- Gierige Ärztefunktionäre - Gehaltserhöhung statt Übergangsgeld

Seit Dezember ist klar: Die Vorstände der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin müssen so genannte Übergangsgelder in Höhe von mehr als 180.000 Euro zurückzahlen, die sie unrechtmäßig erhalten hatten. Doch Einsicht scheint den gut bezahlten Funktionären fern zu liegen: Jetzt wird hinter verschlossenen Türen um eine Gehaltserhöhung gefeilscht.

„So unverschämt kann man doch gar nicht sein!" – Wenn der Sozialsenator einer Stadt das über Ärztefunktionäre sagt, dann muss wohl ein dickes Ding passiert sein: Tatsächlich ist das, was sich der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung in Berlin erlaubt hat, ziemlich schamlos: Wir hatten ja schon vor gut einem Jahr aufgedeckt, dass sich die drei Ärztefunktionäre gesetzeswidrig selber Gelder zugeschanzt haben, die letztlich aus der Kasse der Versicherten kamen. Mehr als eine halbe Million Euro insgesamt! Geld, das sie jetzt zurückzahlen sollen. Eigentlich. Doch es gibt neue Pläne. Ursel Sieber und Hermann Müller.

Drei Ärztefunktionäre auf dem Weg ins Gericht. Angelika Prehn, Burkhard Bratzke, Uwe Kraffel – die Creme de la Creme der Berliner Ärzteschaft. Man nennt sie auch die dreisten Drei. Sie möchten sich je 183.000 Euro sichern. Eine hübsche Summe. Das Dumme ist nur: Das Geld steht ihnen nicht zu. Doch das Ärztetrio gibt sich siegesgewiss.

Der Reihe nach. Die drei sind der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin. Ihr Job: Krankenkassengelder verteilen an niedergelassene Ärzte. Ihr Motto, Zitat: „Handeln im Interesse der Ärzte und Patienten". Klingt gut. Aber der Vorstand denkt auch an sich. KONTRASTE fand heraus: Die Drei kassierten so genannte „Übergangsgelder". Jeder 183.000 Euro Aber einen „Übergang" vom Vorstandsamt zurück in die eigene Praxis gab es nie. Die drei blieben im Amt, ohne Unterbrechung, und da sind sie noch heute.

Die Sache fliegt auf. Die zuständige Senatsverwaltung für Gesundheit hält das Ganze für rechtswidrig und erlässt einen Bescheid: Die Vorstände sollen die Gelder zurückzahlen.

Doch das Vorstandstrio gibt nicht auf. Ihre Kassenärztliche Vereinigung klagt gegen den Senat, beauftragt eine teure Anwaltskanzlei mit einem Gutachten. Die Übergangsgelder heißen plötzlich „Sonderzahlung". Das beeindruckt die Richter am Landesozialgericht aber nicht.

Axel Hutschenreuther
Landessozialgericht

„Im allgemeinen Sinne sind das natürlich Sonderzahlungen. Aber nicht im rechtlichen Sinne. Es war Übergangsgeld, es war auch haushaltsmäßig als Übergangsgeld eingestellt und hätte auch nur als solches ausgezahlt werden dürfen. Aber weil kein Anspruch darauf bestand, war die Zahlung rechtswidrig, sie ist rückabzuwickeln und diese Umetikettierungsversuche sind halt der Versuch, das ganze auf legale Ebene zu heben, der aber misslingen musste.“

Die Richter reden Tacheles. Sie halten die Zahlung für gesetzwidrig. Ehe ein Urteil ergeht, zieht die Kassenärztliche Vereinigung im letzten Moment die aussichtlose Klage zurück. Die drei Ärztefunktionäre verlassen im Eilschritt den Gerichtssaal.

KONTRASTE
„Frau Prehn, haben Sie denn mal eine Minute für uns? Was sagen Sie denn zu dem Ausgang? Warum reden Sie denn nicht mit uns?"

Was für eine Schlappe vor Gericht. Muss der Vorstand jetzt wirklich auf das Geld verzichten? Neue Pläne werden hier geschmiedet. Jetzt soll das Jahresgehalt erhöht werden: 183.000 Euro Übergangsgeld müssen die Vorstände zurückzahlen. Um 30.500 Euro soll das Jahresgehalt jetzt steigen. Hochgerechnet auf sechs Amtsjahre ergäbe das eine Gehaltserhöhung – welch ein Zufall – von genau 183.000 €.

Und das obwohl die KV-Vorstände schon jetzt nicht darben müssen: Selbst ohne eine solche Erhöhung liegen die Jahresbezüge schon bei rund 230.000 Euro. Dazu kommen noch Sitzungsgelder aus Gremien und Ausschüssen.

Die Richter am Landessozialgericht hatten auf Einsicht gehofft. Was sagt das Gericht zu dem Plan, die Rückzahlung durch eine Gehaltserhöhung zu kompensieren?

Axel Hutschenreuther
Landessozialgericht

„Diese Bestrebungen, diese Ideen finde ich inadäquat und denke persönlich, dass ein wenig mehr Bescheidenheit und Demut eher am Platze wären, weil man erkennen sollte, etwas falsch gemacht zu haben und nicht versuchen sollte, gleich wieder zuzugreifen auf die Gelder der Versicherten und sich daran zu bereichern."

Anders als beim Übergangsgeld hätte Gesundheitssenator Czaja weniger Möglichkeiten, gegen eine solche Gehaltserhöhung vorzugehen. Doch politisch fände er das fatal.

Mario Czaja
Senator für Gesundheit und Soziales

„Es fällt einem schwer, das sachlich zu bewerten, weil: so unverschämt kann man doch eigentlich gar nicht sein. Zunächst mal deutlich zu machen, dass über eine halbe Million Euro unrechtmäßig ausgezahlt wurde, ja im Übrigen auch Zinsvorteile und andere Sachverhalte da eine Rolle gespielt haben, dass nun zurückgezahlt werden muss. Und unmittelbar danach stellt man die Frage, wie kann man das Geld auf anderem Wege bekommen. Da fehlen einem einfach die Worte."

Das geht auch Detlef Bothe so. Er ist einer von vielen Ärzten, die solche Funktionäre untragbar finden. Aber er fühlt sich ziemlich machtlos. Schlimm ist für ihn, dass der Ruf der Ärzte bei den Patienten beschädigt ist.

Detlef Bothe
Facharzt für Innere Medizin

„Das ist eine Raffgier, das findet kein Verständnis bei den Menschen. Es ist einfach nicht adäquat, diese Vorstandsposition höher zu vergüten als die Bundeskanzlerin. Letzten Endes ist das nicht mal ein Vollzeitjob, sondern die Kollegen des Vorstands haben die Erlaubnis einer Nebentätigkeit von 13 Stunden pro Woche und dafür sind sie ausreichend hoch dotiert."

Entscheiden muss nun das Ärzteparlament – 40 gewählte Delegierte der Berliner Kassenärzte. Heute Abend beraten sie über „Personalangelegenheiten" in nicht öffentlicher Sitzung. Bisher hatten die drei Vorstände eine Mehrheit hinter sich. Und die rechtswidrige Auszahlung der Übergangsgelder hatte das Ärzteparlament abgesegnet. Ob es dabei bleibt, wird sich heute Abend zeigen.


Bis zur Stunde ist noch keine Entscheidung gefallen. Wir behalten den Fall weiter im Auge und bleiben dran an der Kassenärtlichen Vereinigung, die bisher nicht auf unsere Anfrage reagiert hat.




Beitrag von Ursel Sieber und Hermann Müller