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"Ich habe der Stasi niemals Informationen geliefert.", diese Erklärung Gregor Gysis musste KONTRASTE vor einigen Jahren senden.
Gregor Gysi und der lange Schatten der Stasi- man mag es gar nicht mehr hören. Doch jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen ihn wegen des Verdachts einer falschen Eidesstattlichen Versicherung. Ein schwerer Vorwurf. Seit Jahren wehrt sich Gysi mit allen juristischen Mitteln gegen Behauptungen, er habe zu DDR-Zeiten wissentlich und willentlich der Stasi Bericht erstattet. Auch uns hatte er juristisch im Visier. Er habe der Stasi niemals Informationen geliefert, gab er uns zu Protokoll. Doch neue Dokumente stellen genau das infrage. Chris Humbs und Markus Pohl.
Gregor Gysi, Rechtsanwalt in der DDR, ein Auserwählter des Regimes. Nur besonders Privilegierte wie Gysi
durften sogenannte „Staatsfeinde" vor Gericht vertreten. Einer seiner Mandanten: der Autor Lutz Rathenow, heute Beauftragter für die Stasiunterlagen in Sachsen,
Lutz Rathenow
ehem. Mandant von Gregor Gysi
„Also Gregor Gysi hat schon an Sachen mitgemacht, wo ich dann eher von der dunklen Seite der Macht sprechen würde, wenn ich diese Metapher gebrauchen möchte."
Die Inhalte einer Unterhaltung zwischen Gysi und Rathenow landeten bei der Stasi. In diesem Gespräch wirft Gysi seinem eigenen Mandanten Verstöße gegen die Gesetze der DDR vor. Für die Stasi eine brisante Information, die sie zur Verfolgung von Rathenow hätte nutzen können.
Lutz Rathenow
ehem. Mandant von Gregor Gysi
„Gregor Gysi bestätigt ja eigentlich, dass ich nicht immer im Rahmen der Gesetze arbeite, das ist natürlich nicht in meinem Interesse, das bestätigt zu bekommen."
Laut Rathenow kommt kein anderer als Informant der Stasi in Frage als Gysi. Der aber bestreitet das kategorisch.
Historiker sind überzeugt: Rechtsanwälte wie Gysi, hier bei der Beerdigung seines Mandanten Rudolf Bahro, waren in der DDR ein Teil des Unterdrückungssystems.
Letztlich hatten die Rechtsanwälte den Staat und die Einheitspartei zu verteidigen - vor den Oppositionellen.
Jochen Staadt, Politikwissenschaftler und SED-Experte, betont: Die Anwälte sollten lediglich den Anschein wahren, es gehe rechtsstaatlich zu.
Jochen Staadt
Politikwissenschaftler, Freie Universität Berlin
„Der Rechtsanwalt der DDR war Teil der Ausübung des sozialistischen Rechts. Darüber hat soweit ich weiß Herr Gysi auch promoviert. Das heißt die Spielräume die ein Rechtsanwalt bei Auslegung des sozialistischen Rechts hatte, die waren bemessen an dem was das sozialistische Recht als Ziel hatte. Und das Ziel war die Aufrechterhaltung der Herrschaft der SED, als der führenden Partei."
Hauptverantwortlich für diese Aufgabe war die Stasi - auserlesene Rechtsanwälte wurden dabei als Gehilfen genutzt. Gysi aber behauptet, bei ihm sei alles anders gewesen, obwohl zahlreiche Indizien in den Akten für eine Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit sprechen.
KONTRASTE berichtete darüber bereits 2001. Gysi widersprach damals schriftlich:
„Ich habe der Stasi niemals Informationen geliefert."
Per Gerichtsbeschluss zwang Gysi Kontraste, seine Gegendarstellung zu senden:
KONTRASTE vom 04.10.2001
„Ich habe der Stasi niemals Informationen geliefert. Berlin, den 25. Juni 2001, Dr. Gregor Gysi."
Dem widersprechen aber Dokumente der Staatssicherheit, die erst seit kurzem bekannt sind.
Gregor Gysi berichtet darin Stasi-Offizieren über ein Gespräch mit dem Spiegel-Korrespondenten Ulrich Schwarz. Der Journalist führte Anfang 1989 ein Interview mit Gysi in Ost-Berlin.
Ulrich Schwarz
ehem. Korrespondent in der DDR
„Unsereiner wusste ja von der Stasi nicht viel, aber dass sie existierte und dass sie heftig arbeitete, gerade an den West-Korrespondenten, das war mir klar. Insofern habe ich es für selbstverständlich gehalten, dass er mit der Stasi über dieses Interview gesprochen hatte. Irritierend ist nur, wie er später damit umgegangen ist, dass er von da an immer behauptet hat, nein, ich hatte keinen Kontakt mit der Stasi."
Auch in diesem Fall lässt Gysi über seinen Sprecher einen Stasi-Kontakt zunächst abstreiten, Zitat:
„Herr Gysi hat weder das … Interview mit dem Spiegel noch andere Interviews mit MfS-Offizieren besprochen und ausgewertet."
Auch gegen die Ankündigung dieses NDR-Films über seine mutmaßliche Stasi-Tätigkeit ging Gysi gerichtlich vor: An Eides Statt versicherte er, der Stasi nie über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich und willentlich berichtet zu haben.
Die jüngsten Aktenfunde aber sprechen eine andere Sprache. Gysi „äußerte", „schätzt ein", „berichtete" der Stasi.
Die Staatsanwaltschaft in Hamburg ermittelt nun wegen des Verdachtes falscher eidesstattlicher Versicherung gegen ihn. Und schon rudert Gysi zurück. Er lässt seinen Sprecher erklären, bei dem Dementi zum Spiegel-Gespräch habe es sich um einen „Irrtum" gehandelt. Gysi hat also doch der Stasi berichtet.
Eine Kehrtwende, die Fragen aufwirft. Nimmt Gysi jetzt auch seine Gegendarstellung zum KONTRASTE-Beitrag zurück? Wir bitten um eine Einordnung - er weicht aus:
KONTRASTE
„Schauen Sie, Sie haben hier geschrieben: Ich habe der Stasi niemals Informationen geliefert. Gegendarstellung damals gegenüber KONTRASTE. Versuchen Sie es doch einmal einzuordnen, ist das ein Versehen gewesen?"
Gregor Gysi
„Sie kriegen eine Antwort. Okay?"
Und tatsächlich: Sein Sprecher schreibt uns, Gysi habe lediglich ein „Dienstgespräch" mit dem Stasi-Offizier Berger geführt. Und weiter, Zitat:
„Heute ist Herr Gysi nicht mehr in der Lage, im Einzelnen einzuschätzen, worüber er mit Herrn Berger sprach."
Gysis Austausch mit dem Offizier - aus seiner Sicht kein Bericht an die Stasi, sondern nur ein dienstliches Gespräch unter Genossen.
Doch für die Betroffenen ist nicht entscheidend wie, sondern dass er Informationen geliefert hat.
Ulrich Schwarz
ehem. Korrespondent in der DDR
„Er muss lügen, er muss leugnen, weil sonst das ganze Gebäude in sich zusammenfällt. Damals hätte er nicht, er hätte 1990 sagen können, jawohl, ich habe natürlich mit der Stasi kooperieren müssen, das war für die Mandanten gut und außerdem war ich als Jurist auch Teil des Systems, das hätte er ja alles einräumen können, ohne sich zu beschädigen. Aber in dem er alles so kategorisch abgestritten hat, hat er sich selber festgezurrt, das ist sein Problem."
KONTRASTE vom 4.10.2001
„Ich habe der Stasi niemals Informationen geliefert."
Mit diesem Satz, den KONTRASTE nach gerichtlicher Anordnung senden musste, hat Gysi die Öffentlichkeit in die Irre geführt. Und damit bleibt die Gallionsfigur der Linkspartei in einer gewissen Tradition:
„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten."
Beitrag von Chris Humbs und Markus Pohl
Gregor Gysi, Rechtsanwalt in der DDR, ein Auserwählter des Regimes. Nur besonders Privilegierte wie Gysi
durften sogenannte „Staatsfeinde" vor Gericht vertreten. Einer seiner Mandanten: der Autor Lutz Rathenow, heute Beauftragter für die Stasiunterlagen in Sachsen,
Lutz Rathenow
ehem. Mandant von Gregor Gysi
„Also Gregor Gysi hat schon an Sachen mitgemacht, wo ich dann eher von der dunklen Seite der Macht sprechen würde, wenn ich diese Metapher gebrauchen möchte."
Die Inhalte einer Unterhaltung zwischen Gysi und Rathenow landeten bei der Stasi. In diesem Gespräch wirft Gysi seinem eigenen Mandanten Verstöße gegen die Gesetze der DDR vor. Für die Stasi eine brisante Information, die sie zur Verfolgung von Rathenow hätte nutzen können.
Lutz Rathenow
ehem. Mandant von Gregor Gysi
„Gregor Gysi bestätigt ja eigentlich, dass ich nicht immer im Rahmen der Gesetze arbeite, das ist natürlich nicht in meinem Interesse, das bestätigt zu bekommen."
Laut Rathenow kommt kein anderer als Informant der Stasi in Frage als Gysi. Der aber bestreitet das kategorisch.
Historiker sind überzeugt: Rechtsanwälte wie Gysi, hier bei der Beerdigung seines Mandanten Rudolf Bahro, waren in der DDR ein Teil des Unterdrückungssystems.
Letztlich hatten die Rechtsanwälte den Staat und die Einheitspartei zu verteidigen - vor den Oppositionellen.
Jochen Staadt, Politikwissenschaftler und SED-Experte, betont: Die Anwälte sollten lediglich den Anschein wahren, es gehe rechtsstaatlich zu.
Jochen Staadt
Politikwissenschaftler, Freie Universität Berlin
„Der Rechtsanwalt der DDR war Teil der Ausübung des sozialistischen Rechts. Darüber hat soweit ich weiß Herr Gysi auch promoviert. Das heißt die Spielräume die ein Rechtsanwalt bei Auslegung des sozialistischen Rechts hatte, die waren bemessen an dem was das sozialistische Recht als Ziel hatte. Und das Ziel war die Aufrechterhaltung der Herrschaft der SED, als der führenden Partei."
Hauptverantwortlich für diese Aufgabe war die Stasi - auserlesene Rechtsanwälte wurden dabei als Gehilfen genutzt. Gysi aber behauptet, bei ihm sei alles anders gewesen, obwohl zahlreiche Indizien in den Akten für eine Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit sprechen.
KONTRASTE berichtete darüber bereits 2001. Gysi widersprach damals schriftlich:
„Ich habe der Stasi niemals Informationen geliefert."
Per Gerichtsbeschluss zwang Gysi Kontraste, seine Gegendarstellung zu senden:
KONTRASTE vom 04.10.2001
„Ich habe der Stasi niemals Informationen geliefert. Berlin, den 25. Juni 2001, Dr. Gregor Gysi."
Dem widersprechen aber Dokumente der Staatssicherheit, die erst seit kurzem bekannt sind.
Gregor Gysi berichtet darin Stasi-Offizieren über ein Gespräch mit dem Spiegel-Korrespondenten Ulrich Schwarz. Der Journalist führte Anfang 1989 ein Interview mit Gysi in Ost-Berlin.
Ulrich Schwarz
ehem. Korrespondent in der DDR
„Unsereiner wusste ja von der Stasi nicht viel, aber dass sie existierte und dass sie heftig arbeitete, gerade an den West-Korrespondenten, das war mir klar. Insofern habe ich es für selbstverständlich gehalten, dass er mit der Stasi über dieses Interview gesprochen hatte. Irritierend ist nur, wie er später damit umgegangen ist, dass er von da an immer behauptet hat, nein, ich hatte keinen Kontakt mit der Stasi."
Auch in diesem Fall lässt Gysi über seinen Sprecher einen Stasi-Kontakt zunächst abstreiten, Zitat:
„Herr Gysi hat weder das … Interview mit dem Spiegel noch andere Interviews mit MfS-Offizieren besprochen und ausgewertet."
Auch gegen die Ankündigung dieses NDR-Films über seine mutmaßliche Stasi-Tätigkeit ging Gysi gerichtlich vor: An Eides Statt versicherte er, der Stasi nie über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich und willentlich berichtet zu haben.
Die jüngsten Aktenfunde aber sprechen eine andere Sprache. Gysi „äußerte", „schätzt ein", „berichtete" der Stasi.
Die Staatsanwaltschaft in Hamburg ermittelt nun wegen des Verdachtes falscher eidesstattlicher Versicherung gegen ihn. Und schon rudert Gysi zurück. Er lässt seinen Sprecher erklären, bei dem Dementi zum Spiegel-Gespräch habe es sich um einen „Irrtum" gehandelt. Gysi hat also doch der Stasi berichtet.
Eine Kehrtwende, die Fragen aufwirft. Nimmt Gysi jetzt auch seine Gegendarstellung zum KONTRASTE-Beitrag zurück? Wir bitten um eine Einordnung - er weicht aus:
KONTRASTE
„Schauen Sie, Sie haben hier geschrieben: Ich habe der Stasi niemals Informationen geliefert. Gegendarstellung damals gegenüber KONTRASTE. Versuchen Sie es doch einmal einzuordnen, ist das ein Versehen gewesen?"
Gregor Gysi
„Sie kriegen eine Antwort. Okay?"
Und tatsächlich: Sein Sprecher schreibt uns, Gysi habe lediglich ein „Dienstgespräch" mit dem Stasi-Offizier Berger geführt. Und weiter, Zitat:
„Heute ist Herr Gysi nicht mehr in der Lage, im Einzelnen einzuschätzen, worüber er mit Herrn Berger sprach."
Gysis Austausch mit dem Offizier - aus seiner Sicht kein Bericht an die Stasi, sondern nur ein dienstliches Gespräch unter Genossen.
Doch für die Betroffenen ist nicht entscheidend wie, sondern dass er Informationen geliefert hat.
Ulrich Schwarz
ehem. Korrespondent in der DDR
„Er muss lügen, er muss leugnen, weil sonst das ganze Gebäude in sich zusammenfällt. Damals hätte er nicht, er hätte 1990 sagen können, jawohl, ich habe natürlich mit der Stasi kooperieren müssen, das war für die Mandanten gut und außerdem war ich als Jurist auch Teil des Systems, das hätte er ja alles einräumen können, ohne sich zu beschädigen. Aber in dem er alles so kategorisch abgestritten hat, hat er sich selber festgezurrt, das ist sein Problem."
KONTRASTE vom 4.10.2001
„Ich habe der Stasi niemals Informationen geliefert."
Mit diesem Satz, den KONTRASTE nach gerichtlicher Anordnung senden musste, hat Gysi die Öffentlichkeit in die Irre geführt. Und damit bleibt die Gallionsfigur der Linkspartei in einer gewissen Tradition:
„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten."
Beitrag von Chris Humbs und Markus Pohl