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Die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan benötigen dringend Kampfhubschrauber, die ihnen im Kampf gegen die Taliban helfen. Diese Hubschrauber namens „Tiger“ wurden vor 25 Jahren in Auftrag gegeben. Doch bislang fliegen nur Testmodelle. Aber: Auch wenn die „Tiger“ demnächst ausgeliefert werden, sind sie sind für den Einsatz nicht tauglich.
Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan: gestern wurde wieder ein Konvoi mit deutschen Soldaten aus dem Hinterhalt beschossen. Längst befindet sich die Bundeswehr in einem Kampfeinsatz, auch wenn die Politik noch so tut, als wären es Ausnahmesituationen. Den Entschluss der Bundesregierung, den Einsatz in Afghanistan zu verlängern, kann man für richtig halten oder nicht, aber eines ist klar: Wenn man unsere Soldaten in einen Kampf schickt, dann muss man sie auch entsprechend militärisch ausrüsten, um Opfer zu vermeiden. Doch genau hier fehlt der politische Wille und die Weitsicht. Caroline Walter und Alexander Kobylinski über verfehlte Rüstungspolitik auf Kosten der Soldaten.
Trauerfeier für die in Afghanistan getöteten Soldaten. Sie kamen bei einem Kampfeinsatz ums Leben. In Deutschland betont der Verteidigungsminister immer, der Schutz der Soldaten habe oberste Priorität.
Doch was die Bundeswehr im Einsatz dringend bräuchte, hat sie nicht. Gravierendstes Beispiel: Es gibt keine eigenen Kampfhubschrauber in Afghanistan – um die Patrouillen aus der Luft vor Angriffen der Taliban schützen zu können.
Wie wichtig solche Kampfhubschrauber sind, zeigt dieses Einsatzvideo der Verbündeten. Noch bevor diese Taliban die Patrouille aus dem Hinterhalt angreifen können, werden sie von dem Hubschrauber entdeckt und aus der Luft bekämpft. So verhindert der Kampfhubschrauber, dass die Soldaten am Boden in tödliche Gefahr geraten.
Diesen Schutz aus der Luft könnten deutsche Soldaten in solch lebensgefährlichen Situationen gut gebrauchen. Doch die Bundeswehr hat hier ein Riesendefizit. Das weiß Elke Hoff von Soldaten aus Afghanistan. Sie ist Mitglied im Verteidigungsausschuss und war gerade erst auf Truppenbesuch in Kunduz.
Elke Hoff (FDP), Mitglied Verteidigungsausschuss Bundestag
„Im Moment ist es so, dass unsere Patrouillen in bedrängten Situationen nur mit Unterstützung aus der Luft von unseren alliierten Verbündeten überhaupt wieder die Möglichkeit haben, heil zurück ins Camp zu kommen. Und ich halte es für nicht hinnehmbar, dass die Bundeswehr nicht in der Lage ist, die eigenen Soldaten zu schützen und dass wir ständig darauf angewiesen sind, dass andere für uns in die Bresche springen.“
Wenn überhaupt Hilfe von anderen kommt, dauert es oft viel zu lang.
Theoretisch hätte die Bundeswehr ja diesen Kampfhubschrauber namens Tiger. Den gibt es aber nur als Testversion. Dabei wurde der Tiger bereits vor langer Zeit in Auftrag gegeben: vor 25 Jahren. Doch ein einsatzfähiges Modell hat die Truppe bis heute nicht.
Und wenn der deutsche Tiger endlich kommt, dann aber in einer Version, die man bei Auslandseinsätzen wie in Afghanistan nicht gebrauchen kann. Davor haben Wehrtechnikexperten wie Stefan Nitschke schon lange gewarnt.
Stefan Nitschke, Wehrtechnikexperte
„Die Bundeswehr erhält einen Kampfhubschrauber, der für das Szenario des Kalten Krieges, nämlich für die Bekämpfung von großen Panzerverbänden aus dem Osten optimiert worden ist. Dies ist nicht mehr zeitgemäß. Seit dem Ende des Kalten Krieges haben sich andere Gefahrenlagen entwickelt im Einsatzland. Hierfür ist der Tiger ungeeignet.“
Das Verteidigungsministerium hat stur an alten Entscheidungen festgehalten - statt den Hubschrauber an neue Aufgaben anzupassen.
Der Bundesrechnungshof hat das mehrfach kritisiert. Erst vor ein paar Monaten forderte er eine komplette Überprüfung des Rüstungsprojekts. Der Tiger allein koste schon 3,6 Mrd. Euro. Der Rechnungshof bemängelt, Zitat:
„Das Rüstungsvorhaben UH-Tiger ist beispielhaft für eine lange Projektrealisierungszeit mit einem hohen Risiko technischer Veralterung vor der Auslieferung.“
Dabei hätte der deutsche Verteidigungsminister handeln können. Das zeigt Frankreich. Das Land hat den Kampfhubschrauber Tiger damals gemeinsam mit Deutschland bestellt, aber frühzeitig auf eine andere Variante umgerüstet. Ihr Hubschrauber ist jetzt an die Lage in Afghanistan angepasst und einsatzfähig. Schon in diesem Sommer schicken die Franzosen den Tiger nach Afghanistan – zum Schutz ihrer Soldaten.
Minister Jung dagegen fehlt der Sinn für die Einsatzrealität.
KONTRASTE
„Warum gibt es eigentlich immer noch keinen einsatzfähigen Hubschrauber, der zum Beispiel Patrouillen, die in Afghanistan unterwegs sind, schützen könnte? Stichwort: Tiger.“
Franz-Josef Jung (CDU), Verteidigungsminister
„Zunächst einmal will ich Ihnen folgendes sagen. Unsere Soldaten und Soldatinnen sind für den Einsatz in Afghanistan gut ausgebildet und sind auch gut ausgerüstet. Ich habe dafür gesorgt, dass geschützte Fahrzeuge in Afghanistan sind.“
KONTRASTE
„Warum gibt es den Tiger nicht, das war eigentlich die Frage?“
Franz-Josef Jung (CDU), Verteidigungsminister
„Den Tiger haben wir bestellt. Der Tiger hat eine Zeitverzögerung in der Lieferung. Das ist zurzeit unser Problem. Er läuft jetzt langsam zu. Ich hätte mir gewünscht, das hätten wir früher erreichen können.“
KONTRASTE
„Soldaten sagen, er ist falsch bewaffnet, er ist ausgerüstet für Kalten Krieg?“
Franz-Josef Jung (CDU), Verteidigungsminister
„Nein, nein …“
Nicht wahrhaben will der Minister, dass die Bewaffnung des Tigers ein Griff in die Mottenkiste ist. Denn der Kampfhubschrauber bekommt eine spezielle Rakete, kurz PARS 3 LR. Der Haken: auch sie kann niemand gebrauchen. Sie wurde entwickelt, um Panzer in die Luft zu jagen. Für Afghanistan keine geeignete Waffe. Die Rakete ist ein Relikt des Kalten Krieges.
Trotzdem hat Jung nach seinem Amtsantritt die Verträge unterschrieben.
Im Haushaltsausschuss des Bundestages sitzt Alexander Bonde. Seit Jahren kritisiert er unsinnige Rüstungsprojekte wie die Tiger-Rakete PARS 3.
Alexander Bonde (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied Haushaltsausschuss Bundestag
„PARS 3 ist teuer, passt nicht auf das, was man heute braucht. Deshalb sind alle anderen Nationen ausgestiegen und das macht deutlich, um was es ging. Eigentlich ist PARS 3 keine Bewaffnung, sondern eine milliardenschwere Rüstungssubvention für deutsche Industrieinteressen.“
Steuergelder für Industrieinteressen: Aus diesem vertraulichen Dokument des Verteidigungsministeriums geht hervor, mit PARS sollten ursprünglich 150 Arbeitsplätze erhalten werden. Gebaut wird eine Rakete, die außer den Deutschen niemand kaufen will.
Auf Anfrage von KONTRASTE teilt das Ministerium mit: die Gesamtkosten für den Tiger zusammen mit der Bewaffnung belaufen sich auf ganze 5,7 Milliarden Euro.
Das Rüstungsprojekt ist symptomatisch für Fehlentscheidungen.
Alexander Bonde (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied Haushaltsausschuss Bundestag
„Verteidigungsminister Jung glänzt eigentlich dadurch, dass er im gesamten Rüstungsbereich keinerlei Anpassungen vorgenommen hat, sondern er exekutiert Verträge, schützt die Interessen von Firmen. Das alles gegen das Interesse der Bundeswehr, gegen das Interesse der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Sein einziges Interesse ist die deutsche Wehrindustrie. Und das hat mit seiner Aufgabenstellung, die Bundeswehr so auszulegen, dass sie in den für sie heute anstehenden Einsätzen gut ausgerüstet ist, nichts zu tun.“
Vier verlorene Jahre, in denen Jung kein Umsteuern in der Rüstung hinbekommen hat. Die Soldaten müssen weiter mit fehlendem Schutz aus der Luft zurechtkommen. Das kann sie das Leben kosten, wenn sie in einen Hinterhalt geraten und kein Verbündeter zur Stelle ist.
Beitrag von Caroline Walter und Alexander Kobylinski