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Nur kurz nach der Verabschiedung des Bundeshaushaltes 2014 bewilligt Bundesverkehrsminister Dobrindt nachträglich fast 30 neue Verkehrsprojekte am Parlament vorbei. Für Straßenneubauten im Wert von mehr als 1,6 Mrd. Euro soll noch in diesem Jahr der Spatenstich erfolgen. Wen wundert's, dass besonders Bayern davon profitiert. Was den Minister wohl dazu bewogen hat, KONTRASTE fragte vor Ort nach.
Riesige Schlaglöcher, marode Brücken, kaputtes Pflaster, - dringend müssen Deutschlands Straßen saniert werden. Doch dafür fehlt das Geld. Deshalb hatte sich die Koalition eigentlich auf das Prinzip "Erhalt geht vor Neubau" verständigt. Doch Verkehrsminister Alexander Dobrindt scheint sich an den Koalitionsvertrag nicht ernsthaft gebunden zu fühlen. Eigenmächtig hat er jetzt Gelder für Neubauprojekte im Straßenverkehr bewilligt. Nach welchen Kriterien das geschehen ist - das haben sich auch Ursel Sieber und Markus Pohl gefragt.
Glückliches Bayern! Jahrzehntelang haben sie in der Gemeinde Oberau gestöhnt unter dem Durchgangsverkehr in die Alpen. Und jetzt plötzlich die frohe Kunde aus Berlin: Eine Ortsumfahrung wird gebaut!
Peter Imminger (CSU)
Bürgermeister Oberau
„Dass endlich einer da ist, der das macht, da kann ich nur den Hut ziehen. Warum der Alexander Dobrindt das jetzt so schnell gemacht hat, das weiß ich nicht.“
Der Alexander Dobrindt ist auch aus Bayern und Bundesverkehrsminister. Und im Juli traf er eine einsame Entscheidung, von der viele nicht wissen, warum er das gemacht hat. Am Parlament vorbei gab Dobrindt Geld für Oberau und 26 andere Straßenbauprojekte frei. Gesamtvolumen: mehr als 1,7 Milliarden Euro.
Auffällig ist: Mit sieben Neubau-Vorhaben ist Dobrindts Heimatland dabei besonders gut weggekommen. Der CSU-Minister versichert: Sämtliche Vorhaben habe er rein fachlich ausgewählt.
Alexander Dobrindt (CSU)
Bundesverkehrsminister
„Diese Straßen sind prioritär gelistet und es besteht ne hohe Dringlichkeit, da können sie sich in jedem Einzelfall vor Ort danach erkundigen.“
Und dass so viele in Bayern sind, ist Zufall?
Alexander Dobrindt (CSU)
Bundesverkehrsminister
„Wir haben eine Verteilung der Mittel über die ganze Bundesrepublik an notwendigen Maßnahmen gemacht.“
Fakt aber ist: Mehr als ein Viertel des Geldes fließt in den Freistaat. 165 Millionen Euro allein nach Oberau. Bürgermeister Peter Imminger findet das nur gerecht.
Peter Imminger (CSU)
Bürgermeister Oberau
„Ja, Gott sei Dank! Sollen wir weiter zuschauen, wie andere Bundesländer im Verkehrshaushalt bevorzugt werden, und wir in Bayern schauen zu?!“
Damit ist jetzt Schluss! Im Osten des Freistaats bekommt das Örtchen Neubäu mit seinen 900 Einwohnern eine dreispurige Umgehungsstraße – so wie es die CSU den Anwohnern versprochen hatte.
Der Bundestagsabgeordnete Karl Holmeier von der CSU hat hier seinen Wahlkreis. Er ist übrigens Mitglied im Verkehrsausschuss.
KONTRASTE
„Man könnte ja schon denken, das ist auch ein Geschenk von Herrn Dobrindt an die CSU, an einen CSU-Abgeordneten?“
Karl Holmeier (CSU)
Bundestagsabgeordneter
„In keinster Weise. Das sind Unterstellungen. Das sind Unterstellungen. Die Maßnahme wurde genehmigt, weil sie notwendig ist!“
Doch genau das ist umstritten. Zwar ist vor allem der Schwerlastverkehr für Neubäu eine Plage. Doch Ortschaften mit störendem Durchgangsverkehr gibt es Tausende in Deutschland. Für den Verkehrsplaner Wulf Hahn ist unverständlich, warum ausgerechnet die Oberpfälzer nun eine Umfahrung bekommen. Er hat ein Gutachten für einen Anwohner verfasst, der gegen die neue Straße klagt.
Wulf Hahn
Verkehrsplaner
„Die Verkehrsbelastung für die Ortsumgehung Neubäu wird ja vom Freistaat mit 6800 Fahrzeugen angegeben. Dafür baut man normalerweise nirgends eine Ortsumgehung.“
Denn die Mittel für neue Straßen sind begrenzt. Schon jetzt stapeln sich beim Bund 1.800 Anträge für Straßenbau-Vorhaben. Um das knappe Geld möglichst sinnvoll einzusetzen, sollten 2015 alle Projekte nach objektiven Kriterien neu bewertet werden: Sind sie wirtschaftlich, umweltverträglich und alternativlos?
Bei den Vorhaben, die Dobrindt schon jetzt eigenmächtig bewilligt hat, ist er nun dieser Überprüfung zuvorgekommen. Die Haushaltspolitikern Bettina Hagedorn vom Koalitionspartner SPD fühlt sich vom Minister hinters Licht geführt.
Bettina Hagedorn (SPD)
Bundestagsabgeordnete
„Ich gehe schon davon aus, dass er selbst Projekte jetzt noch befördern wollte, bei denen er glauben musste, dass sie den strengen Prüfkriterien des Bundesverkehrswegeplans nicht standhalten. Und damit hat er das quasi als eine letzte Möglichkeit gesehen, Projekte, die ihm oder Fraktionskollegen von ihm besonders am Herzen lagen, aufs Gleis zu schieben.“
Tatsächlich hat Dobrindt auch außerhalb Bayerns vielen einflussreichen Unionspolitikern eine Freude gemacht. Geld für neue Straßen gibt es in den Wahlkreisen von Norbert Barthle, dem Chef-Haushälter der Union, von Kanzleramtsminister Peter Altmeier, von Maria Flachsbarth, Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium, und von Katharina Reiche, Dobrindts Staatssekretärin im Verkehrsministerium.
Und zu guter Letzt hat der Bundesverkehrsminister Dobrindt auch dem Abgeordneten Dobrindt einen Gefallen getan.
Die Ortsumfahrung Oberau liegt nämlich mitten in Dobrindts Bundestagswahlkreis.
Der Bürgermeister von Oberau freut sich noch immer über die nette SMS, die ihm der Alexander aus Berlin geschickt hat.
Alexander Dobrindt (CSU)
Bundesverkehrsminister
„Ich werde morgen die Baufreigabe für die Ortsumfahrung Oberau machen. Alles wie besprochen. Du zahlst das Fest.“
KONTRASTE
„Punkt?“
Alexander Dobrindt (CSU)
Bundesverkehrsminister
„Punkt.“
Beitrag von Ursel Sieber und Markus Pohl