Zahlen des Senats - Ein Viertel aller Kinder in Berlin lebt in Armut

Fr 11.08.23 | 15:15 Uhr
  25
Symbolbild: Ein Kind hält einen 5-Euro-Schein in die Kamera. (Quelle: dpa/U. Grabowsky)
Audio: Fritz | 11.08.2023 | Sabine Thoneick | Bild: dpa/U. Grabowsky

In Berlin lebt rund ein Viertel aller Kinder in einer Familie, die Sozialleistungen empfängt. Dabei gibt es zwischen den einzelnen Bezirken erhebliche Unterschiede, wie aus einer Antwort der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie auf eine Anfrage der Linke-Abgeordneten Katrin Seidel hervorgeht [parldok.parlament.berlin].

Demnach gab es Ende 2022 in Berlin insgesamt 632.890 Menschen unter 18 Jahren, davon 154.889 in Familien, die auf Sozialleistungen angewiesen waren. Das entspricht einem Anteil von 24,5 Prozent. Bei der Kinderarmut habe es in den vergangenen Jahren kaum positive Veränderungen gegeben, sagte Seidel am Freitag. "Das ist erschütternd." Zuerst hatte der Tagesspiegel [tagesspiegel.de] über das Thema berichtet.

Zahl der Minderjährigen in Armut praktisch stabil

Im Vergleich zu 2021 sind die Werte fast gleich geblieben: Die Zahl der Minderjährigen in Berlin, die in Armut leben, ging um gerade mal 889 (0,6 Prozent) zurück. Innerhalb Berlins klaffen die Zahlen weiterhin deutlich auseinander, wobei sich durchaus Verschiebungen erkennen lassen.

Der Anteil der Kinder in Sozialleistungen beziehenden Familien lag Ende 2022 im Bezirk Neukölln bei 37,9 Prozent und damit berlinweit am höchsten. In Mitte war er mit 35,2 Prozent allerdings nur unwesentlich niedriger. In Spandau lag er bei 33,5 Prozent, in Reinickendorf bei 30,4 Prozent.

Die niedrigsten Werte hatten Steglitz-Zehlendorf mit 11,4, Pankow mit 11,5 Prozent und Charlottenburg-Wilmersdorf mit 17,6 Prozent. In Treptow-Köpenick war er mit 19,2 Prozent ungefähr halb so hoch wie im benachbarten Neukölln.

Archivbild: Katrin Seidel (Die Linke). (Quelle: dpa/G. Fischer)
"Große Grauzone von Menschen, die kein Anrecht auf Sozialleistungsbezug haben": Die Linken-Abgeordnete Katrin Seidel. | Bild: dpa/G. Fischer

Menschen, die trotz Arbeit arm sind, werden nicht erfasst

Die tatsächliche Zahl von Kindern in Armut sei berlinweit noch größer, sagte Seidel, die familien- und jugendpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion im Abgeordnetenhaus ist. Statistisch erfasst würden nur Kinder und Jugendliche im Zusammenhang mit Transferleistungen. "Es gibt aber eine große Grauzone von Menschen, die kein Anrecht auf Sozialleistungsbezug haben." Das gelte etwa für Menschen, die trotz Arbeit arm seien.

Seidel forderte, angesichts des hohen Niveaus an Kinderarmut, Familienzentren und Kita-Sozialarbeit weiter auszubauen. Gerade weil sich Armut nicht vollständig erfassen lasse, seien das kostenlose Schüler-Ticket für den ÖPNV, die gebührenfreie Kita, das kostenloses Mittagessen an Grundschulen und kostenfreie Lernmittel umso wichtiger. "Das ist etwas, das Familien unglaublich entlastet", sagte sie. "Ich erwarte vom Senat, dass das weitergeführt wird. Und wir werden in den kommenden Haushaltsberatungen auch sehr darauf aufpassen, dass das Rad hier nicht zurückgedreht wird."

Sendung: Fritz, 11.08.2023, 14:30 Uhr

25 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 25.

    Im Übrigen: Wer wirklich aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeitsfähig ist, erhält im Normalfall eine Rente und fällt damit aus der Arbeitslosigkeit und Unterstützung des Arbeitsamtes. Versuche der Wiedereingliederung obliegen dann den Trägern der Rentenversicherung. Teilerwerbsunfähigkeit würde stundenweise Beschäftigung ermöglichen - woran Arbeitgeber aber kein großes Interesse haben - bei niedrigem Familieneinkommen zum Bezug von Bürgergeld führen, wenn die Rente zu niedrig ist.

  2. 24.

    Arbeitslosengeldes auf das Niveau von Arbeitseinkommen anheben ? Ich fass es nicht! Dann geht doch keiner mehr arbeiten! Die Höhe des Bürgergeldes hat schon dafür gesorgt, dass ein ganz Teil Niedriglöhner es sich zu Hause bequem macht!
    Was Kinderarmut betrifft: Es geht den Kindern nicht besser, wenn man den (zum Großteil arbeitsfähigen) Eltern mehr Geld gibt. Geld löst nicht häusliche Probleme - z.B. die Grundversorgung der Kinder. Das Geld - auch die Kindergrundsicherung - gehören in die Einrichtungen, die sich um Kinder kümmern - von der Kita bis zum Schulabschluss, Freizeiteinrichtungen, Sport, zusätzliche Bildungsangebote usw. Dann würde das Steuergeld auch wirklich bei denen ankommen, die es brauchen.

  3. 23.

    Schon mal darüber nachgedacht, Steuern und Sozialabgaben auf ein erträgliches Mass zu senken? Dann könnte auch der Geringverdiner von seiner Arbeit leben und müsste nicht noch 1/3 Sozialhilfempfänger finanzieren, da es dann wohl nur noch 10-15% wären. Wer heute als Schulabbrecher und ohne Ausbildung 17€ die Stunde verdient, ist blöde, wenn er morgens aufsteht. Der Staat zahlt besser und nimmt mehr, wenn ich arbeite.

  4. 22.

    Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit bringen und gewöhnen ...
    Wer jahrelang auf der Couch liegt, kann nicht auf die Schnelle Millionär werden!
    Bürger-Geldempfänger sollte auch etwas für die Bürger tun!

  5. 20.

    Mir tut es sehr leid für die vielen Kinder, die nur diese Mittellosigkeit kennen.
    Gleichzeitig höre ich von erschreckendem Unwillen Erwachsener, einer Arbeit nachzugehen. Es wäre schon sehr hilfreich, die Gründe für Arbeitslosikeit zu erfahren. Wie hoch ist der Anteil an Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Arbeit aufnehmen können? Wird dem Verdacht der Schwarzarbeit, der zu recht besteht, ausreichend nachgegangen? Wieviele Möglichkeiten haben Menschen, eine Ausbildung zu machen, die über das Arbeitsamt finanziert werden kann? In Berlin werden in sehr vielen verschiedenen Bereichen Arbeitskräfte gesucht. Gibt es da keine Zusmmenarbeit mit dem Arbeitsamt ect.?
    Ein anderer Aspekt ist die Lohnsteigerung. Immer mehr Menschen kommen der Armustgefährdung näher, weil die Löhne und Gehälter stark gestiegen sind. Kann man Arbeitslosenhilfe auf das Niveau von Erwerbseinkommen heben? Erst dann wären ja die Kinder gut versorgt.

  6. 19.

    Mmh, dass vor 10 Jahren Langzeitarbeitslose keiner gerne nehmen wollte glaube ich. Heute hört sich das für mich mehr nach einer Ausrede der BG-Empfänger an. Versuch macht "kluch" würde ich sagen aber bei der BG-Kohle muss keiner von seiner Couch.

  7. 18.

    Lesen Sie doch einfach die Überschrift des letzten Absatzes im Artikel und Ihre Widerrede löst sich weitgehend in Luft auf. Berlin zieht überproportional viele Leistungsempfänger an, was zwangsläufig zur Armutsdefinition führt. Die sind mehrheitlich aber arbeitsfähig, beim Rest gäbe es keine ernsthafte Diskussion. Für die Mehrheit fällt es mir zunehmend schwer, Mitleid zu empfinden. Mitleid habe ich mit denen, die trotz Arbeit oder wegen lächerlicher Renten nach 40 Jahren Vollzeitarbeit kaum um die Runden kommen.

  8. 17.

    Leider gibt es jedoch auch andersherum ein Problem ...

    Etwas zugespitzt:
    Langzeitarbeitslose haben - nicht selten - hohe Ansprüche.
    "Ich gehe doch nicht für den Mindestlohn arbeiten" - "Um 7.00 Uhr anfangen, da muss ich doch erstmal mit Hund Gassi gehen" - "Warum muss ich mir Arbeitskleidung selber kaufen" ... alles schon erlebt!

    Es gibt ein Haufen Zuschüsse für Langzeitarbeitslose.
    Doch nicht jeder Arbeitgeber möchte sich an "Erziehungsmaßnahmen" für das Arbeitsleben beteiligen.
    Für mich auch - teilweise - verständlich.

    Die öffentliche Hand braucht Arbeitskräfte in vielen Bereichen. Warum wird in dieser Richtung so wenig getan?
    Würde selbst in einem Lebenslauf nicht schlecht aussehen: pünktlich, höflich, engagiert, "arbeitswillig" usw.

  9. 16.

    Kann ich Ihnen nur zustimmen!

    Das Geld sollte auch nicht weiter ins Kindergeld gesteckt werden, sondern in soziale Einrichtungen FÜR Kinder.
    "Die Arche" in jeden Kiez - finanziert durch den Staat - und weitere Kinder-/Jugendeinrichtungen für Nachmittags-/Wochenendbetreuung.
    Familienzentren "an jeder Ecke" mit Finanzberatung, Kochkursen, Erziehungshilfen ect.

    Und wieder eine Trennung von nicht-arbeiten-WOLLEN und nicht-arbeiten-KÖNNEN.
    Eine Steuerung wäre so m.E. besser möglich - zentral und schneller umgesetzbar.
    Die Gelder würden dann auch den "Richtigen" zugute kommen.

  10. 15.

    Liest sich so, als ob Sie meinen, Menschen seien selbst Schuld wenn sie arm sind. Und sie sollten daher die Vermehrung lieber den Reichen überlassen. Oder für die die Kinder als Leihmütter austragen und später als Kindermädchen versorgen.

  11. 14.

    Kinder werden schon als arm bezeichnet, weil die Eltern ihnen kein Frühstück machen. Es ist absurd finanzielle Hilfe vom Staat zu bekommen und sie nehmen sich nicht einmal die Zeit die Kinder in der Früh zu versorgen. Die Ausrede, wir haben keine Zeit, kein Geld für ein vernünftiges Frühstück ist absurd. Trägheit ist da oft im Spiel von den Eltern, weil andere sich darum kümmern. Die Verantwortung der Essenversorgung für ihre Kinder außer Haus übernimmt in diesen Fall der Staat, Promi- Stiftungen und die Tafel. Die Ursache vom Problem darüber spricht die Politik nicht. Für alles mögliche haben oft Eltern das Geld, die Zeit für sich selbst, ist es Kinderliebe oder Egoismus?

  12. 13.

    Ja, der Staat, die Steuerzahler finanzieren das "Hotel Mama" bei Kinder die weit über 21 Jahre sind. Wann kommen diese erwachsenen Kinder mal zum Arbeiten um sich selbstständig machen zu können, wenn sie selbst in ihrer armen Familie kaum sich ein Einkommen für den gesamt Haushalt verdienen?

  13. 12.

    Leider ist die Aussage zwar richtig, aber weltfremd. Wer im Lebenslauf einige Jahre Arbeitslosigkeit hat, wird oft bei Einstellungen nicht berücksichtigt. Die Arbeitgeber möchten keine Langzeitarbeitslosen.
    Und da wird von den Ämtern ein falsches Bild abgegeben. Den es wird die Zeit der Arbeitslosigkeit statistisch verkürzt, wenn mal eine Maßnahme durchgeführt wurde. Selbst wer arbeiten möchte, hat schlechte Karten. Hinzu kommt Lohndumping. Und dann Ergänzung vom Amt. Das wird so nichts.

  14. 11.

    Die jungen Eltern sind sich meist nicht bewusst, daß es passieren kann, daß die Kinder bis zum 21 Jahr unterhalten werden müssen. Wenn noch ein Studium dazu kommt, entsprechend länger.
    Das funktioniert nicht bei niedrigen Löhnen.
    Das sollte man überlegen bei einem Kinder-Wunsch, der meist von Frauen kommt.
    Etwas Planung ist wünschenswert!

  15. 10.

    Bei der Inflation wundert es mich nicht, daß die Armut weiter ansteigt und was machen unsere Regierenden da gegen wieder einmal NIX außer alles schön zu reden.

  16. 9.

    Es sollte an der Ursache und nicht der Wirkung angesetzt werden. Viele Bürgergeldempfänger sind arbeitsfähig und sollten dazu unmissverständlich aufgefordert werden. Arbeit gibt's genug! Dann erledigt sich das auch mit der Kinderarmut.

  17. 8.

    Kinderarmut in Deutschland???
    Noch nie gab es so viel Kindergeld wie heute , noch nie gab es Unterhaltsvorschuss für Kinder bis 18 Jahre auch wenn man den Vater nicht nennt. Die Kinder erhalten genug zum Leben leider profitieren am meisten ihre Eltern davon , die keinen Grund zum Arbeiten gehen haben bzw. Lust. Hauptsache für Nagelstudio, Handy ect.ist genug da.
    Zum Glück gibt es die Arche , für Kinder die ihre Eltern ernähren.

  18. 7.

    "Glaskugel"? Nein, Einblicke in das Programm der rechtsextremen AfD und Reden. So will man z.B. Transferleistungsempfänger von Wahlen ausschließen.

    "Jörg Urban, Vorsitzender der AfD Sachsen, freute sich nach dem Vortrag denn auch, dass er viele Positionen bereits aus dem Afd-Grundsatzprogramm kenne. Was für ihn „durchaus anspruchsvoll“ sei, und wo die Partei „noch dran arbeiten“ müsse, sei die Begrenzung des Wahlrechts auf Leistungsträger. Das würde „gerade im Osten“ nicht einfach und sei „ein dickes Brett“. Er sei aber „gerne bereit, auch weiter zu denken“.

  19. 6.

    "2003 wurde beschossen, dass Eltern in Berlin fortan bis zu 100,- Euro pro Schuljahr für Bücher zu bezahlen haben. "

    Als direkte Folge des Berliner Bankenskandals und es gab Ausnahmen für z.B. Bezieher von Transferleistungen.

    "Und da war der Senat rot rot." Mit der PDS als Juniorpartner und Sarrazin als Finanzsenator.

    "Sie hat immer gute Forderungen, aber sobald die Linke an einem Regierungsbündnis beteiligt, ist, bleibt davon nichts mehr übrig."

    Die PDS konnte viele Härten die aus der Haushaltsnotlage entstanden sind abfedern, so hat sie für die GSW Mieter bessere Konditionen ausgehandelt.

    "Die WASG (Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit) wurde damals gleich geschluckt, um keine linke Konkurrenz aufkommen zu lassen."

    Das ist reine Geschichtsfälschung! Ein Großteil der WASG-Mitglieder sah in einem Bündnis mit der Linkspartei.PDS die einmalige Chance, in den Bundestag einzuziehen, mit dem Ziel einer gesamtdeutschen Vereinigung der politischen Linken.

Nächster Artikel