- Anti-Schimmelmittel in Lederwaren – Gefahr für Verbraucher

Schuhe, Taschen und Möbel aus Ländern außerhalb der EU können durch das Antischimmelmittel DMF zu schweren Ausschlägen und Atemnot führen. Seit Mai dieses Jahres ist es in der EU verboten, derart belastete Waren auf den Markt zu bringen. Dennoch landet solche Ware noch immer im deutschen Handel.

Nein, wir haben keine guten nachrichten für Sie: Abgase in der Luft, Schadstoffe in der Nahrung, belastetes Kinderspielzeug und nun müssen wir leider vor einem weiteren Gift warnen: Kontraste fand heraus: Ein Antischimmelmittel in Schuhen und Lederwaren kann böse Erkrankungen auslösen. Das Gift steckt mitunter in diesen kleinen, harmlos aussehenden Päckchen, die sie gerade hinter mir sehen. Solche Päckchen werden oft Schuhkartons und Lederwaren beigelegt. Das Tückische: Einige sind belastet, andere nicht. Susanne Katharina Opalka, Margret Steffen und Lutz-Philipp Harbaum haben die Geschichte aufgedeckt.

Adventszeit, Einkaufszeit – das ist auch die Zeit für die Suche nach schicken Schuhen oder tollen Taschen.

Darin liegt manchmal, das kennt fast jeder, ein kleines weißes Beutelchen. –sein Inhalt: Silica-Gel - einfaches Kiesel-Gel, um Feuchtigkeit aufzunehmen.

Manche Säckchen enthalten zusätzlich ein Anti-Schimmelmittel, Dimethylfumarat heißt es, kurz DMF. Es soll Schimmel in den Produkten verhindern.

Auf DMF in ihren Schuhen haben viele Menschen wie hier in Spanien mit schweren Allergien reagiert. Die harmlosen Säckchen sind durch DMF unberechenbar geworden.

Dresden, im Januar dieses Jahres landet dieser Stiefel made in China in der Landesuntersuchungsanstalt. Seiner Trägerin hat er schweren Ausschlag und Juckreiz verursacht. Irgendein böser Stoff muss in ihm stecken. Detektivarbeit. Das Objekt in kleine Stücke zerteilen und nachschauen, ob sich Dimethylfumarat nachweisen lässt.

Rüdiger Helling, Landesuntersuchungsanstalt Sachsen
„Also es ist Zufall gewesen, dass diese Probe im Raum Leipzig sozusagen gekauft worden ist und letztendlich von dort zu uns zur Untersuchung gekommen ist. Dass dann DMF gefunden worden ist kein Zufall, weil das ein systematischer Ansatz war, den wir bei allen derartigen Produkten genauso verfolgen, wie wir es hier ja auch gemacht haben.“

Die Fachleute wissen: Das Biozid DMF kann vom beigepackten Säckchen auf den Schuh übergehen – und durch die Körperwärme vom Schuh auf die menschliche Haut.

Rüdiger Helling, Landesuntersuchungsanstalt Sachsen
„Parallel dazu haben wir dann recherchiert und haben festgestellt, dass in England, Frankreich und Spanien schon Verbrauchsprobleme mit DMF bekannt waren…“

Probleme, das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Denn außerhalb von Deutschland stoßen wir bei Recherchen auf eine große Zahl von Erkrankten. Offenbar gibt es tausende betroffene Konsumenten, vom Baby in England, das auf dem Sofa lag bis zur Stiefelbesitzerin in Spanien.

Viele davon haben sich in Selbsthilfegruppen organisiert und tauschen sich im Internet aus über den unheimlichen Stoff und seine Wirkung.

Deutschland, Hautklinik der Universität Göttingen: Hier treffen wir Johannes Geier. Ihm sind überall in Europa Fälle bekannt, bei denen Menschen schwere Hautreaktionen durch Dimethylfumarat erlitten haben.

Dr. Johannes Geier, Universitätshautklinik Göttingen
„Die Form von Allergie, die sich bei den Patienten entwickelt, ist das allergische Kontaktekzem. Das heißt, die Haut wird rot, es wandern Entzündungszellen ein, es entstehen kleine juckende Bläschen, die dann bei heftigen Extremreaktionen zu großen Blasen zusammenfließen könne. Was dann gerade an den Füßen schmerzhaft sein kann.“

Die Verwendung von DMF als Anti-Schimmel Mittel ist in der EU verboten.

Aber außerhalb der EU darf es eingesetzt werden. Zum Schutz vor Schimmelbefall von Schuhen, Taschen und Möbeln. Was bei der Produktion in Fernost reinkommt, kann also doch in der EU landen - durch Import.

Bei Besitzern importierter Sofas kommt es seit 2006 in Finnland, Schweden, Polen und Großbritannien zu schweren Allergien. Wissenschaftler geben den Symptomen einen Namen: Chinese Sofa Dermatitis.

Die EU erkennt ein ernstzunehmendes Risiko für europäische Verbraucher – und legt ungewöhnlich schnell fest: DMF darf nur noch in ganz geringer Konzentration vorkommen.

Im Frühjahr dieses Jahres entscheidet die EU-Kommission. Sie verpflichtet ZITAT: die Mitgliedsstaaten dafür zu sorgen, dass Produkte, die das Biozid Dimethylfumarat enthalten, nicht in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden.

Auch WIE die Konsumenten vor dem Schadstoff DMF zu schützen sind, legt die Kommission fest. Die Mitgliedsstaaten haben sicherzustellen, dass ab Mai 2009 Zitat:
„… DMF-haltige Produkte vom Markt genommen und von den Verbrauchern zurück gerufen werden.“

Also alles gut? Wir machen uns mit versteckter Kamera auf die Suche und finden sie immer noch in deutschen Geschäften: Säckchen in Lederprodukten. Säckchen, die möglicherweise DMF enthalten und das an die Artikel abgeben können. Nur, von welchem Säckchen und welchem Produkt geht eine gesundheitliche Gefährdung aus – und von welchem nicht?

Wurde in Deutschland in diesem Jahr überhaupt flächendeckend auf DMF kontrolliert? Von der Kontraste-Redaktion aus machen wir eine Umfrage bei über 100 zuständigen Ämtern.

Ergebnis: In einigen Bundesländern reagiert man erst gar nicht.

Im Saarland ist gar keine Methode zum Nachweis von DMF vorhanden.

Niedersachsen hatte Jahr bei zwei Proben Schuhe - zwei Mal DMF zu beanstanden.

Auch in Sachsen fanden die Prüfer insgesamt zwei positive Proben.

Im Internet finden wir die ebenfalls zuständige Marktkontrolle Hamburg. Sie hat ein Vierteljahr nach der EU-Entscheidung neun Schuhe in Hamburg getestet. Bei fünf Paar Schuhen - also mehr als der Hälfte - fand sie vorläufig DMF. Die Bilder hat die Behörde auf ihrer Website veröffentlicht – ohne nähere Angaben zu den Händlern.

Nur auf schriftliche Nachfrage nennt sie uns die Namen der Schuhe. Aber wer sie wo verkauft hat, nicht. Trotzdem könnte - schon vor der Kontrolle - belastete Ware einen Besitzer gefunden haben.

So sollen durch staatliche Kontrollen die Menschen vor Gesundheitsrisiken gewarnt sein? Verbraucherschützer bezweifeln das.

Monika Büning, Verbraucherzentrale Bundesverband
„Momentan ist es so, dass man davon ausgeht, dieser Schadstoff bringt den Verbraucher nicht um, und deswegen muss man auch nicht unbedingt alle zurückgerufenen Produkte veröffentlichen, da wird sicherlich auch der Industrie entgegen gekommen, dass die keine öffentlichen Rückrufe machen müssen, die ihnen ja auch immer sehr schaden können.“

Dabei sagt die EU-Kommission klar, dass Zitat:
„… Verbraucher in angemessener Weise über die Risiken unterrichtet werden sollen, die von solchen Produkten ausgehen.“

Von Herstellern und Händlern wollen wir wissen: Was tun sie, um saubere Ware anzubieten? Denn bevor Produkte wie Schuhe in den Handel kommen, müssen sie auf ihre Sicherheit staatlich nicht geprüft werden.

Die Unternehmen bedanken sich für unsere Anfrage zu „diesem hochbrisanten Thema“. Sie „befürworten selbstverständlich die Durchführung von Kontrollen“, führen „regelmässig signifikante Stichproben“ durch. Es bestehe „eine Verpflichtung der Lieferanten zur Einhaltung des DMFu-Verbots“. So sei „DMF in der geprüften Ware nicht vorhanden“.

Aber wenn wir mit versteckter Kamera nach dem schlummernden Risiko in den Säckchen fragen, weiß dann das Personal zuverlässig Bescheid?

KONTRASTE
„Sind Ihre Waren DMF-frei?“
Verkäuferin
„Diese kleinen Tütchen, die da drin sind? … Boah, nee, also ich glaube, in den meisten Kartons ist was drin.“

KONTRASTE
„Oh ja. Und die sind nicht giftig?“
Verkäuferin
„Nein, nein, nein, überhaupt nicht.“
„Ich hab nichts gehört. Ist mir jetzt neu.“

So richtig geschult worden ist das Verkaufspersonal nicht. Sind unsere aktuellen Funde jetzt frei von Anti-Schimmelmittel oder nicht?

Im Bundesinstitut für Risikobewertung fragen wir nach, ob der Verbraucher die Gefahr selbst erkennen kann.

KONTRASTE
„Jetzt sind Sie der Verbraucher und bewerten die Gefahr, die von diesen Säckchen ausgeht.“
Prof. Thomas Platzek, Bundesinstitut für Risikobewertung
„Also ich als Verbraucher habe gar keine Chance, ich muss darauf vertrauen, dass die Produkte die im Handel sind, gesundheitlich unbedenklich sind.“

Vertrauen, das ist leider auch das Einzige, was uns bleibt: Denn das Bundesinstitut für Risikobewertung hat keine Kapazitäten, unsere Säckchen auf DMF zu prüfen.
Was bleibt dem Verbraucher jetzt noch?

Monika Büning, Bundesverband der Verbraucherzentralen
„Man kann eigentlich nichts machen – man merkt vielleicht, dass man eine allergische Reaktion und ob er mit diesem Schadstoff Umgang hat oder nicht.“
KONTRASTE
„Das heißt, ich warte auf mein Exzem?“
Monika Büning, Bundesverband der Verbraucherzentralen
„Ehrlich gesagt: Ja.“

Sorgt die Politik nicht für wirksame Kontrollen, tappen die Verbraucher weiter im Dunkeln. So wird DMF auf keinen Fall verschwinden.

Beitrag von Susanne Katharina Opalka, Margret Steffen und Lutz-Philipp Harbaum