Gutachten in Potsdam präsentiert -
Jugendliche aus den drei Bundesländern, die vom Kohleausstieg betroffen sind, haben eigene Ideen zur Gestaltung des Strukturwandels vorgelegt. Am Donnerstag wurde das entsprechende Gutachten "Jugend gestaltet Strukturwandel" an die Brandenburger Staatskanzlei in Potsdam übergeben [PDF/brandenburg.de].
Darin enthalten sind mehr als 60 Ideen für Projekte. Sie reichen von Lavendel-, Wein- und Hanfanbau über Modellstädte für die Energiewende bis hin zu Tiny Houses auf sanierten Tagebauflächen.
Kohleregionen als "moderne Lebensorte"
"Durch den Ausstieg aus der Braunkohle gehen in vielen ohnehin strukturschwachen Regionen Arbeitsplätze verloren", heißt es in dem Gutachten. "Dies betrifft gerade junge Menschen mehrfach." Ihre Zukunftsperspektive in der Region gehe damit verloren. Gleichzeitig würden den Kommunen Steuereinnahmen der mit der Braunkohleindustrie verbundenen Unternehmen fehlen. Das würde sich auch auf die Finanzierung von Angeboten für Jugendliche auswirken.
Die Kohleregionen müssten laut dem Gutachten deshalb als "moderne Lebensorte und Industriestandorte" gestärkt und die Ansiedlung nachhaltiger neuer Unternehmen und Gründungswillige unterstützt werden. "In besonderem Maße sind hierbei innovative Ideen in den zukunftsorientierten Bereichen Digitalisierung, Klimaschutz, Biotechnologie, Pflege, Tourismus [...] zu fördern, da der Bedarf hieran in den kommenden Jahren absehbar steigen wird."
Besserer ÖPNV gefordert
Die ländlichen Regionen sollten auch für Fachkräfte aus dem Ausland attraktiver gestaltet werden, um zum Beispiel Personal für die Pflege zu finden, heißt es weiter in dem Gutachten. Auch Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten seien wichtig. Die Stärkung von Bildung und Forschung sei für Jugendliche von besonderem Interesse und eine Frage der Zukunftsfähigkeit der Regionen.
Handlungsbedarf sehen die Jugendlichen auch bei Bus und Bahn. "Der ÖPNV muss regional und überregional ausgebaut werden, um ländliche Orte anzubinden und zu vernetzen sowie den Anschluss an die Metropolregionen und Oberzentren sicherzustellen." Auch die Ortskerne und Innenstädte müssten aufgewertet werden, heißt es, zum Beispiel mit Kultur- und Sportangeboten sowie "Raum für kreative Entwicklung". Die Jugendlichen schlagen auch eine Imagekampagne vor, die junge Menschen und Familien ansprechen und die Vorteile der Regionen aufzeigen soll.
"Jugendliche haben gutes Gespür"
Aus Sicht des Lausitzbeauftragten von Brandenburg, Klaus Freytag, sind in dem Gutachten viele gute Vorschläge zusammengekommen. "Die Jugendlichen haben schon ein richtiges Gespür für das, was im Strukturwandel wichtig ist", sagte er dem rbb und nannte als Beispiele "Digitalisierung, gute Freizeitangebote, der Nahverkehr".
Die Chefin der Brandenburger Staatskanzlei Kathrin Schneider (SPD) freue sich, dass die Jugendlichen "mehrheitlich große Chancen für sich selbst im Strukturwandel sehen, sich aktiv einbringen wollen und ihre Beteiligung einfordern", heißt es in der Pressemitteilung. Mit den Akteuren in den Kommunen soll über die Umsetzung gesprochen werden. Einige Empfehlungen des Gutachtens würden schon durch konkrete Projekte umgesetzt werden, so Schneider weiter. Dazu gehörten "verstärkte Investitionen in Bildung und Forschung mit dem Lausitz Science Park in Cottbus, dem Leistungszentrum Westlausitz in Schwarzheide und dem Zentrum für innovatives Lernen in Großräschen".
Gutachten mit Experten erstellt
Auf dem Weg zum nun vorliegenden Gutachten waren im vergangenen Jahr bei einer Art Workshop - auf Einladung verschiedener Bundesministerien sowie der vier Braunkohleländer Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen - mehr als 600 Ideen zusammengetragen worden, heißt es von der Staatskanzlei Brandenburg. "Aus der Gruppe der mehr als 40 beteiligten jungen Leute wurde eine 14-köpfige Redaktion gebildet, die anschließend gemeinsam mit Expertinnen und Experten das Gutachten erstellte."
Den Beteiligten gehe es auch darum, dass Jugendliche den Strukturwandel mehr mitgestalten können. "Eine wichtige Sache ist, dass man vor allem an die Schulen gehen muss", sagte Anton Kröber, der Student an der BTU Cottbus-Senftenberg ist und am Donnerstag das Gutachten an die Staatskanzlei mit übergeben hat, dem rbb. In den Schulen müsse man mit den Jugendlichen über den Strukturwandel sprechen, "damit alle aufgeklärt sind und sich einbringen können", so Kröber.
Aktuell sei es meistens so, dass die Menschen nach der Schule für ein Studium die Region verlassen und meistens nicht zurück kommen würden - "auch, weil die Region in bestimmten Bereichen wenig Arbeitsplätz bietet", so Kröber. "Aber das soll sich ja jetzt durch den Strukturwandel ändern."
Sendung: Antenne Brandenburg, 21.07.2022, 11:30 Uhr