Orteingangsschild (Quelle: rbb)

- Volksverhetzung mit Musik - Neonazi-Treffen in der Provinz

Hass-Musik hat wieder Konjunktur. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit proben rechtsradikale Bands für den großen Auftritt. In Kellern, Hinterhöfe und Garagen auf dem platten Land vertonen Skinheads braune Parolen. Und obwohl sich bei engagierten Bürgern dagegen bereits Widerstand regt, interessiert sich keine Behörde für die Proteste. Eine Momentaufnahme aus Nordhessen und die Frage: Was tun? Roland Jahn über das Comeback der Nazi-Rocker.

Kommen sie nun mit uns nach Kirtorf. Das ist ein malerischer kleiner Ort in Hessen. Die Probleme mit der Arbeitslosigkeit: weit weg.

Aber das Dorf hat ein Problem: Landwirt Köhler gibt gerne Parties. Nicht für die Kirtorfer: für ganz besondere Gäste aus der ganzen Bundesrepublik.

Roland Jahn nimmt Sie mit auf eine Feier. Sie werden jetzt Ihren Augen und Ohren nicht trauen. Sie sollten es.



Kirtorf in Hessen. Im vergangenen Monat. Der idyllische Schein trügt. In einem ehemaligen Schweinestall lassen Neonazis die Sau raus.

Garde 18:
"Wetzt die langen Messer auf dem Bürgersteig, lasst die Messer flutschen in den Judenleib. Blut muss fließen knüppelhageldick und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik. Blut muss fließen knüppelhageldick und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik."

"Lasst die Messer flutschen in den Judenleib." Ein Aufruf zur Gewalt, gesungen von der Skinhead-Band "Garde 18". Rechtsrock auf dem Bauernhof.

Wir treffen Bertram Köhler, den Besitzer des Bauernhofes, auf dem das Konzert stattgefunden hat. Das bekennende NPD-Mitglied will den rechtsradikalen Skins eine Heimstatt geben.

KONTRASTE:
"Und wie finden Sie es, wenn bei Ihnen dann judenfeindliche Lieder gesungen werden?"
Bertram Köhler:
"Ja, das gehört zu dem Skinhead-Sein irgendwo dazu. Das ist halt, wie soll man das jetzt sagen, man kann ja das nicht alles... Ich finde diese Lieder, also manche Lieder find ich echt selber nicht gut. Aber es gehört halt dazu und dann werden sie halt gespielt."

Und auch das Publikum singt kräftig mit:

Garde 18 und Publikum:
"Blut muss fließen knüppelhageldick und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik. Blut muss fließen knüppelhageldick und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik."

KONTRASTE:
"Was halten Sie davon?"
Bertram Köhler:
"Wenn man das ab und zu mal... 'Und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik.' Weil diese Freiheit dieser Judenrepublik, das ist nämlich auch so, das ist halt so, das ist nämlich gar keine richtige Freiheit. Ich war früher sogar mal Mitglied in der DKP. Jeder, der Mitglied in der DKP war, durft' kein Schullehrer werden oder kein Pfarrer werden oder sonst was. Eigentlich ist unsere Demokratie auch ne Diktatur."

So will es Bertram Köhler erlebt haben: Früher politisch links, dann rechts. Wegen einer Hakenkreuz-Fahne auf seinem Grundstück wird er verurteilt. In der Folge verliert er seine Stellung als Kassierer der Kirtorfer Disco. Die Schuld dafür gibt Köhler dem Staat.

Bertram Köhler:
"Und dann hab ich halt damals mir gesagt, also die Jungs von der rechten Seite kriegen jetzt alles, was ich machen kann. Und das hab ich jetzt gemacht. Jetzt hab ich sozusagen meine eigene Disco."

Und das mitten in Kirtorf. Das Anwesen von Bertram Köhler. Ein Treffpunkt der Rechtsextremen. Rund 200 Skinheads sind am 3. Juli zu einen Rechtsrock-Konzert angereist. Teilweise viele hundert Kilometer weit - aus verschiedenen Bundesländern.

Aryan Rebels:
"88-Rock'n'Roll-Band, we are an 88-Rock'n'Roll-Band."

Köhlers Schweinestall, jetzt Partyraum seiner Kameradschaft "Berserker". Schalldicht gemacht, nach außen dringt kein Ton.

Bertram Köhler:
"Das ist eigentlich Party. Also keine öffentliche Veranstaltung, Party. Das ist alles so, nur geladene Gäste. Alles Leute, die man kennt von irgendwoher. Oder man kennt ein, zwei und lädt sie ein und sagt: 'Au, ich bring noch zehn Mann mit.' So ungefähr läuft das."

Publikum:
"Heil, Sieg Heil!"

Sieg Heil - der Hitlergruß, in der Öffentlichkeit eine Straftat. Doch Köhlers Gäste fühlen sich sicher vor der Polizei. Und das, obwohl die draußen vor der Tür steht. Die Polizei hatte von einem Skinhead-Treffen gehört und riegelte Kirtorf vorbeugend ab. Alle Personen wurden kontrolliert. Doch auf Köhlers Bauernhof greift die Polizei nicht ein.

Kriminaloberrat Matthias Weber, Polizei Alsfeld:
"Bei privaten Feierlichkeiten in geschlossenen Räumen hat die Polizei grundsätzlich keine rechtliche Handhabe, diese Räumlichkeiten zu betreten."

Bertram Köhler:
"Das ist hier auf jeden Fall privat. Eine private Veranstaltung. Und es haben immer bei jeder Veranstaltung ein oder zwei Personen Minimum auch ihren Geburtstag hier mitgefeiert."

Und die Polizei ist nicht geladen zur Geburtstagsfeier.

Die Staatsschützer bleiben draußen. Nach ihrem Rechtsverständnis muss diese private Party wie jede andere behandelt werden.

Kriminaloberrat Matthias Weber, Polizeidirektion Alsfeld:
"Stellen Sie sich vor, Sie machen eine private Geburtstagsfeier und die Polizei kommt zu Ihnen und möchte sagen: 'Ich will einfach mal schauen, wie Sie Ihre Feier durchführen, mal kucken, wie das hier so im Einzelnen hier abläuft.' Im Prinzip ist es die gleiche Rechtslage."

Und so grölen die Rechtsradikalen ungestört ihre volksverhetzenden Lieder:

Garde 18:
"In der Synagoge hängt ein schwarzes Schwein, in die Parlamente schmeißt die Handgranaten rein. Blut muss fließen knüppelhageldick, und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik."

"In die Parlamente schmeißt die Handgranaten rein." Eine klare Aufforderung zur Gewalt gegen den Staat. Gastgeber Köhler hat Verständnis für die Hass-Gesänge.

Bertram Köhler:
"Es gibt einige, denen geht's nicht mehr so gut - und die haben einen Hass, nicht nur eine schlechte Laune, sondern die haben einen Hass auf die Regierung und die würden gerne Handgranaten in die Parlamente schmeißen. Und wenn die das Lied hören, dann freuen die sich da drüber."

KONTRASTE:
"Die Polizei hat das Singen dieses Liedes nicht verhindert. Hat hier nicht die Polizei versagt?"
Kriminaloberrat Matthias Weber, Polizeidirektion Alsfeld:
"Die Polizei hat nicht versagt. Ganz im Gegenteil: Nur durch unsere starke Polizei-Präsenz gerade an diesem Wochenende ist eine Ausstrahlung dieses Konzerts in die Öffentlichkeit verhindert worden."

Trotzdem: Es hat stattgefunden. Ein Konzert mit rund 200 Besuchern, mehreren Bands und Hass-Propaganda. Von all dem hat die Polizei nichts mitbekommen. Und sogar der Verfassungsschutz ist ahnungslos.

KONTRASTE:
"Führen die Rechten nicht den Verfassungsschutz an der Nase herum?"
Peter Stark, Verfassungsschutz Hessen:
"Nein."
KONTRASTE:
"Aber der Bürger denkt, der Verfassungsschutz hat so was schon im Griff. Die müssen doch wissen, was dort abläuft. Die Kirtorfer Szene wird seit Jahren beobachtet. Und Sie wissen nicht, dass im Juli dort eine Band auftreten wird."
Peter Stark, Verfassungsschutz Hessen:
"Wir haben über Jahre diese Szene beobachtet. Und wir haben im Vorfeld dieses Konzertes mitbekommen, dass dort eine Veranstaltung stattfindet."
KONTRASTE:
"Aber Sie haben nicht gewusst, dass dort Bands auftreten werden."
Peter Stark, Verfassungsschutz Hessen:
"Dazu möchte ich jetzt nichts sagen."
KONTRASTE:
"Aber das ist doch Aufgabe des Verfassungsschutzes hier präventiv auch tätig zu sein?"
Peter Stark, Verfassungsschutz Hessen:
"Ich sagte ja, wir teilen der Polizei mit, wenn wir Informationen bekommen, wenn wir etwas wissen."
Kriminaloberrat Matthias Weber, Polizeidirektion Alsfeld:
"Uns lagen zu keinem Zeitpunkt Hinweise darauf vor, dass Bands auftreten, die indizierte Lieder spielen."

Aryan Rebels:
"Synagogen werden brennen, Untermenschen um ihr Leben rennen."

Polizei und Verfassungsschutz wissen nicht, was wirklich gespielt wird, hier auf dem Bauernhof in Kirtorf.

Die regelmäßigen Treffen der Rechtsextremen verunsichern die Bürger der Gemeinde Kirtorf zutiefst.

Bürger:
"Kein Bürger, keiner weiß, was da abläuft."
"Angst baut sich irgendwo auf."
"Wenn hier ein Versammlungsrecht für die rechte Szene besteht, die mit mehreren hundert Skinheads hier durch den Ort auch schon marschiert sind oder sich am Friedhof treffen, dass man wirklich Angst haben muss, dass man die Kinder auf die Straße lässt, also das gibt mir schon sehr zu denken."

Was Polizei und Verfassungsschutz nicht in den Griff kriegen, versuchen jetzt die Bürger anzupacken. Mit einem Aktionsbündnis gegen Rechts wollen sie dem Treiben ein Ende setzen.

Bürger:
"Man muss was dagegen tun, man kann's so nicht lassen. Wie soll's denn weitergehen mit Kirtorf."
"Wir wollen die rechten Parolen nicht hier haben, die hier verbreitet werden."
"Kirtorf ist bunt. Hier ist jeder willkommen. Wir wollen bloß keinen Rechtsextremismus oder eine andere Form des Extremismus hier in unserem Ort haben."

Mit Aktionen wollen die Bürger Zeichen setzen. Sie haben auch Angst um das Image ihrer Gemeinde. "Kirtorf ist bunt", lautet deshalb ihr Motto.

Die Kirtorfer wollen politischen Druck erzeugen und so die Skinhead-Konzerte verhindern. Rechtsextremismus nein, danke. Dass versuchen sie jetzt ihrem Mitbürger Köhler deutlich zu machen. Der Bürgermeister will ihn zur Rede stellen.

KONTRASTE:
"Sehen Sie eine Chance im Gespräch mit Herrn Köhler hier zu Veränderungen zu kommen?"
Ulrich Künz, Bürgermeister Gemeinde Kirtorf:
"Es wird sehr schwer werden, Herrn Köhler zu überzeugen. Aber aufgrund meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit hier in Kirtorf und den Gesprächen, die ich in den letzten Jahren auch mit Herrn Köhler geführt habe, habe ich noch einen ganz kleinen Hoffnungsschimmer, dass er sich vielleicht doch davon überzeugen lässt - insbesondere im Hinblick darauf, dass wir jetzt auch dieses Aktionsbündnis gegründet haben - und er merkt, dass die Kirtorfer Bevölkerung sein Verhalten hier in der Öffentlichkeit bezüglich dieser rechtsextremistischen Aktivitäten nicht akzeptiert."

Bertram Köhler zeigt sich unbeeindruckt. Er sieht keinen Grund, seine rechtsextremen Freunde vor die Tür zu setzen.

KONTRASTE:
"Wie soll's nun weitergehen in Kirtorf?"
Bertram Köhler:
"Bunt."
KONTRASTE:
"Der Bürgermeister macht mobil, die Bürger machen mobil. Und Sie?"
Bertram Köhler:
"Wir machen auch mobil. Wir feiern. Im September feiern wir die nächste Party. Hier im Hof wieder. Da kommen sie wieder alle, die Polizei..."
KONTRASTE:
"Sie lassen sich da nicht beeindrucken von den Plakaten oder so?"
Bertram Köhler:
"Nö, nö,..."
KONTRASTE:
"Aber so isolieren Sie sich doch hier in Kirtorf?"
Bertram Köhler:
"Ja, es gibt manche Leut' die grüßen mich halt nicht mehr. Manche grüßen mich noch. Aber damit muss man leben."

Gestern hat die Polizei Haus und Hof von Bertram Köhler durchsucht. Und unter anderem NS-Propaganda-Material gefunden. Aber die Polizei alleine kanns nicht richten. Die Musik der Gewalt ist für viele Jugendliche die Einstiegsdroge in die Naziszene. Keine Jugendfolklore, keine Modetorheit, die vorbei geht. Eine Bewegung die gefährlich ist. Die es beim Brüllen nicht belässt. Und ebenso gefährlich ist das öffentliche Schweigen über die Szene. Viele Bürger haben Angst, wenn im Nachbarhaus die Brutalomusik ertönt. Und genau das ist es, was diese Bewegung will: Angst und Schrecken verbreiten. Den Rest kennen wir.