Kuscheln mit fremden Erwachsenen - Berliner Senat verbietet umstrittenes Kita-Spiel "Original Play"
Männer rangeln und kuscheln mit Kita-Kindern - dieses Spiel namens "Original Play" wurde in den vergangenen Jahren auch in Berliner Kitas gespielt. Nachdem der rbb über Missbrauchsvorwürfe berichtet hatte, reagiert nun die Landespolitik.
Die Senatsverwaltung für Bildung verbietet Berliner Kindertagesstätten, das umstrittene Spiel "Original Play" anzuwenden. Das sagte Pressesprecherin Iris Brennberger dem rbb am Mittwoch. "Es geht heute ein Schreiben raus an die Berliner Kitas, wo die Senatsverwaltung nochmal deutlich macht, dass die Anwendung von 'Original Play' aus Gründen von präventivem Kinderschutz zu unterlassen ist."
Im Zusammenhang mit "Original Play" könne es zu Kindeswohlgefährdungen kommen, sagte Brennberger zur Begründung. Der Senatsverwaltung sei aber aktuell keine Kita in Berlin bekannt, die "Original Play" anwende, betonte die Sprecherin.
In dem Schreiben, das dem rbb vorliegt, heißt es, Tageseinrichtungen sollten die Anwendung der Methode unterlassen. Zudem sollte der bisherige Einsatz an die Kita-Aufsicht gemeldet werden.
Fremde kuscheln mit Kita-Kindern
Bei dem Spiel "Original Play" bekommen fremde Erwachsene in Kitas die Möglichkeit zu engem Körperkontakt mit den Kindern; Missbrauch kann dabei kaum ausgeschlossen werden. Die Kita-Aufsicht der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie lehne "Original Play" deshalb ab, hieß es am Mittwoch.
Im Sommer 2018 hatte es Missbrauchsvorwürfe in einer Kreuzberger Kita gegeben. Danach habe die Kita von diesem Spielkonzept Abstand genommen. Dass es Anzeigen von Eltern gegeben hat, bestätigte die Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungen blieben jedoch ohne Ergebnis, wie Pressesprecher Martin Steltner sagte. "Wir sind diesen Hinweisen nachgegangen, wir haben das sehr ernst genommen", sagte er dem rbb. Im Ergebnis aber seien die Ermittlungsverfahren eingestellt worden.
"Kinder verlieren die Distanz, die sie haben sollten"
Die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus will das Thema am Donnerstag per Dringlichkeitsantrag im Parlament besprechen und verlangt Auskunft von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), seit wann wer was wusste. CDU-Fraktionschef Burkard Dregger findet es skandalös, dass ein solches Spiel als pädagogisches Konzept in Kitas angewendet wurde: "Die Kita ist ein geschützter Ort und Eltern wollen ihre Kinder in der Kita wohlbehütet sehen. Dieses Vertrauen in die Kita wird diametral erschüttert", so Dregger. "Ich weiß auch nicht, wer sich als Erwachsener dafür interessiert, mit ihm fremden Kindern Kuschelspiele zu machen - da muss man ja die Befürchtung haben, dass das nur eine ganz bestimmte Personengruppe ist."
Die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Marianne Burkert-Eulitz, sieht in dem Spiel ebenfalls eine Gefahr, "weil Kinder natürlich eine gewisse Distanz, die sie Fremden gegenüber haben sollten, verlieren". Auch die Evangelische Kirche und die Diakonie lehnen den Einsatz der Spielmethode nun ab, weil es zu Grenzüberschreitungen im Umgang mit Nähe und Distanz kommen könne.
Evangelische Kirche: Spiel wird nicht mehr angewandt
Hintergrund ist ein Bericht der ARD-Sendung "Kontraste" vom vergangenen Donnerstag. Darin hatten Eltern zweier evangelischen Kitas berichtet, dass ihre Kinder im Zusammenhang mit "Original Play" sexuelle Gewalt erlebt hätten. Beim vom US-Amerikaner Fred Donaldson entwickelten Pädagogikkonzept rangeln und raufen die Kinder mit fremden Erwachsenen, es kommt zu engem Körperkontakt. 2018 soll es dann in einer der Kitas in Berlin-Kreuzberg zu sexuellen Übergriffen gekommen sein.
Die Berliner Landeskirche erklärt daraufhin, die Kita in Kreuzberg habe 2014 die Spielmethode in ihr pädagogisches Konzept aufgenommen. Der evangelische Träger habe erst zum 1. Januar 2017 die Kita übernommen. Er habe dann entschieden, dass das Spiel ab Mai 2018 nicht mehr gespielt wurde. Es werde zudem in keiner Kindertagesstätte dieses Kita-Verbandes gespielt.
Klare Kante bezieht auch die Evangelisch-Lutherische Landeskirche und Diakonie Sachsen: "In Dresden wird Original Play an keiner evangelischen oder diakonischen Kindertagesstätte eingesetzt." "Wir warnen dringend davor, die 'Methode' Original Play einzusetzen. Original Play ist ein dubioses Geschäftsmodell, in dem Erwachsene (zum Teil fremde Personen) mit Kindern körperlich nahe spielen - ein pädagogisches Konzept, das in Kindertagesstätten nichts zu suchen hat, weil es zu Übergriffigkeiten und sexuellem Missbrauch geradezu einlädt" heißt es in einer Erklärung. Recherchen von Kontraste ergaben, dass in Dresden ein Verein "Original Play" angeboten hatte, der in zwischen Internetauftritte und eine Website gelöscht hat.