0,3 bis 16 Milligramm pro Kilogramm nachgewiesen werden.
Erhöhung des Risikos für Diabetes, Bluthochdruck und Fettleibigkeit
Marike Kollossa ist Toxikologin am Umweltbundesamt. Sie hat den Schadstoff für das Uba eingeschätzt. MnHexP sei nach Ergebnissen von Tierversuchen ein fortpflanzungsschädigender Stoff, so Kolossa. Er wirke vor allem auf die Fortpflanzungsorgane männlicher Föten im Mutterleib. Er könne aber auch für Erwachsene schädlich sein und das Risiko für Diabetes, Bluthochdruck und Fettleibigkeit erhöhen, was aus weiteren Tierversuchen hervorgehe.
Bei den MnHexP-Funden seien bei einzelnen Menschen Konzentrationen entdeckt worden, "die so hoch sind, dass eine Gesundheitsgefährdung nicht auszuschließen ist", erläuterte Kolossa im Februar, so einen Stoff dürfe man nicht im Körper finden - "und wir finden ihn."
"Kein Anlass für eine erhöhte Besorgnis"
Das Bundesamt für Risikobewertung sieht vorerst dennoch keinen Grund zur Beunruhigung. Die nun entdeckten Konzentrationen des Phthalat-Schadstoffs seien nach einer ersten Einschätzung "kein Anlass für eine erhöhte Besorgnis", sie bewegten sich in einem Bereich, der auch bei anderen Phthalaten im Rahmen von Reihenuntersuchungen nachgewiesen wurde.
Diese vorliegende Bewertung sei zwar noch vorläufig, doch das BfR kommt zu dem Schluss, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass es durch Sonnenschutzmittel, die einen potenziell mit DnHexP verunreinigten UV-Filter enthielten, zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen komme. Es sei davon auszugehen, dass mögliche Risiken eher zu hoch als zu niedrig eingeschätzt worden seien.
"Generell gilt, dass der Nachweis des Weichmachers in ca. einem Drittel der untersuchten Proben auf eine weiter verbreitete Exposition der Bevölkerung hinweist, unabhängig von der Höhe der Belastung. Das ist aus Sicht des Uba nicht wünschenswert", so fasst ein Sprecher des Umweltbundesamts die Lage gegenüber SUPER.MARKT zusammen. Insbesondere da es sich um eine Substanz handele, die nicht aktiv eingesetzt werde und ohne Zulassung in der EU auch nicht aktiv eingesetzt werden dürfe.
Trotzdem weitercremen?
Aber gibt es für uns Verbrauchende nun schon eine Lehre, die wir aus dem Fund der Substanz ziehen können? Aktuell wird durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und das BfR die Datenlage gesichtet. Eine Empfehlung für oder gegen bestimmte Produkte könne deshalb zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgesprochen werden, so der Uba-Sprecher gegenüber SUPER.MARKT.
Auf das Eincremen mit Sonnenmilch oder Kosmetika, die einen UV-Filter enthalten, im Strandurlaub, auf der Piste oder an sonnigen Frühlingstagen zu verzichten, dazu möchte auch Kolossa nicht raten. Die Krebsgefahr durch Sonnenstrahlen sei zu hoch. "Unsere Erkenntnisse reichen zu diesem Zeitpunkt nicht für eine Maßnahmenempfehlung", so Kolossa im Februar. Es wird also noch einiges an Detektiv-Arbeit von den verschiedenen Stellen nötig sein.
Das Uba hat ein FAQ zu dem Thema erstellt, das die aktuelle Lage in Sachen MnHexP widerspiegelt.
Ein Beitrag von SUPER.MARKT mit Material von DPA, 05.03.2024.