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Reich, reicher, am reichsten: Die 27 katholischen Bistümer der Republik verfügen über ein Milliarden schweres Vermögen. Doch offenbar sind Immobilien, Stiftungen, Erbschaften, Wertpapiere im Vermögenshaushalt des Domkapitels und des Bischöflichen Stuhls kaum kontrollierbar. Wie hoch die tatsächlichen Besitztümer wirklich in den Schattenhaushalten sind, das wissen nur Eingeweihte und die Bischöfe selbst. In einer Umfrage an alle 27 Bistümer erhielt Kontraste nur unzureichende Antworten, knapp die Hälfte wollte oder konnte ihre Vermögensverhältnisse nicht offenlegen.
In gewisser Weise könnte man Bischof Tebartz-van-Elst dankbar sein: Seit er mit seinem luxuriösen Amtssitz für öffentliche Empörung sorgte, ahnt man zumindest, WIE reich die katholische Kirche offenbar wirklich ist. Doch als wir es genauer wissen wollten, stießen wir bei den Bistümern der Katholischen Kirche auf äußerst wenig Bereitschaft zur Offenheit, trotz des öffentlichen Drucks. Das Kreuz mit den Milliarden: Lisa Wandt, Jo Goll und Torsten Mandalka berichten.
Stolz präsentiert Rottenburgs Bischof Gebhard Fürst sein neues Verwaltungsgebäude. Doch diese zwei Männer sind nicht gekommen um zu feiern. Sie wurden als Kinder in katholischen Heimen von Geistlichen missbraucht. Jetzt demonstrieren sie gegen die spärliche Entschädigung. Der schicke Neubau war dem Bischof fast 40 Millionen Euro wert, doch für Wolfgang Ott, Paul Nägele und ihre Leidensgenossen gab es nur je 5000 Euro.
Schauspiel
„Wir sind missbraucht worden Herr Fürst. Gedenken sie an die Opfer. Mit 5.000 Euro Entschädigung, wenn 40 Millionen dürfte es nicht schlecht sein wenn sie uns auch noch ein bisschen mehr abgeben und ein Gedenken der Leute geben."
Gebhard Fürst
Bischof, Bistum Rottenburg-Stuttgart
„Wir haben jetzt miteinander gesprochen. Ich bin auch dann noch mal bereit, dass wir nachher noch einmal miteinander reden. Ich darf Sie jetzt bitten, dass wir mit dem Festtag weiter machen."
Das versprochene Gespräch findet zwar statt - ernst genommen fühlt sich Ott aber nicht. Der Bischof mit einem Rechtfertigungsversuch:
Gebhard Fürst
Bischof, Bistum Rottenburg-Stuttgart
„Man kann das glaube ich nicht miteinander vergleichen. Das Eine ist eine Frage, wie wir mit Menschen umgehen, die Schlimmes erfahren haben, und das Andere ist die Frage, wie wir mit unseren Gebäuden hier umgehen."
Oder eine Frage der Prioritätensetzung. Geld jedenfalls ist genug da - sonst gäbe es solche Bauten nicht. Wie reich die Kirche wirklich ist, darüber wollten die Bischöfe bislang aber nicht reden. Wir haben nachgefragt. Bei allen 27 Bistümern. Wie groß ist das Vermögen tatsächlich? Das Ergebnis:
Lediglich 10 machen Angaben über den Bischöflichen Stuhl, quasi ein Vermögenshaushalt der Bischöfe. Von 0 Euro in Berlin bis 271 Millionen in Würzburg reichen die genannten Summen.
12 Bistümer antworten zwar, sagen aber nichts über ihr Vermögen.
5 reagieren überhaupt nicht.
Fazit: Kein einziges Bistum legt sein Vermögen komplett offen.
Die Kirche redet von Millionenbeträgen - Kritiker hingegen sprechen von Milliarden. Woher kommt diese Diskrepanz? Ein großer Teil des Kirchenvermögens steckt in Immobilien.
Wie man sich in diesem Bereich arm rechnen kann, weiß Professor Schwintowski, Wirtschaftsjurist an der Humboldt-Universität Berlin. Die Bistümer geben in ihren Bilanzen einfach einen häufig jahrzehnte alten Buchwert an. Über die konkreten Summen kann der Experte so nur spekulieren.
Prof. Hans-Peter Schwintowski
Wirtschaftsrechtler, Humboldt-Universität zu Berlin
„Also die deutsche Kirche ist wirklich sehr, sehr reich. Nach echten Verkehrswerten ist sie sicherlich das Hundertfache reicher als das was in den Büchern steht."
Was zum Beispiel geben die Bücher des Erzbistums Freiburg her? Hier residiert der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. Von seinem Pressesprecher bekommen wir auf unsere Umfrage keine Angabe zum Vermögen. Er verweist uns auf die Webseite, wo es heißt, Zitat:
„Das Vermögen des Erzbischöflichen Stuhls ist vergleichsweise klein."
Wir gehen dem nach und stellen vor Ort fest, dass der Bischöfliche Stuhl über einen beträchtlichen Immobilienbestand verfügt. Allein dieser Wohnblock von Mitte der 90er Jahre hat 36 Wohnungen.
Außerdem im Vermögen: Wohn- und Geschäftshäuser in bester Lage, mehrere hundert Wohnungen, Studentenwohnheime. Und das in der Stadt mit den bundesweit höchsten Mietpreisen.
Dass dem Erzbistum dieses Vermögen gehört, wissen die wenigsten, geschweige denn was es wert ist. Nicht einmal Annette Bernards - obwohl sie die Finanzen des Bistums kontrollieren soll.
KONTRASTE
„Wenn Sie über die 300 Wohnungen z.B, über die Einnahmen noch nicht Bescheid wissen, dann fehlt doch was?"
Prof. Annette Bernards
Präsidentin Kirchensteuerparlament, Erzbistum Freiburg
„Richtig, da gebe ich Ihnen recht. Da fehlt was. Ich gehe mal nur davon aus, dass bisher wie gesagt für bestimmte, für die Dinge, die im Haushalt drin stehen und für die Bedürfnisse, die wir mit Kirchensteuermitteln finanzieren, hat das keine Rolle gespielt. Ich werde nachfragen wofür das Geld verwendet worden ist."
Über das Immobilienvermögen herrscht also auch intern allgemeine Unwissenheit. Dabei liegen doch gerade hier die geheimen Geldquellen der Kirche - in vielerlei Hinsicht, wie der Wirtschaftsrechtler weiß:
Prof. Hans-Peter Schwintowski
Wirtschaftsrechtler, Humboldt-Universität zu Berlin
„Also zum einen können Sie natürlich ein Grundstück immer auch verkaufen. Und wenn Sie es vermietet haben, bekommen Sie übrigens jeden Monat auch Mieteinnahmen. Aber Sie können damit auch zu einer Bank gehen und sagen, ich habe hier eine Immobilie, gib mir doch einen entsprechenden Kredit und die Bank wird sich freuen, wenn Sie einen so schönen Kredit vergeben kann der eine so gute Sicherheit hat. Also Geld ist das allemal wert."
Neben dem Bistumsvermögen und dem Bischöflichen Stuhl - das haben wir aus unserer Umfrage gelernt - existieren in vielen Diözesen weitere Kassen. Mit diesem Geld beteiligen sich die Bistümer an Stiftungen, Unternehmen, Verlagen und Immobiliengesellschaften.
Wie zum Beispiel an der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft. Sechs Bistümer sind an dieser GmbH beteiligt. Unter anderem gehören ihnen tausende von Wohnungen. Aktueller Wert nach Schätzungen von Experten: rund eine Milliarde Euro. Fast zehn Prozent davon gehören dem Bistum Essen. Ein dreistelliger Millionenbetrag. Doch unsere Frage nach ihrem Immobilienvermögen beantwortet der Pressesprecher nicht.
Warum? Hat die Kirche ein schlechtes Gewissen?
Prof. Hans-Peter Schwintowski
Wirtschaftsrechtler, Humboldt-Universität zu Berlin
„Ich glaube es ist auch wichtig, dass man in einer Kirche den Gläubigen gegenüber zeigt, dass man selbst so ähnlich arm ist wie sie auch. Dass man nicht etwa das Geld was man von ihnen als Kirchensteuer bekommt einfach mal so verprasst, sondern umgekehrt selbst auch den Gürtel eng schnallen muss."
Berlin musste sich nicht arm rechnen, denn hier stand das Bistum 2003 schon einmal kurz vor der Pleite. Für den Kirchenfunktionär Hans-Jürgen van Schewick ist Transparenz heute unabdingbar.
Hans-Jürgen van Schewick
Vermögensverwaltungsrat, Erzbistum Berlin
„Wenn die Kirche überleben will, muss sie die Gläubigen einbeziehen und dazu gehört auch, dass ich ihnen sage, was im Topf drin ist und was nicht drin ist."
Rückblick: Nach der Wende gerät das Bistum Berlin in finanzielle Nöte. Nicht Verschwendungssucht, sondern die Belastungen durch die Doppelstrukturen Ost-West führen zu einem millionenschweren Schuldenberg. Jahrelang greifen auch die Gremien nicht ein.
Hans-Jürgen van Schewick
Vermögensverwaltungsrat, Erzbistum Berlin
„Offenkundig war damals eher so das Verständnis, ja der Bischöfliche Stuhl ist praktisch der Bischof und da kann der machen was er will."
Am Ende holte sich Berlin ein paar Wirtschaftsprüfer ins Haus. Heute befindet sich das gesamte Vermögen in einem Topf und wird von einem einzigen Kontrollgremium überwacht. Und der aktuelle Bischof Woelki darf keinen Cent der Kirche mehr ausgeben, bevor die Prüfer zugestimmt haben.
Einer von ihnen ist Hans-Jürgen van Schewick. Selbst wenn die Berliner Kirchenführung zum Vermögen noch schweigt - er wünscht sich die Offenlegung.
Hans-Jürgen van Schewick
Vermögensverwaltungsrat, Erzbistum Berlin
„Der Aufwand wäre für uns minimal, weil wir für den internen Gebrauch die Zahlen sowieso haben."
Veröffentlichung der Zahlen - soweit ist man in Rottenburg offenbar noch nicht einmal gedanklich. Unsere Anfrage war dem dortigen Bistum keine Antwort wert. Jedenfalls mangelt es nicht an Geld - zumindest für einen schicken Neubau samt Imagevideo.
Aber Geld, dass offenbar für eine Entschädigung von tausenden Missbrauchsopfern fehlt.
Beitrag von Lisa Wandt, Jo Goll und Torsten Mandalka