- Rechtsextremismus-Verdacht gegen Anti-Terror-Ermittler der Berliner Polizei
Ein Beamter soll in einer SMS an seinen Vorgesetzten Codeformel für Nazi-Gruß „Heil Hitler!“ genutzt haben. Beide Staatsschützer arbeiteten für das Kommissariat, das für den Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri zuständig war.
Ein Anti-Terror-Ermittler der Berliner Polizei steht im Verdacht, mit seinem Dienstvorgesetzten im Szene-Jargon von Rechtspopulisten und Neonazis kommuniziert zu haben. Laut einem polizeiinternen Vermerk, der dem ARD-Magazin Kontraste, dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) und der Berliner Morgenpost vorliegt, forderte der Beamte aus dem Staatsschutz im Berliner Landeskriminalamt (LKA) in einer SMS an seinen Vorgesetzten ,,sich von „Merkel & Co und ihren scheiß Gut-Menschen“ fernzuhalten. In einer weiteren SMS nutzte er als Abschiedsgruß die Ziffernkombination „88“. Sie steht für den achten Buchstaben im Alphabet und wird im Jargon von Neonazis als Code für die verbotene Nazi-Grußformel „Heil Hitler!“ genutzt.
Nur milde Konsequenzen
Laut polizeiinternem Vermerk datieren die SMS vom 31. Dezember 2016 und vom 20. Januar 2017. Die Nachrichten mit der Formulierung „scheiß Gut-Menschen“ und der Grußformel „88“ seien jeweils vom Handy des Polizeioberkommissars verschickt worden. Die Formulierungen entsprächen „dem gebräuchlichen Tenor rechtsextremistischer Gesinnung“, so die Einschätzung in dem Polizei-Vermerk. Der Empfänger der SMS, ein Kriminalhauptkommissar, habe die rechtsextremen Parolen „nicht kritisch hinterfragt“. Als vorgesetzte Dienstkraft wäre er gemäß einer polizeilichen Dienstvorschrift dazu aber verpflichtet gewesen, heißt es.
Die Berliner Polizei bestätigte die Recherchen. Gegen die Beamten seien bereits im Juni 2017 Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Der Polizeioberkommissar, der die „88“ als Abschiedsgruß genutzt hatte, habe einen „Verweis“ erhalten. Das Verfahren gegen den Kriminalhauptkommissar sei noch nicht abgeschlossen. Es gebe „umfangreiche Ermittlungen“, teilte ein Sprecher der Polizei mit. Diese stünden aber nicht mit dem Sachverhalt in Verbindung. Einer der Beamten sei inzwischen in einer anderen Abteilung des LKA tätig, der andere sei noch im Staatsschutz beschäftigt.
Abteilung war auch für Überwachung von Amri zuständig
Die Dienststelle des Landeskriminalamtes, in der die beiden Beamten zum Zeitpunkt des SMS-Austauschs tätig waren, war für die Überwachung des späteren Breitscheidplatz-Attentäters Anis Amri zuständig . Der Kriminalhauptkommissar war dort stellvertretender Kommissariatsleiter und wurde zuvor im Herbst 2016 zum Leiter eines weiteren Anti-Terror-Kommissariats befördert.
Die in Rede stehende SMS-Unterhaltung wurde im Zuge von Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft entdeckt. Die Staatsanwälte hatten gegen den Kriminalhauptkommissar und einen weiteren mit dem Fall Amri betrauten Beamten im Mai 2017 ein Verfahren wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt und der Fälschung beweiserheblicher Daten eingeleitet. Den Staatsschützern war vorgeworfen worden, einen Vermerk über Amris Drogengeschäfte im Nachhinein manipuliert zu haben, um ihre vorherige Untätigkeit bei den Ermittlungen zu kaschieren. Das Verfahren wurde im April dieses Jahres eingestellt, weil kein Vorsatz belegt werden konnte. Die Staatsanwaltschaft machte aber deutlich, dass der Verdacht der Aktenmanipulation nicht ausgeräumt werden konnte.
Politiker fordern härtere Konsequenzen
Bei ihren Ermittlungen hatte die Staatsanwaltschaft das Handy des Kriminalhauptkommissars beschlagnahmt. Bei der Auswertung entdeckten die Ermittler dabei die im Jargon von Rechtsextremisten gehaltenen SMS. Gegen den Kriminalhauptkommissar und den Polizeioberkommissar wurden daraufhin die Disziplinarverfahren eingeleitet. Gegen den Absender der Nachrichten, den Polizeioberkommissar wurde ein Verweis erteilt. Dabei handelt es sich um die schwächste Sanktion im Disziplinarrecht.
Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linke) kritisiert das Vorgehen der Berliner Polizeiführung. Sowohl der Absender der SMS wie sein Vorgesetzter hätten nach diesen Vorgängen „im Polizeidienst nichts mehr verloren“. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic, kündigte an, den Fall im Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Aufklärung der Umstände des Breitscheidplatz-Anschlags aufarbeiten zu wollen. Es sei „hochproblematisch“, wenn „Beamte mit einer offenbar rechtsextremen Einstellung“ in einer Dienststelle tätig seien, die für die Verfolgung von politisch motivierten Straftaten zuständig ist, sagte Mihalic. Der innenpolitische Sprecher der Berliner FDP, Marcel Luthe, kritisierte den erteilten „Verweis“ als zu milde. Ein Beamter, der sich so verhalte, sei „weder für den Staatsschutz geeignet noch für die Berliner Polizei, weil er ganz offensichtlich weder die Treue zum Rechtsstaat noch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung“ habe, sagte Luthe.