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Der Untersuchungsausschuss des Bundestages soll Licht in die Affäre um das Bombardement von Kundus mit bis zu 142 Toten bringen. Doch Verteidigungsminister zu Guttenberg rückt Akten nur stückweise heraus. Inzwischen beschweren sich alle Fraktionen im Ausschuss über diese Salamitaktik.
Wer eine Sache richtig beurteilen will, der braucht dazu handfeste Informationen. Auch der Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestages braucht handfestes material. Und erst recht, wenn es um die Aufklärung des folgenreichsten Einsatzes der Bundeswehr in ihrer Geschichte geht. Im afghanischen Kundus waren beim Bombardement zweier Tanklastzüge offenbar bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden. Der Ausschuss wirft nun aber dem Bundesverteidigungsministerium vor, wichtige Akten nur schleppend heraus zu rücken. Komisch: Verteidigungsminister zu Guttenberg haben wir da doch noch ganz anders im Ohr!? Caroline Walter und Alexander Kobylinski haben nachgeforscht.
Karl-Theodor zu Guttenberg (CDU), Bundesminister der Verteidigung
„Ich habe im Zusammenhang mit dem Vorfall von Kunduz, aber im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Mandat generell, dem Parlament größtmögliche Offenheit und Transparenz zugesagt.“
„Ich werde alles, was ich habe, dazu beitragen und alles, was mir an Unterlagen gegeben ist, dazu beitragen, damit dieser Untersuchungsausschuss auch zu anständigen Ergebnissen kommt.“
„Mir geht es darum, dass alle Informationen dem Untersuchungsausschuss über diese Nacht zur Verfügung gestellt werden.“
Was hat er nicht alles versprochen. Schnell und vollständig sollte der folgenschwere Luftangriff von Kunduz – mit vielen zivilen Opfern – aufgeklärt werden. Wer hat welchen Befehl gegeben und wer hat die Öffentlichkeit und das deutsche Parlament falsch informiert.
Genau das soll der Untersuchungsausschuss herausfinden – wenn er denn
alle Akten zu dem Vorfall endlich hätte. Aber das Verteidigungsministerium lässt sich viel Zeit mit der Herausgabe von Unterlagen. Ausschussmitglieder wie Rainer Arnold sind verärgert.
Rainer Arnold (SPD), Mitglied Untersuchungsausschuss
„So langsam drängt sich der Verdacht auf, dass ganz bewusst langsam gearbeitet wird, damit wir eben vor der Zeugenbefragung nicht den kompletten Akteneinblick haben.“
Über die Hälfte der Unterlagen fehlen. Bereits Mitte Dezember stellte der Untersuchungsausschuss seine Beweisanträge und forderte alle Akten vom Verteidigungsministerium an. KONTRASTE liegt ein internes Schreiben vor, das zeigt: Erst zweieinhalb Monate später, Ende Februar, erteilt das Ministerium überhaupt eine Weisung, wichtige Anträge des Ausschusses zu bearbeiten.
Jetzt erst soll das Einsatzführungskommando in Potsdam Dokumente beschaffen, auch aus Afghanistan. Das kann dauern, denn im Moment wird gerade mal das Team für diesen Auftrag zusammengestellt.
Wir zeigen Rainer Arnold das Schreiben.
Rainer Arnold (SPD), Mitglied Untersuchungsausschuss
„Wenn ich hier sehe, dass diese Weisung erst am 23. Februar ergangen ist, muss ich schon sagen, das ist eine grobe Missachtung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses.“
Und es wird noch mehr verschleppt: Minister Guttenberg scheint auch an der Aufklärung der Vorgänge im Ministerium selbst wenig Interesse zu haben.
Rainer Arnold (SPD), Mitglied Untersuchungsausschuss
„Es fehlen sämtliche Akten aus dem Büro des Ministers. Das gilt sowohl für die Arbeit des ehemaligen Verteidigungsministers als auch des aktuellen und diese Akten wären natürlich dringend, weil genau an dieser Stelle müssen wir ja untersuchen: Hat Politik Einfluss genommen auf eine fehlerhafte und unzureichende Information des Parlamentes?“
Nächste Woche sollen Ex-Generalinspekteur Schneiderhahn und der ehemalige Staatssekretär Wichert als Zeugen vernommen werden, beide hatte Guttenberg entlassen. Jetzt muss geklärt werden: Was wusste der Minister wirklich? Und: Hat er die Wahrheit gesagt? Doch auch dazu fehlen Akten, zum Beispiel der Brief von General Schneiderhahn an den Minister. Auf das Papier wartet der Ausschuss bis heute, dabei müsste es der Minister nur aus dem Schrank holen.
Wenn Akten eintreffen, dann meist viel zu spät. Und das hat Folgen für die Arbeit des Ausschusses.
Rainer Arnold (SPD), Mitglied Untersuchungsausschuss
„Es ist sicherlich ein Teil einer Strategie, Sand in das Getriebe der Ermittlungen zu streuen und auf der einen oder anderen Stelle auch auf Zeit zu spielen und darauf zu setzen, dass wir bei einer knappen Zeit zur Vorbereitung der Sitzung vielleicht nicht alle Details gleich erkennen.“
Auch Ausschussmitglied Tom Koenigs kritisiert die Verzögerungstaktik. Auf die Frage, warum viele Akten nicht kommen, kam aus dem Ministerium bisher nichts Konkretes.
Tom Koenigs (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied Untersuchungsausschuss
„Das begründen sie gar nicht. Da sagen sie: ‚Ja, alles schwierig.’ Und das, was ganz am Anfang der Verteidigungsminister im Bundestag gesagt hat: ‚Ich habe Interesse an einer maximalen Transparenz.’, das hat sich nicht umgesetzt.“
Auf KONTRASTE-Anfrage heißt es nun aus dem Ministerium, man müsse bei vielen Dokumenten eine Einzelfallprüfung machen - ob man sie herausgibt, Teile schwärzt oder ganz geheim lässt.
Zügige Aufklärung sieht anders aus. Anscheinend gilt beim Verteidigungsminister doch eine andere Devise:
Karl-Theodor zu Guttenberg (CDU), Bundesminister der Verteidigung
„In einem so entscheidenden Fall in der Geschichte der Bundeswehr, da meine Damen und Herren, hat der Bundesminister sich schon noch selbst das Recht herauszunehmen, zu entscheiden, was wesentlich und was unwesentlich ist.“
Was wesentlich und was unwesentlich ist, will der Minister selbst entscheiden. Na, prima. Dann dürfen wir gespannt sein, was wir dann von ihm vor dem Untersuchungsausschuss demnächst zu hören bekommen.
Beitrag von Caroline Walter und Alexander Kobylinski