Original Play -
Das Training soll helfen, Aggressionen von Kindern abzubauen. Original Play heißt das Geschäftsmodell eines dubiosen, international tätigen Vereins. Während Eltern nicht ahnen, was in der Kita passiert, dürfen wildfremde Männer mit ihren Kindern „spielen“. Eltern in Berlin und Hamburg zeigten Missbrauchsfälle und sogar Vergewaltigungen an.
Anmoderation 1: Ein Kind spielt mit einem erwachsenen Mann...
Es wird gekabbelt, gestreichelt, gedrückt. Doch die beiden sind nicht verwandt, sie kennen sich vielleicht auch überhaupt nicht. Es ist ein organisierter Spieletreff, in Kindereinrichtungen bei uns und weltweit - und oft: Ohne Wissen der Eltern.
Anmoderation 2: Original Play - ursprüngliches Spielen heißt das. Wer eine Kursgebühr bezahlt, kann einfach so rein zu den Kindern. Gemeinsam mit dem ORF zeigen wir erstmals und exklusiv wie gefährlich einfach es damit Pädokriminellen gemacht wird, an Kinder ranzukommen. Gabi Probst.
Vater B.,Berlin
"Als ich auf den Fotos gesehen habe, wie viele wild fremde Menschen mit unseren Kindern gespielt haben, da wurde mir richtig übel. Übel, Wut und auch Ohnmacht, was das passiert ist."
In einigen Fällen soll das Spiel zu Missbrauch und Vergewaltigung geführt haben. Das bestätigt auch ein anderer Vater.
Vater A., Berlin
"Unser Sohn hat uns im Kontext mit diesem Original Play sehr ausdrückliche, ja, sexuelle und gewalttätige Dinge berichtet und auch vorgespielt. Wir sprechen nicht nur über schweren sexuellen Missbrauch, Vergewaltigungen, sondern auch über Gewalt, Demütigung, Sadismus. Und für uns schien es relativ schnell so, als wenn dass das Ganze ein System hat."
Ein harter Vorwurf.
Sein Kind geht in eine evangelische Kita in Berlin-Kreuzberg. Zum Schutz aller Beteiligten bleiben sie anonym. Die Therapeutin seines Sohnes glaubt ihm. Auch weitere betroffene Kinder leiden wie sein fünfjähriges Kind, meint sie.
Dagmar Eckers, Trauma-Therapeutin Berlin
"Es hat Verhaltensauffälligkeiten, es hat Albträume, es hat Angst, es wird wütend, es ist leicht verletzlich bei bestimmten Auslösern. Das kann ein Kind nicht selbst produzieren, wofür auch."
Die Kita-Leitung verkauft den Eltern "Original Play" als Pädagogisches Konzept. Was dahinter steckt, erfährt der Vater erst später.
Vater A., Berlin
"Es gab mal die Information, dass der Begründer dieses Spiels, ein Amerikaner, in die Kita kommen sollte und es hieß, er wird auch einen Vortrag in dem Zusammenhang halten. Was wir aber nicht wussten: es kamen dann mindestens neun fremde Erwachsene, die wir nie zuvor gesehen hatten."
Dafür hätte sie niemand um Erlaubnis gefragt.
Der Erfinder von Original Play ist ein 76jähriger Amerikaner, Fred O. Donaldson. Einer, der sich gern als ehemaliger Universitätsprofessor vorstellt, aber nie einer war. Geografie studierte er. Er spricht vom "Ursprünglichen Spiel" gegen kindliche Aggressionen, auf einer esotherischen Ebene.
Fred O. Donaldson, Erfinder "Original Play"
"The idea of original play is my attempt to translate into words what children and animals demonstrate without language.”
Übersetzung: Die Idee des Originalspiels ist mein Versuch, in Worte zu übersetzen, was Kinder und Tiere ohne Sprache demonstrieren."
Voraussetzung für das Spiel – so steht es auf der Internetseite - sind in der Regel zweitägige Workshops mit Donaldson, für die sich jedermann anmelden kann. Kosten pro Teilnehmer: 200-250 Euro. Nach den Workshops werden von seinen sogenannten Lehrlingen die Mattenspiele für die Fremden in Kindereinrichtungen organisiert, Lehrlinge, die vorher von Donaldson ausgebildet und ermächtigt werden. Und es läuft weltweit so – auf mehreren Kontinenten, z.B. in Deutschland, Österreich oder wie hier in einem Camp in Südafrika.
In Deutschland wird "Original Play” vorrangig in München, Regensburg, Dresden, Berlin und Hamburg gespielt, meist in kirchlichen Kitas oder Gemeinden.
Huber Die Trauma-Therapeutin, Michaela Huber berät unter anderem das Bundeskriminalamt. Sie und ein Kollege aus Österreich beschäftigten sich für uns mit der Methode und Donaldsons Buch zum Spiel:
Michaela Huber, Traumatherapeutin Göttingen
"Für mich, in meinen Augen, ist das eine Einladung zur Übergriffigkeit gegenüber Kindern."
Karl-Heinz Brisch, Kinderpsychiater, Medizinische Privatuniversität Salzburg
"Es ist mir zum Teil wirklich Gänsehaut über den Rücken gelaufen, weil es gibt eine ganze Reihe von Textpassagen, die lesen sich wie eine Anleitung für Pädophilie."
Zurück nach Berlin. Hier gibt es Original Play seit 2014 und hier geraten neben den Fremden auch Erzieher in den Missbrauchsverdacht, die mit den Kindern spielen. "Pferdchenspiel" sagen die Kinder. Über die vielen Verletzungen, auch im Intimbereich bis hin zum Armbruch sorgen sich die Eltern. Die Erzieher wiegeln ab, sagen sie. Doch erst als die Eltern ihre Kinder aus der Einrichtung nehmen, nennen diese Details.
Vater S
" … dass sie auch von der Erzieherin irgendwo anders hingebracht worden ist. Da haben sie dann mit anderem erwachsenen Männern gespielt und das hat sie nicht gemocht. Die anderen Kinder, die mitgekommen sind, auch nicht. Ein anderes Mal hat meine Tochter mir auch gezeigt, wie der Haupterzieher, der Leiter von der Kita die Nase in ihren Po gesteckt hat und das er das auch bei anderen Kindern gemacht hat."
Eltern stellen Strafanzeige wegen schweren sexuellen Missbrauch an mindesten fünf Kindern, andere nicht - aus Angst oder Scham. Statt ihnen zu helfen, werden sie durch die Kita ausgegrenzt - sagen sie - andere Eltern gegen sie aufgebracht.
Vater A., Berlin
"Man hat uns einfach schlicht nicht geglaubt, sowohl seitens der Kirche nicht, seitens der Kitaaufsicht und des Trägers nicht. Die wollen es nicht wahrhaben, so jedenfalls mein Eindruck."
Doch die Berliner Staatsanwaltschaft beschäftigt sich nicht mit dem System Original Play. Als die Beschuldigten längst über die Vorwürfe informiert sind, schaut sie sich den Kita-Computer an, private Rechner nicht. Nach sechs Monaten: Fall erledigt. Sie hält die Vorwürfe für unglaubwürdig. Deshalb befragt sie die Kinder nicht.
Martin Steltner, Staatsanwaltschaft Berlin
"Ich kann jetzt nicht zu einzelnen Details mich äußern. Das will ich auch nicht tun. Jedenfalls sind wir diesen Hinweisen nachgegangen, haben das sehr ernst genommen und im Ergebnis sind die Ermittlungsverfahren eingestellt worden."
Darauf beruft sich die evangelische Kirche. Mit einem eigenen Gottesdienst verabschiedet sie die Beschuldigten Erzieher. Einige arbeiten seither in anderen evangelischen Kitas.
Ulrike Trautwein, Generalsuperintendentin, Evangelische Kirche
"Sie wollten einen Neuanfang und sie das Alte, hm… Man muss sich immer gut verabschieden, um auch gut neu anfangen zu können."
Auf Original Play und die Fremden angesprochen, räumt sie Verständnis für die Sorgen der Eltern ein. Aber: wie wir auf einem Workshop selbst testen, werden von Teilnehmern niemals Personalien, kein Polizeiliches Führungszeugnis geprüft, nur das Geld genommen, obwohl in Kitas gesetzlich vorgeschrieben.
Ulrike Trautwein, Generalsuperintendentin, Evangelische Kirche
"Ich würde heute immer ein polizeiliches Führungszeugnis verlangen. – War es ein Fehler? – Das könnte man sagen. Aber weil immer Menschen dabei waren. – War das ein Fehler? - Den Kindern ist nichts passiert. – Das sagen sie, die Eltern sehen es anders."
Hamburg. Auch hier wiegelt die Leitung einer evangelischen Kita ab.
Jede Woche wird hier Original Play gespielt mit einem Lehrling, der auch in Berlin tätig ist - bis heute übrigens. Und er soll nicht nur auf der Matte mit ihrer dreijährigen Tochter, – "gespielt" haben, sagt eine Mutter.
Mutter, Hamburg
"Anfangs war es immer so, wenn ich meine Tochter aus der
Kita geholt habe, hat sie gesagt, der Po tut weh oder der Intimbereich, dass sie da einen
Dorn drin hätte. Sie wollte nicht mehr zur Kita gehen, hat morgens geweint. Sie hätte
Ängste. Letztes Jahr im Juni, kam sie dann und hat aus heiterem Himmel gesagt, dass dieser Mann, der dieses Original Play anbietet, ihr den Penis in den Po gesteckt hat."
Vor einer Ärztin wiederholt sie das.
Doch nicht bei der Polizei – aus therapeutischen Gründen. Deshalb stellt die Staatsanwaltschaft vorläufig ein. Demnächst wird sie aussagen.
Ist Original Play, so wie es Experten vermuten, eine Einladung für Leute, die Kinder missbrauchen wollen?
Fred O.Donaldson, Erfinder "Original Play"
"No, not more than parenting is."
"Nein, nicht mehr als Eltern kuscheln."
Nur die Behörden in Hamburg und Bayern verurteilen inzwischen klar Original Play.
Zitat (E-Mail):
"Das sogenannte Original Play hat in Kindertagesstätten nichts zu suchen…weil es dem Missbrauch Tür und Tor öffnet."
Und so reist Fred 0. Donaldson mit seinen Lehrlingen weiter durch die Welt, hält Vorträge, macht Workshops. Sein Spiel sei keine Einladung zum Missbrauch, sagt er. Von den konkreten Vorwürfen will er nichts gewusst haben und greift die Experten an.
Fred O. Donaldson
"(Lachen) Tell me the name oft he Expert. And did you investigate them? Did you ask them how many years they spend playing Original Play. Did you do that? Yes or no”
(Sagen Sie mir die Namen der Experten! Haben Sie sie gefragt, wie viele Jahre verbracht haben, mit Original zu spielen? (Wird wütend) Haben Sie? Ja oder nein?"
Nein, denn sie würden es nicht spielen, sondern verbieten!
Nächsten Monat wird das Spiel wieder in den Räumen einer Kirchengemeinde in Berlin stattfinden.
Beitrag von Gabi Probst