Twitter als Sammelbecken für Genervte

Zwei Menschen tippen auf ihren Smartphones © imago/Westend61 — Bild: imago/Westend61

#genervt - Twitter als Sammelbecken für Genervte

Laute Nachbarn, Email-Spam oder die Unzuverlässigkeit der Deutschen Bahn – erstmal twittern. Das Soziale Netzwerk Twitter bietet allen genervten Personen eine Plattform, um dem Ärger Luft zu machen. Von Vanessa Reske

Jeder Tweet wird mit Hashtags ausgeschmückt, um die Gefühlslage der Person zu verdeutlichen. Wer in die Suchleiste #genervt, #nerv oder #nervig eingibt, stößt sofort auf die wütenden Ergüsse der genervten Twitter-User. Worüber sich Menschen bei Twitter in den letzten Monaten aufgeregt haben, konnten wir in Kategorien packen.

Themen, die die User nerven

Welt, ich rege mich auf!

Neunzig Prozent Tweets, die wir bei der Hashtag-Analyse gefunden haben, verfolgen keinen tieferen Sinn. Sie spielen weder auf gesellschaftliche Probleme an, noch tragen sie zum öffentlichem Diskurs bei. Sondern es geht darum, seine Wehwehchen der Öffentlichkeit mitzuteilen. Ist doch klar, das erste was man bei Kopfweh, Heuschnupfen oder Muskelkater macht: man twittert. So machen es jedenfalls sehr viele User. Die Hashtags, die man dafür verwendet sind: #mimimi, #allesistscheiße, #sädlife oder einfach #genervt .

SvAnimal auf Twitter: "Liebe #Haselnuss laß das Blühen. Ich mag nicht bereits im Januar #Heuschnupfen haben. #niesen #nervig"03. Januar 2016

Annka ⭐️ auf Twitter: "Die Heizdecke versucht mich zu wärmen, aber es klappt nicht. #nervig #grippalerinfekt #Halsschmerzen aus der Hölle :-/"08. Dezember 2015

Dieses "die Sorgen der Bürger lösen" nervt. Man muss nicht auf jedes #mimimi reagieren. Außer vielleicht mit 'Stark!'.
— Gruschenka (@gruscha_2Punkt0) 26. Dezember 2015
Das "harte" Leben

Erstaunlich viele klagen über Krankheiten wie Nackenverspannungen oder Rückenschmerzen. Beliebt sind auch Tweets über das harte Leben: schlaflose Nächte, das Wetter, steigende Preise, Abrechnungen oder Arbeiten am Montag. Der Wochenstart ist so nervig, dass er mittlerweile einen eigenen Hashtag hat, #montags.

Sturm....geh einfach bitte 🖕🏻🌪 #Sturm #nervig
— NoName (@genschi2705) 29. November 2015

Hach ja...wie ich es liebe, fast 2 Stunden beim Arzt im Wartezimmer zu sitzen...nicht #genervt
— Anica J. (@ladyn130) 15. Dezember 2015
Nervige Menschen

Twitter User klagen nicht nur von sich selbst, sie regen sich auch gern über andere Menschen auf und hauen sie per Tweet in die Pfanne. Was Twitter-Nutzer sehr stört sind Möchtegernpromis, die für Fitnessprogramme werben, unfreundliche Verkäufer, Besserwisser, Fußballspieler, Veganer, Betrunkene und langsame Menschen.

Oh ha! Ich habe mir einen 2nd Hand Pullover mit Angoraanteil gekauft. Los militante Veganer, steinigt mich! #genervt
— Bambifeet (@bambifeet) 11. Dezember 2015

Mich regen diese Neujahresvorsätze die die Menschen eh nie einhalten auf .-. #Nervig.
— Booster ist sad ._. (@Der_Booster) 30. Dezember 2015
Lärmbelästigung

Auch trampelnde Nachbarn, die sonntags hämmern und bohren, schnarchen, Musik hören oder laut Fernsehen werden bei Twitter beleidigt. Manche Tweets werden auch als Drohungen formuliert, obwohl der betroffene Nachbar den Tweet vermutlich nie zu Gesicht bekommen wird.

Stemmarbeiten mitten in der Nacht -> grandios #genervt
— Lisa (@ColdEis) 18. November 2015

Trocken, mild und sonnig. Das beste Laufwetter. Aber mein Nachbar läuft auf'm Laufband im Wohnzimmer und nervt alle Nachbarn. #rücksichtslos
— robert  (@speedrob) 27. Oktober 2015

ziehe meiner Nachbarin bald die TV Antenne raus #genervt
— Petra (@Ginger149) 17. November 2015
Die größten Opfer der Twitter-Wut

Ganz schlechte Karten hat – wer hätte es erwartet - der öffentliche Dienst. Deutsche Bahn, DHL, Amazon, Lufthansa, Hausverwaltungen und der Telefonanbieter O2 wurden von Twitter-Usern in den letzten drei Monaten am meisten verteufelt.

scheint wohl Standard zu sein. #DHL #genervt https://t.co/TYam9x2Z8C
— bibliophile (@jessikrimskrams) 5. Dezember 2015

So als Hausverwaltung hat man ja auch nix zu tun - den Job hätte ich auch gern! #genervt aus dem Büro gesendet
— Stadthuhn (@stadthuhn) 12. November 2015

Ich wünsche mir vom Weihnachtsmann dass die Busse in Braunschweig so fahren, wie es auf dem Fahrplan steht. #nerv #Indien
— Maeva (@MarieCherrie711) 3. Dezember 2015

Wegen #SBahn und #BVG nach 11h Schicht einfach mal 2,5h statt 1,5h unterwegs. #vonwegen #WeilWirDichLieben! #sauer #genervt
— Jonouchi (@JonouchiKatsuya) 4. Dezember 2015
Straßenverkehr

Sehr ausfallend sind die Twitter-Einträge über das Auto-Fahren formuliert. Den eigenen Hashtag #stau nutzen User nicht nur, um stockenden Verkehr zu melden, sondern um ihre Wut über das Verhalten im Straßenverkehr anderer hinauszuposaunen und Vorurteile zu verschärfen. Diese Tweets über Autofahrer und Bahnverspätungen werden besonders häufig retweetet, also von anderen Twitter-Nutzern geteilt, da jeder diesen Ärger nachvollziehen kann.

Ich glaube ja allmählich, Österreicher wissen nicht, dass es auch eine rechte Autobahnspur gibt in Deutschland. #genervt
— kleine my (@kleinemy) 19. November 2015

Belgier können kein Reißverschlussverfahren #Vorurteil? #genervt #stau #A4
— Roland Meuthen (@rmeuthen) 28. November 2015

An alle die ursprünglich aus BW kommen: gebt eure Führerscheine ab. IHR könnt kein Auto fahren! #genervt
— HuettePlays (@huetteplays) 8. Dezember 2015
Technik

Scrollt man die Suchergebnisse von #nervig in der Twittertimeline herunter, huschen ziemlich oft die Worte Update, Pop-Up-Fenster oder Windows 10 über den Bildschirm. Offensichtlich regen sich viele Twitter-User über Technik auf. Ist ja auch nervig, wenn der PC im Büro nach zwei Wochen Urlaub 10 Minuten Updates macht, check24 überall Werbung verstreut und dass man bei Paypal Zahlungen seinen Ausweis jedes Mal wieder neu verifizieren muss.

Windows 10 willst du wirklich mein Sargnagel sein? #updates #nervig
— Doris R (@doRisR) 21. Dezember 2015

Fallout für ps4 installiert schon seit 2,5 Stunden und ist ersr bei 55% Das ist doch nicht normal? #genervt
— MinaTV (@Mina_zockt) 21. November 2015

Ich frage mich gerade, wie lange es dauert, bis das Pop-Up-Fenster für #Windows10 den ganzen Bildschirm ausfüllt. #nervig
— Irisaka (@Irisakakruz) 15. Dezember 2015
Nervige Werbung

In den letzten drei Monaten klagten einige über Whatsapp Updates, langsame Rechner, Werbung von Spotify und die Mobilversionen von Websites. Viele können nicht mehr ohne Internet und beschweren sich in Tweet-Form öffentlich darüber, dass es nicht überall makelloses WLAN gibt. Andere nutzten die Plattform, um technische Defekte von TV Anbietern, wie Maxdome, Sky, Watchever oder Apple TV zu verteufeln oder sich über Werbung auszulassen, die vor Online-Streams vorgeschaltet wird. Diese Werbung empfinden Twitter-User als sehr störend.

Hoffentlich hat jetzt bald mal jeder das #Edeka Weihnachtsvideo mit dem ollen Opa geteilt #genervt #scheinheiligkeit
— Ray (@Silent_Ray) 2. Dezember 2015

amazon startseite voller starwars...man kann es auch übertreiben mit dem hype. #nervig
— #blackberry. (@Patrick7ho) 17. Dezember 2015
Medien als Zielscheibe

Wie Werbeanzeigen, vor allem im Fernsehen oder bei Facebook, werden auch die Deutschen Medien auseinander genommen. Offensichtlich sind Menschen so stark davon genervt, dass sie Zeit und Mühe für einen Tweet aufbringen.

Die @BILD mal wieder #geschmacklos und #respektlos! Raus mit den Bildern aus dem Artikel! #GuteBesserungReker 😠
— Robin Zimmermann (@JU_RZimmermann) 18. Oktober 2015

#Lanz wird immer peinlicher & #respektlos er. Jetzt wird noch der #Flugzeugabsturz der German Wings vermarktet. Wie #ekelhaft ist denn das?
— NeueDimensionen (@OneStepBayond) 27. Oktober 2015

@petersen_mel @handelsblatt WTF? Herr Schmidt ist gerade mal ein paar Stunden verstorben und es gibt schon ein Heft für 1.99 #respektlos
— Andreas Wenk (@awenkhh) 10. November 2015

Aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen und die Berichterstattung darüber sorgen täglich für Furore Wer sich allerdings ansehen will, worüber sich die Twitter-Nutzer aktuell am meisten aufregen, der muss nur Top-Ten der Hashtags verfolgen. Diese findet man unter "Trends" in der linken Spalte.

Ob es nun private Angelegenheiten oder das Weltgeschehen geht – auf Twitter regen sich die User sehr häufig auf. Hier können sie sich auch anonym auskotzen, brauchen kein Blatt vor den Mund zu nehmen, um Dampf abzulassen. Fest steht, dass es an genervten Kommentaren bei Twitter nicht mangelt, ob diese Tweets viele lesen ist eine andere Frage.