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Bad Soden bei Frankfurt Main ist kein armer Ort, wer dort wohnt, hat meist ausgesorgt. Jetzt soll auch dort ein Asylbewerberheim entstehen. Die Anwohner haben "natürlich" nichts gegen Asylbewerber, aber bitte nicht direkt vor der eigenen Haustür.
Warum gerade die sogenannten Gutverdiener größere Vorbehalte gegen Asylbewerberheime haben, als Geringverdiener, das fanden wir schon erstaunlich und sind dem nachgegangen: Caroline Walter hat sich in einem Ort umgesehen, wo man heftigen Widerstand gegen Flüchtlinge eigentlich nicht unbedingt erwartet.
Bad Soden - eine wohlhabende Kleinstadt, nah der Metropole Frankfurt. Die Idylle sehen viele jetzt gefährdet - denn auch Bad Soden muss Asylbewerber aufnehmen.
Am Rand dieses schicken Wohngebiets soll eine Asylunterkunft entstehen, auf dieser Freifläche. Die Ankündigung sorgt für massiven Protest bei den Anwohnern.
Anwohner
„Die laufen hier rum, Sie sind fremd. Was soll das? Die sehen dann, dass hier Wohlstand ist. Dann sagen die, wenn der wohl reich ist, dann kann ich ja wohl auch reich werden."
KONTRASTE
„Was befürchten Sie denn für sich jetzt persönlich?“
Anwohner
„Hohe Kriminalität und viel Dreck."
Anwohner
„Die Grundstückspreise sind sehr teuer hier. Und man will ja schon irgendwo den Wert erhalten und nicht jetzt hier versuchen, mit irgendwelchen Maßnahmen wie dieser hier, drastisch zu reduzieren."
Dabei soll es ein hochmodernes, ansehnliches Containerdorf werden - ähnlich diesem in der Nachbarstadt. Das interessiert aber nicht wirklich. Eine Bürgerinitiative hat schon 200 Unterschriften gegen das Heim gesammelt.
Anwohner
„Das wird nicht so gut ausgehen, wie hier gesagt wird. Ja, der Kreis achtet darauf, dass Familien kommen. Die einen Familien werden anerkannt, die anderen nicht, dann entsteht eine Lücke und plötzlich sitzt da einer drin, der aus Eritrea kommt oder einer aus Somalia. Und also, es ist nicht auszuschließen, dass es dort Streit gibt."
Streit, den es in jedem deutschen Mietshaus geben könnte. Man sei ja nicht gegen die Asylbewerber, den armen Menschen müsse geholfen werden - betonen viele hier. Aber 60 an einem Ort im gut situierten Viertel?
Anwohnerin
„Ich würde erstmal versuchen, die Menschen dort anzusiedeln, wo das soziale Umfeld nicht so krass unterschiedlich ist."
KONTRASTE
„Da heißt es dann wieder, nein, das geht nicht, das wären dann Hartz IV-Empfänger, weil die auch soviel Geld ungefähr kriegen ...“
Anwohnerin
„Es gibt doch auch noch was dazwischen."
KONTRASTE
„Ja, Mittelstand.“
Anwohnerin
„Hmm.“
Gegenüber wird eine große Schule gebaut - dagegen haben die Anwohner nichts.
KONTRASTE
„Eine Schule macht einen Höllenlärm!“
Anwohnerin
"Toll, das sind die, die meine Rente bezahlen, die können gar nicht laut genug sein."
KONTRASTE
„Und der Asylbewerber bringt Ihnen nichts?“
Anwohnerin
„Nein."
Für Protestforscher Prof. Dieter Rucht wollen Besserverdiener die Armut lieber in den Medien und gefiltert bemitleiden.
Prof. Dieter Rucht
Protestforscher
„Gut situierte, privilegierte Gruppen wollen gerne unter sich bleiben, sich wechselseitig bestärken, und wenn dann Sie plötzlich hautnah mit Elend oder Benachteiligung konfrontiert werden, dann haben sie das Gefühl, da wird ihre Situation in Frage gestellt. Und deshalb will man das raus verlagern oder zumindest einen Schutzwall errichten, auch zum Teil einen Sichtschutz errichten, sodass man das nicht mehr sehen muss, dann kann man das eigene Privileg besser genießen und ertragen."
Renate Richter wohnt auch in diesem guten Wohngebiet. Sie hat selbst erlebt, was es heißt, Flüchtlingskind zu sein. 1945 wurden sie und ihre Familie aus den ehemaligen Ostgebieten vertrieben und kamen dann nach Bad Soden, wo sie nur auf Ablehnung und Vorurteile stießen.
Renate Richter (CDU)
Magistrat Bad Soden
„Dass die Menschen sofort denken, wenn Flüchtlinge kommen, dann haben wir sofort Kriminelle hier, dann kann ich meine Kinder nicht mehr auf die Straße lassen. Das ist uns auch so, das ist mir auch so gegangen. Wir konnten auch nicht auf die Straße gehen. Ich bin ja, wenn ich in die Schule gegangen bin, verkloppt worden und ich bin, wenn ich aus der Schule kam, als Kind, ich war damals Kind, auch verkloppt worden. Ohne, dass ich denen was getan habe, die wollten mich einfach nicht. Und so empfinde ich das jetzt auch und das finde ich schlimm."
Sie erzählt, ihre Familie musste in einem Verschlag hausen. Als sie einmal allein nach Hause kam, wurden die Hunde der Hausbesitzer auf sie gehetzt. Heute sitzt sie für die CDU im Magistrat der Stadt und hat kein Verständnis für den Protest gegen die Asylunterkunft.
Renate Richter (CDU)
Magistrat Bad Soden
„Ich weiß noch, wie man sich gefühlt hat und ich weiß, wie lange meine Eltern auch darunter gelitten haben. Und insofern ist das für mich so eine Art, wie man mit Menschen, die in Not sind, eigentlich nicht umgehen sollte."
Alternativen zu dem Standort gibt es kaum - vernünftige leerstehende Gebäude sind Mangelware.
KONTRASTE
„Das sind ja zum Beispiel sehr viele, zum Beispiel aus Syrien oder Afghanistan!“
Anwohner
„Afghanistan, ja! Die kommen dann mit diesen Hosen da. Noch bekämpfen wir die Afghanen."
KONTRASTE
„Die Taliban!“
Anwohner
„Ja, wissen Sie, ob da nicht Taliban dabei sind? Das ist nämlich noch das andere Programm. Das sind alles Moslems. Und ich bin ein Christ."
Und wenn auch Christen kommen? Aber das glaubt er nicht. Übrigens haben wir einige ausländische Putzfrauen in diesem Wohngebiet getroffen.
Beitrag von Caroline Walter