Brave Bürger machen mit Rechtsextremen gemeinsam Wahlkampf -
Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg sind für die Zukunft der AfD entscheidend. Dabei schrecken auch gutbürgerliche Nationalkonservative in Baden-Württemberg vor rechtsextremen AfDlern im Osten nicht zurück. Mehr noch, sie machen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus nicht nur„salonfähig", sondern bedienen sich ihrer auch.
Anmoderation: Noch knapp zwei Monate bis zum Super-Wahltag: Am 13. März wird in gleich drei Bundesländern gewählt: Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz. Die AfD ist in Hochstimmung, in Baden-Württemberg kommt sie nach jüngsten Umfragen aus dem Stand auf sagenhafte 11 Prozent. Das versetzt nicht nur Grüne und SPD in Erregung, die dort zur Zeit die Regierung stellen. Auch viele besorgte Wähler fragen sich, welche politischen Ziele die rechts-konservative Partei wirklich verfolgt, die sich im Westen als gutbürgerlich darstellt. Alles nur zum Schein? Chris Humbs, Markus Pohl und Olaf Sundermayer haben hinter die Kulissen geschaut.
Schorndorf im Herzen Baden-Württembergs. Landtagswahlkampf der Alternative für Deutschland. Der Saal ist voll, die Stimmung könnte unaufgeregter nicht sein. Es geht um das Thema „Direkte Demokratie“. Ein Professor doziert. Das Publikum – gediegen bis gut-bürgerlich.
O-TON Umfrage
"Wenn die Alt-Parteien versagen, ne, dann braucht man einen Ersatz."
"Sobald man die Missstände in diesem Land aufzeigt, dann wird man sofort als Rechtsradikaler, als Neonazi dargestellt, und das ist finde ich ungeheuerlich, ich find das arg schlimm."
"Wenn ich mich dann hier umschaue, sind das ganz normale Bürger. So wie ich, so wie du."
Dumpfe Parolen sind hier nicht zu hören. Auch der örtliche Kreisvorsitzende der AfD verhält sich politisch korrekt. Verheiratet ist er mit einer Türkin, das betont er.
O-TON Ralf Özkara, Kreisvorsitzender Rems-Murr-Kreis, AfD
"Wir leben nicht in einem Land, wo Menschen diffamiert werden sollten. Oder wo Menschen in eine Ecke gestellt werden sollten, weil sie eine andere Nationalität oder eine andere Religion haben. Das gehört hier nicht her, und das gehört auch nicht in die AfD, meiner Meinung nach."
Nachfrage Reporter:
"Sind sie sich sicher, dass Sie in der AfD richtig sind mit dieser Haltung?
Antwort
"Ich bin mir hundert Prozent sicher, weil ich vorher bei der CDU war. Ich bin mir sehr sicher, dass ich mit der Haltung hier richtig bin. Ja."
Die AfD in Sachsen-Anhalt. Auch hier ist Wahlkampf, die Partei will in den Landtag einziehen.
Die Demonstrationen der AfD, wie hier in Merseburg, sind von Pegida-Aufmärschen nicht zu unterscheiden. Unter den Teilnehmern: auffallend viele Rechtsradikale, die keinen Hehl aus ihrer Einstellung machen.
Die 88 auf dem Pullover dieser Frau: ein Neonazi-Code für „Heil Hitler“.
O-TÖNE Umfrage
"Wir lieben unser Land! Genau, wer unser Land nicht mag, der soll sich einfach nur… Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen."
"Deutschland den Deutschen, Ausländer raus! Ohne jede Diskussion! Und die Merkelsche Politik, die ist völlig fehl am Platz."
Stargast des Abends: Björn Höcke, trotz rassistischer Äußerungen noch immer AfD- Landeschef in Thüringen.
„Höcke, Höcke!“
Er träumt bereits von Größerem.
O-TON Björn Höcke, Landesvorsitzender AfD Thüringen
"Wir sind heute zusammengekommen, um den Deutschland-Abschaffern die rote Karte zu zeigen. Und wenn ihr das wollt, liebe Merseburger, liebe Landsleute, wenn ihr das wollt, dann wird aus dieser neuen Volkspartei die zukünftige Kanzlerpartei."
Treu an Höckes Seite: André Poggenburg, Landeschef in Sachsen-Anhalt und sogar im Bundesvorstand der AfD. Auch er zählt zum rechten Rand der Partei. Auf Facebook beschwörte Poggenburgs Landesverband zu Weihnachten die Verantwortung für die „Volksgemeinschaft“ – ein Kern-Begriff der NS-Ideologie. Poggenburg provoziert. Im Gespräch mit Kontraste relativiert er ganz nebenbei die Welle rechter Gewalt gegen Flüchtlingsunterkünfte.
O-TON André Poggenburg, Spitzenkandidat AfD Sachsen-Anhalt
"Man weiß auch nicht, ob nicht der eine oder andere Brandanschlag dann doch von der anderen Seite inszeniert wurde, um Misskredit zu erzeugen. Es gibt sicherlich solche und solche Fälle, es gibt die Fälle, wo das tatsächlich passiert ist, wo Brandanschläge passiert sind, und sicherlich gibt es auch Fälle, wo es vielleicht inszeniert wurde."
Inszenierte Anschläge auf Flüchtlingsheime? Wir haben nachgefragt: Bei der Polizei in Sachsen-Anhalt ist kein einziger Fall bekannt.
Reporter:
„Wenn Sie sagen, inszenierte Brandanschläge, haben Sie da irgendein Beispiel, irgendeinen Beleg?“
O-TON André Poggenburg, Spitzenkandidat AfD Sachsen-Anhalt
"Ähm, ich habe es auch nur den Medienberichten entnommen, dass quasi gemutmaßt wurde, ja, ist das denn so, wurde das von rechts, war´s ein Brandanschlag, war´s keiner. Ich habe jetzt, kann jetzt keinen einzelnen Punkt dazu nennen."
Die Umfragen sehen die AfD in Sachsen-Anhalt bei 15% - aus dem Stand. Das wäre ein riesiger Erfolg.
In Baden-Württemberg will die AfD „Partei der Mitte“ sein. Man liegt bei 11%. Was hält man hier von den Tönen aus dem Osten?
O-TON Ralf Özkara, AfD
"Ich bin nicht vor Ort, wenn ein Herr Höcke irgendwas sagt oder
wenn ein Herr Poggenburg irgendwas sagt. Das ist alles nicht mein
Thema."
Wirklich nicht? Wer genauer hinsieht, stellt fest: Auch im Südwesten ist die AfD längst nicht so harmlos, wie sie scheint.
Da ist zum Beispiel Dubravko Mandic: Er bezeichnete US-Präsident Obama wiederholt als „Quotenneger“. Bis heute sitzt Mandic in Baden-Württemberg im Schiedsgericht der AfD.
Oder: der Mann mit der Fliege, Heinrich Fiechtner aus Stuttgart. Er setzte den Koran mit „Mein Kampf“ gleich. Trotzdem stellt die AfD ihn als Kandidaten für den Landtag auf.
Eng an Fiechtners Seite: Markus Frohnmaier, ebenfalls Landtagskandidat und im Vorstand der Afd in Baden-Württemberg. Ein Scharfmacher.
O-TON Markus Frohnmaier, Mitglied im Landesvorstand AfD Baden-Württemberg
"Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet! Dann wird wieder Politik für das Volk, und zwar nur für das Volk gemacht. Denn wir sind das Volk, liebe Freunde!"
Angesichts der Silvesternacht in Köln sprach Frohnmaier auf Facebook von „Massenvergewaltigungen“ durch „kulturfremde Scheinflüchtlinge“ und postete diese Fotomontage mit Claudia Roth, der Bundestagsvizepräsidentin.
O-TON Markus Frohnmaier, Bundesvorsitzender Junge Alternative
"Wer immer wieder mantrahaft wiederholt, dass Multikulti funktioniert und glaubt, das ist nur die sorgenfreie Wahl zwischen Ente süß-sauer und Falafel, der ist schuld, was an diesem Abend passiert ist. Meiner Meinung nach haben Leute wie Claudia Roth hier mittelbar mitvergewaltigt."
Reporter:
"Claudia Roth hat mittelbar mitvergewaltigt?"
Antwort
"Nicht im juristischen Sinne, aber im übertragenen Sinne."
Sätze, die den Liberalen in der Südwest-AfD nicht gefallen dürften. Aber auf die Wählerstimmen von ganz rechts-außen will man offenbar auch nicht verzichten.
Reporter:
"Ich nenn jetzt als ein Beispiel den Herrn Frohnmaier, der ja auch sehr scharf argumentiert. Also, haben Sie da intern Konflikte oder sagen Sie, das sammeln wir alles gerne ein, auch was wir mit solchen Tönen gewinnen können?"
O-TON Ralf Özkara, Kreisvorsitzender Rems-Murr-Kreis, AfD
"Die Frage werde ich nicht beantworten.“ – "Warum nicht?" – "Ich werde sie nicht beantworten."
Auch der Spitzenkandidat im Ländle, Wirtschaftsprofessor Jörg Meuthen, scheut die Abgrenzung von den Radikalen. Dabei gilt der Vize-Chef der Bundespartei als moderates Aushängeschild der AfD.
O-TON Prof. Jörg Meuthen, Spitzenkandidat AfD Baden-Württemberg
"Wir sind ja, wenn sie so wollen, auch ne Graswurzelbewegung. Wir sind keine glattgeschliffenen Politprofis und dann geht mal der eine oder andere Satz raus von Leuten, die bis jetzt noch nie politisch gearbeitet haben, den man so wirklich nicht machen sollte. Und dann muss man sich mal genauer anschauen, was steckt dahinter. Ist das ne wirklich tiefe Überzeugung oder ist da ne Formulierung danebengegangen. Das sind Unterschiede."
Nachfrage Reporter:
"Und Sie haben eher das Gefühl, es geht hier um Formulierungen und nicht um Gesinnungen?"
Antwort:
„Ja. Ja, definitiv.“
Alles nur Formulierungsschwierigkeiten. Und so machen sie weiter gemeinsame Sache: die Biedermänner – und die Brandstifter von der AfD.
„Wir wollen keine Asylantenheime…!"
Beitrag von Chris Humbs, Markus Pohl und Olaf Sundermeyer