Comic zu krankhaftem Lügen, Quelle: rbb/Vanessa Reske
Comic zu Pseudologen (Quelle: rbb/Vanessa Reske) | Bild: (Quelle: rbb/Vanessa Reske)

krankhaftes Lügen - Gute Story, nix dahinter

Pseudologen sind hochkreative, phantasiebegabte Menschen. Sie lügen zwanghaft - täuschen oft Persönlichkeiten vor. Viele haben kein Empfinden dafür, dass sie etwas Unrechtes tun. Von Vanessa Reske

Mit einer harmlosen Minilüge fängt es an. "Ja klar, habe ich schon für Dein Lieblingsessen eingekauft.", sagt Lena. Bestens sei sie auf das spätere Treffen vorbereitet. Und dann geht es los: sie behauptet immer mehr, nach Lust und Laune. "Ich koche exzellent, das habe ich in meiner Ausbildung gelernt." Mit jedem Wort schwindet Lenas Bezug zur Realität und sie verliert sich in der Lügerei. Lena ist Pseudologe. Sie lügt krankhaft.

Alltagslügen – das macht jeder ab und zu. Zweimal am Tag sagen wir nicht die Wahrheit, besagt die Faustregel. Oft sind es kleine Notlügen, unterbewusste Schwindeleien zur besseren Selbstdarstellung. Pseudologen sind anders. Sie lügen nicht aus Geltungssucht, sondern eher aus Schutz. "In ihren wahren Persönlichkeiten fühlen sie sich angreifbar", sagt der Berliner Psychiatrie-Professor Hans Stoffels. In seiner Ambulanz im Westend Berlins hört er sich täglich die wildesten ausgedachten Geschichten an. Was er merkt: "Pseudologen lügen immer weiter – auch wenn es ihnen gar keinen Vorteil mehr bringt." Schuld ist ihre besondere Fantasiebegabung: Pseudologen werden immer wieder zwanghaft in diese andere fantastische Realität gedrängt.  
 
 
 
 

Die Schwerpunkte der Geschichten haben sich geändert

Die Spanne reicht von Alltagslügen bis hin zu komplett ausgedachten Identitäten. Die meisten Patienten erzählen sehr detailliert und sind unglaublich kreativ: Sie seien Mitglied der russischen Romanow-Dynastie, Nachfahre vom spanischen Königshaus, Opfer von Prügelei im Wald, Newscomer Basketballer bei Alba Berlin oder Bankerin, die am 11. September im World Trade Center war. Diese Geschichten hat Stoffels alle schon gehört. Er beobachtet aber einen Trend: Im Laufe der Jahre haben sich die Schwerpunkte der Illusionen gewandelt.
 
In der Therapie versucht Stoffels, die blühende Phantasie der Patienten positiv zu wenden. "Dass dieses als etwas Kreatives erkannt wird und das wird dann im Einzelnen erarbeitet, wie das für den einzelnen Betreffenden aussehen könnte", sagt Stoffels. Eine Heilung der Krankheit gibt es nicht.

Beitrag von Vanessa Reske