Politik für eine fremdenfeindliche Minderheit -
Völkische Parolen und unverhohlene Islamfeindschaft – so geht die AfD in Berlin auf Stimmenfang. Nach dem Wahlerfolg in Mecklenburg-Vorpommern winkt der Partei auch in der Hauptstadt ein zweistelliges Ergebnis. Studien zeigen: Unter den AfD-Wählern sind rassistische und rechtsextreme Einstellungsmuster weit verbreitet. Statt das klar zu benennen, sprechen etablierte Politiker lieber von Ängsten und Sorgen, die es ernst zu nehmen gelte.
Anmoderation: Jetzt haben sie alle kalte Füsse! Über 20 Prozent für die AfD bei den letzten Wahlen - und auf einmal zeigen die etablierten Parteien Verständnis für die AfD-Wähler. SPD, CDU, Linke, alle wollen jetzt die vermeintlichen "Ängste der Bürger" ernst nehmen, die "Verunsicherung" aufgreifen, die die Menschen umtreibt. Ja Himmel nochmal: Warum traut sich denn kaum noch ein Politiker, klar und deutlich zu sagen, was die AfD wirklich ist? Lisa Wandt und Markus Pohl berichten.
Berlin-Steglitz, Straßenwahlkampf der AfD. Kandidat Andreas Wild hat gute Chancen, am Sonntag ins Abgeordnetenhaus einzuziehen. Sein Thema: der Untergang der Nation.
Andreas Wild (AfD)
"Deutschland verliert seine Souveränität, Deutschland verliert sein Volk. Wenn wir die deutsche Bevölkerung ausdünnen, dadurch dass wir muslimische Zuwanderer zu uns lassen in unbegrenzter Zahl, dann wird es das deutsche Volk irgendwann nicht mehr geben."
Der angeblich drohende "Volkstod" treibt hier längst nicht jeden um. Immer wieder gibt es Proteste. Aber auch im gutbürgerlichen Steglitz finden die Parolen gegen Zuwanderung und Muslime ihr Publikum.
VoxPop
"Mohammed hat eine Neunjährige zur Frau genommen. Und nach unserem Gesetz, unserem Recht ist das Kinderschändung, und das muss man so klar benennen! Wir werden überrannt, die Alten sterben weg, und die Jungen kommen aus dem Ausland."
Andreas Wild (AfD)
"Für die Afd im Abgeordnetenhaus. Können Sie nicht lesen?"
Für Flüchtlinge, die es bereits nach Deutschland geschafft haben, hat AfD-Kandidat Wild einen Plan: Er will sie in dünn besiedelten Gebieten in bewachte Lager stecken.
Andreas Wild (AfD)
"Naja, ich meine, die ganze Welt spricht von Lagern, von Camps, da gibt’s halt kein anderes deutsches Wort für… Sie sollen auch nicht leiden, aber Sie sollen nicht integriert werden, und ihnen soll auch gar nicht der Weg in die deutsche Gesellschaft geebnet werden, weil das nicht das Ziel ist. Unser Ziel ist die Rückführung."
Flüchtlinge raus, Deutschland den Deutschen. Für den Historiker Wolfgang Benz ist die AfD schon längst auf dem Weg zu einer rechtradikalen Partei.
Prof. Wolfgang Benz, Historiker
"Diese Überfremdungsrhetorik ist purer Rassismus. Wer gegen Muslime hetzt, der ist auch in der Lage, das liegt ganz nah beieinander, auch Juden raus zu brüllen, oder gegen andere kulturelle, ethnische, religiöse Minderheiten zu hetzen."
Mit ihrer enthemmten Rhetorik spricht die Partei auch ein entsprechendes Wählerklientel an. Dem Satz: "Der Nationalsozialismus hatte auch seine guten Seiten" stimmen laut Umfragen 36 Prozent aller AfD-Anhänger zu. "Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland mit starker Hand regiert", sagen 30 Prozent.
Fremdenfeindliche Einstellungen sind in der AfD weit verbreitet, auch wenn das nicht jeder wahrhaben will.
VoxPop AfD-Sympathisant
"Ich bin doch nicht fremdenfeindlich. Es geht um die Überflutung mit Hunderttausenden von Muslimen, die hier nicht hergehören!" –"Aber das ist doch fremdenfeindlich?" – "Das ist doch nicht fremdenfeindlich, na hören sie mal!" – "Was ist es denn dann?" – "Das ist nicht unsere Kultur. Was wollen die hier? Ich will die gar nicht hier haben!"
Nach den jüngsten Erfolgen der AfD aber war in Medien und Politik von Rassismus selten die Rede. Stattdessen: viel Verständnis für AfD-Wähler.
Peter Tauber (CDU), Generalsekretär
"Es gibt Menschen, die haben Angst, das Gefühl abgehängt zu sein, und machen sich große Sorgen."
Erwin Sellering (SPD), Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommern
"Es geht um die Flüchtlingskrise, die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, die die Menschen sehr stark verunsichert."
Sahra Wagenknecht (Die Linke), Fraktionsvorsitzende im Bundestag
"Da wo Überforderung ist, entsteht Angst und entsteht Abwehr. Und so ist der Boden bereitet worden für die AfD."
Prof. Wolfgang Benz, Historiker
"Ja, man will ja diejenigen, die man für sich gewinnen will, nicht erschrecken. Und einen Rassisten kann man in den Reihen einer anständigen Partei nicht gebrauchen. Einen verängstigten Bürger kann man abholen und ans Herz drücken, deshalb sind das angeblich keine Rassisten, sondern nur Verängstigte."
Zur rhetorischen Vereinnahmung kommt die inhaltliche Anbiederung. Der Ruf der Unions-Innenminister nach einem Verschleierungs-Verbot – eine Kopie des Anti-Islam-Populismus der AfD.
Die CSU, ganz vorne dabei, will am liebsten nur noch Zuwanderer aus dem christlichen Abendland.
Andreas Scheuer (CSU), Generalsekretär
"Am besten zu uns passen Menschen, die natürlich auch vertraut sind mit unseren christlichen Traditionen und unserer Kultur."
So hechelt man der AfD hinterher. Die Partei wirbt schon länger gezielt um die Stimmen christlicher Zuwanderer – wie hier vor einem deutsch-polnischen Gottesdienst in Berlin. Gemeinsames Feindbild: der Islam.
AfD-Anhänger
"Die wollen doch uns Christen vernichten, eigentlich ist das das Ziel."
"Muslime stoppen. Und sie sollen auswandern zu Fuß, nach Oman zum Beispiel. Oman ist größer als Deutschland, hat nur drei Millionen Bewohner, da passen mindestens zehn Millionen Flüchtlinge."
Dass jetzt auch die CSU Christen gegen Muslime ausspielt, ist für Ruprecht Polenz ein Unding. Das CDU-Urgestein kritisiert die Forderung, Zuwanderer nach Religion zu sortieren.
Ruprecht Polenz (CDU), ehem. Generalsekretär
"Ich halts für völlig falsch, es ist verfassungswidrig, es ist der AfD nach dem Mund geredet, und es führt ins Unheil.
Polenz setzt auf scharfe Abgrenzung zur AfD. Ungewöhnlich offen für einen Unions-Politiker kritisiert er deren Wähler.
Ruprecht Polenz (CDU), ehem. Generalsekretär
"Ich mache keine Wählerbeschimpfung, und ich gebe auch niemanden auf. Aber ich mach darauf aufmerksam, die AfD ist eine rechtsradikale Partei, und diese rechtsradikale Partei verachte ich. Und wer diese Partei wählt, der muss wissen, dass die Partei auch auf ihn abfärbt, und dann trifft meine Verachtung auch solche Leute."
Auch wenn sich die AfD gern als Stimme des Volkes inszeniert: Selbst in ihren Hochburgen vertritt sie nach wie vor nur eine Minderheit der Wähler. Darauf weist der Soziologe Harald Welzer hin. Die beste Antwort auf die Parolen der AfD sei es, die liberale, offene Gesellschaft zu stärken.
Prof. Harald Welzer, Soziologe, Initiative Offene Gesellschaft
"Insofern halte ich es für total verhängnisvoll, dass die CSU und die SPD und Teile der CDU tatsächlich den Quatsch glauben, dass hier Mehrheitsmeinungen artikuliert würden, die sie selber auch mit in ihre Aufmerksamkeit ziehen müssten und dann in den Wahlkampf mit reintragen. Wenn sie das machen, dann gewinnt die AfD viel, viel mehr als sie aus eigener Kraft könnte."
Letzte Umfragen sehen die AfD in Berlin bei 15 Prozent. Nicht viel für eine selbsternannte Stimme des Volkes.
Beitrag von Lisa Wandt und Markus Pohl