Wenn Schmatzen zur Höflichkeit wird... - Andere Länder, andere Toleranzgrenzen
Polen, Griechen, Türken, Japaner, Rumänen, Italiener, Spanier, Engländer, Schweden – die Vielfalt der unterschiedlichen Kulturen in unserem Land wird immer größer. Das liegt nicht nur an der Flüchtlingskrise, sondern an der Globalisierung. All diese Menschen haben ihre eigene Kultur und Angewohnheiten, die für uns fremd sind und deshalb ziemlich nerven können. Betrachten wir einmal die Japaner. Von Vanessa Reske
Stellen Sie sich vor: Ein frisch verliebtes Pärchen trifft sich zum Sushi essen in einem hippen Restaurant in Berlin. Sie sind aufgeregt, haben Herzklopfen und schweben auf Wolke Sieben. Am Nebentisch speist eine japanische Familie – Mutter, Vater und fünf Kinder. Sie fuchteln wild mit ihren Stäbchen, stopfen, schmatzen und schlürfen gierig und laut. Das Date wird gestört. Die Familie nervt.
Was in Deutschland unter schlechte Tischmanieren fällt, gehört in Japan zum guten Ton. „Wer lautstark schmatzt, zeigt dem Koch, dass es schmeckt“, erklärt Dinah Zank, Japanologin an der Humboldt-Universität. Die eigenartige Esskultur ist nur ein Grund, weshalb uns das ostasiatische Volk ab und zu auf den Geist geht.
Die Liste der japanischen Eigenheiten ist lang genug, um darüber ein Buch zu schreiben. "Darum nerven Japaner" verfasste Christoph Neumann im Jahr 2011 – der ungeschminkte Wahnsinn seines japanischen Alltags. Weil er da nicht alle seine Eindrücke unterbringen konnte, folgte 2013 die zweite Ausgabe "Darum spinnen Japaner".
Was wir nicht kennen, nervt schneller
Worüber man sich im Alltag aufregt, hängt sehr stark mit der Erziehung zusammen. "Dinge, die wir nicht kennen, finden wir eher seltsam und sind davon genervt", sagt Zank. Das können unterschiedliche Auffassungen von Sauberkeit, Läutstärke oder Manieren sein. Wer die Sichtweise des anderen nicht nachvollziehen kann, ist davon genervt.
Nervige deutsche Angewohnheiten
"Wenn sie Zug fahren und das Handy klingelt, Leute unterhalten sich laut im Zug, Dinge die für uns normal sind, dass wir lachen, rumblödeln auf dem Flur mit Freunden. Das ist für Japaner ganz unhöflich und nervt viele". Natürlich kann man das nicht generalisieren.
"Es gibt so viele verschiedene Generationen. Und was ältere Generationen nervt, ist den Jugendlichen schon wieder egal", sagt Zank. Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme sind in Deutschland nicht selbstverständlich, für Japaner schon.
Der Ausländeranteil in Deutschland steigt - und damit auch die Vielfalt unterschiedlicher Kulturen. Um uns nicht von all den Eigenheiten nerven zu lassen, können wir versuchen Handlungsweisen zu verstehen, indem wir uns mit der Erziehung in dieser Kultur befassen.
Toleranz entwickeln: Japaner verstehen
Japanische Kinder werden eher zurückhaltend erzogen, und das fällt auch bei den japanischen Studierenden an der Humboldt-Universität auf.
In einer sozialen Gruppe gut integriert zu sein, ist für Japaner unglaublich wichtig. "Das zeigen auch die hohen Selbstmordraten bei japanischen Jugendlichen. Es sind vor allem Schüler, die sich nicht in die Gruppe einfügen konnten und dann gemobbt werden und dem Psychoterror ausgesetzt sind", sagt Zank. Probleme innerhalb von sozialen Gruppen gibt es oft mit halbjapanischen Kindern, die nicht so streng erzogen wurden.
Tatsächlich gibt es auch eine Institution, wo Japaner ausgelassener und lauter sind als wir Deutschen: das Theater. Während wir hierzulande möglichst leise sind, den Sitznachbarn nicht stören und erst am Ende anerkennend applaudieren, geben Japaner bereits im Laufe des Stückes ihren Senf dazu. Sie rufen, schmatzen und lachen laut, sodass der Verzehr von Chips im Stimmengewirr untergeht.