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Die Bewohner des Baltikums blicken mit Sorge auf den Krieg in der Ukraine. Führen die Kämpfe zu einer Spaltung ihrer Gesellschaften? Wie leben Esten, Letten, Litauer und Russen miteinander in der aktuellen Situation? Lutz Pehnert reist von Narva, der nordöstlichsten Stadt Europas an der Grenze zu Russland, über Lettland nach Litauen und kommt mit ganz unterschiedlichen Menschen ins Gespräch.
"Werden wir nach der Ukraine die nächsten sein? Das fragen sich derzeit viele Menschen in Lettland, Estland und Litauen. 40 Jahre gehörten die baltischen Länder unfreiwillig zur Völkerfamilie der Sowjetunion. Seit ihrer Unabhängigkeit Anfang der 1990er Jahre sind sie die ungeliebten westlichen Nachbarn von Russland und Weißrussland.
Ihre Mitgliedschaften in NATO und EU empfinden sie als größte Sicherheit vor Putin und seinen Träumen, von denen die Balten nicht wissen, ob er sie wahr macht. "Wenn ich wollte, stünden russische Truppen in zwei Tagen in Riga, Vilnius und Tallinn", soll Putin dem früheren ukrainischen Präsidenten Poroschenko einmal gesagt haben.
In den baltischen Staaten leben viele Russen, die einst als Sowjetbürger dort sesshaft wurden. Allein in Estland sind es 25 Prozent der Bevölkerung. Und vom lettischen Daugavpils, der"russischsten" Stadt innerhalb der EU, spricht man sogar von der "lettischen Krim. Führt der Krieg in der Ukraine auch zu einer Spaltung der baltischen Gesellschaften? Wie leben Letten, Litauer, Esten und Russen miteinander? Wie sehr haben die Menschen die 30 Jahre ihrer Unabhängigkeit geprägt?
Eine Reise durch das Baltikum - vom estnischen Narva, der nordöstlichen Stadt Europas an der Grenze zu Russland, über Lettland und Litauen bis nach Vištytis, einem kleinen Ort, der am Grenzzaun zum Kaliningrader Gebiet endet. Zu Wort kommt Katri Raik, die estnische Bürgermeisterin in Narva, einer Stadt, in der 95 Prozent Russen leben. Einer von ihnen ist Alexander Moissejenko. Er gehört der Freiwilligen-Armee "Kaitseliit" an und ist bereit, seine estnische Heimat gegen einen Angriff Russlands zu verteidigen. Sebastian Boldt sagt: "Wir leben am Vulkan", seitdem der Krieg in der Ukraine tobt.
Der Berliner zog vor zehn Jahren nach Lettland. Wenige Kilometer von der weißrussischen Grenze entfernt, lebt er mit seiner Frau Alessa und Tochter Lilith und betreibt ein Outdoor-Ressort. Die Arbeiter der Lokomotiv-Fabrik von Daugavpils, der zweitgrößten Stadt Lettlands, haben seit Jahrzehnten Loks aus Russland und der Ukraine repariert. Nun fürchten sie, dass ihnen wegen des Krieges die Arbeit ausgeht.
In der litauischen Hauptstadt Vilnius organisiert die Anwältin Giedrė Padaigienė Spenden für ukrainische Flüchtlinge, während ihr Onkel im "bombensicheren" Badezimmer seiner Kiewer Wohnung den "Retter" Putin erwartet. Der Streetart-Künstler Tadas Vincaitis-Plūgas malt die Geschichte seiner Stadt Kaunas an riesige Häuserwände. Seine Wandbemalung ist ein Victory-Zeichen in den Farben Blau-Gelb.
Film von Lutz Pehnert
Erstsendung: 12.04.2022/rbb